DER STANDARD
Donnerstag, 5. Oktober 2000, Seite 11
GERICHT:
Ein Weinbauer mit NS-Virus
Daniel Glattauer
Der burgenländische Weinort ist
berühmt. Der nach dem Verbotsgesetz angeklagte Weinbauer trägt einen prominenten
Namen. Er kommt sich im Wiener Gerichtssaal ideologisch unter seinem Wert
verkauft vor. Sein Verteidiger hat ihn so weit gebracht, dass er wenigstens so
tut, als würde er wissen, was er verbrochen hat. Reue gelingt ihm nicht.
"Er hat sich zur falschen Zeit mit den
falschen Büchern beschäftigt", bemüht sich der Anwalt. ("Mein Kampf",
"Freispruch für Hitler"). Und er hat seine falschen Thesen am falschen Ort von
sich gegeben: nicht am heimischen Stammtisch, wo Alltagsfaschismus unter
Denkmalschutz steht und der alte NS-Virus Laborbedingungen vorfindet. Sondern im
Internet. "Er hat sich dort immer tiefer in seine Ideen hineinverrannt", meint
sein Anwalt.
"Sie sind während des Krieges geboren
worden", weiß die Richterin, "haben also bewusst nichts miterlebt". - "Mein
Vater hat sich immer geweigert, mit uns Kindern darüber zu sprechen", erinnert
sich der Weinbauer.
Im Zuge der Waldheim-Affäre ist er
hellhörig geworden. Das rote Burgenland machte ihn rebellisch. Er las verbotene
Honsik-Bücher und zog daraus seine Lehren. Vor drei Jahren erwarb er einen
Computer, entdeckte das Internet und fand sich im "Jüdischen Forum", einem
Chatroom, in dem über Politik und Geschichte diskutiert wurde. "Die haben mich
provoziert", sagt er: "Ich bin fürchterlich beschimpft worden." - Dabei hatte er
lediglich behauptet, dass es niemals Vergasungen gab; dass "nur 200.000 und
nicht sechs Millionen Juden" umgekommen sind; dass es ihn ehrt, "mit Hitler, dem
größten Führer der deutschen Nation in einem Atemzug genannt zu werden"; dass
Österreich als Ostmark ein Teil Deutschlands ist; dass es ihn nicht wundert,
wenn es geheißen hat, die Juden sollten verrecken.
"Ich hab aber niemals ein Verbrechen
gutgeheißen", versichert der Weinbauer: "Und ich hab auch nicht gewusst, dass
das in die Öffentlichkeit geht." Er wird wegen NS-Wiederbetätigung zu eineinhalb
Jahren bedingt verurteilt. "Tun S' lieber Wein machen", rät der beisitzende
Richter.
Wien, 4.10.2000 - Eineinhalb Jahre
Haft wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz, lautete das Urteil des
Schwurgerichts. Die Strafe wurde dem Weinbauern mit einer dreijährigen Probezeit
auf Bewährung nachgesehen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Der Burgenländer trieb seit Februar 1999
auf der Web-Site einer in Deutschland beheimateten jüdischen Vereinigung sein
Unwesen. "Weinbau Meister" oder "Werwolf" nannte sich der 57-Jährige, wenn er in
den Chat einstieg.
Ursprünglich hatte er sich den PC für
seine Buchhaltung besorgt. Doch bald diente er ihm dazu, seine kruden Gedanken
zu verbreiten: Er bezweifelte die Anzahl der im Zweiten Weltkrieg vernichteten
Juden bzw. stellte überhaupt die Existenz von Gaskammern in Abrede. Hitler
nannte er "den größten Führer, den Deutschland je hatte". Österreich sei kein
selbstständiger Staat, sondern als "Ostmark" Teil Deutschlands.
Auf seine Spur war man gekommen, weil er
bei seinen Auftritten eine E-Mail-Adresse angegeben hatte. Den Account hatte er
unter seinem richtigen Namen angemeldet.
Professor fand NS-Parolen im Internet:
Winzer verurteilt
Englischer Wissenschafter erstattete bei
Staatspolizei Anzeige wegen Wiederbetätigung
Andrea Wasinger /
kurier
Ein Universitätsprofessor aus
Cambridge übermittelte der Staatspolizei jene Texte, die er im Internet gefunden
hatte: Aufsätze, "garniert mit massiven, radikalen antisemitischen Parolen und
Anschauungen, wie sie im Nazionalsozialismus geherrscht haben" (Staatsanwalt).
Auch die eMail-Adresse eines
Burgenländers schickte der englische Professor mit. Sogar die
Präsidentschaftskanzlei wurde davon in Kenntnis gesetzt. Es war ein 57-jähriger
Weinbauer, der diese Texte ins Internet gebracht hatte. Der Burgenländer hatte
sich auf der deutschen Homepage einer jüdischen Vereinigung eingeklinkt und im
"Chat-Room" seine ideologischen Anschauungen wortreich verteidigt.
Mittwoch war in Wien Prozess wegen
Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz. Und der 57-Jährige meinte zunächst:
"Ich hab' doch nix Böses getan, keine Gewalttat verübt oder gutgeheißen, da kann
einem doch nichts passieren . . ." Sein Verteidiger Ralf Mösslacher (Kanzlei
Doczekal) beruhigt: Nein, nein. Es sei schon so, dass sich sein Mandant dessen
bewusst sei, etwas Falsches, etwas Verbotenes gemacht zu haben. "Er hat zur
falschen Zeit die falschen Bücher gelesen und sich ein falsches Geschichtsbild
zurechtgebastelt. Sich in eine Idee hineinverrannt", sagt der Verteidiger.
"Ich hab' mich selber erschreckt, als ich
gelesen habe, was ich alles geschrieben habe", sagt der Angeklagte. Sein Vater
hätte sich immer geweigert, über den Krieg zu sprechen. Und er selber habe
Hilfstransporte nach Rumänien und in die Ukraine organisiert und sei dafür vom
burgenländischen Rotkreuz geehrt worden.
"Falsche Bücher zur falschen Zeit":
Während der Diskussion um Kurt Waldheims Vergangenheit in der NS-Zeit habe er
sich mit einschlägigen Büchern eingedeckt und sei nach deren Lektüre plötzlich
"verunsichert gewesen", ob während der Hitlerzeit wirklich alles so war, wie man
es im Geschichtsunterricht vermittelt bekommt. Das Urteil fiel (bei einem
Strafrahmen bis zu zehn Jahren Haft) milde aus: 18 Monate bedingt,
rechtskräftig.
Ausgerechnet im jüdischen Online-Dienst haGalil:
Revisionistische Polemik
Erfolge
gegen Rechts:
Mehr als 90 erfolgreiche Strafanzeigen
gegen Rechtsextreme innerhalb von zwei Jahren
Jüdisches
Internetforum
Erfolgreiche Ermittlungen wegen rechtsradikalen Mordaufrufes
haGalil onLine
24-10-2000
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