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Deutsche Streiche

Im bayerischen Weiden häufen sich seit Monaten die Anschlägeauf jüdische Einrichtungen. Die Bevölkerung schweigt. Und der Bürgermeister schreibt Leserbriefe. von stefan wirner

Weiden in der Oberpfalz ist ein öder Ort. In Nordbayern, nahe der tschechischen Grenze gelegen, ist die ehemalige Eisenbahnerstadt mit ihren 43 000 Einwohnern ein Symbol für Provinz schlechthin. Die Stadt hat zwei schöne Kirchen, ein schmuckes altes Rathaus, eine in Teilen erhaltene Stadtmauer und Anschluss an die Autobahn Hof-München. Die örtliche Kaserne heißt noch immer Ostmark-Kaserne, und der CSU-Oberbürgermeister regiert seit über 20 Jahren.

Seit ein paar Monaten aber ist die Idylle gestört. Im Mai dieses Jahres wurde das »Mahnmal gegen Rassenwahn«, das gut versteckt in einer Ecke des Konrad-Adenauer-Parks steht, mit weißer Farbe übertüncht. Im Juni schlugen Unbekannte ein Fenster der Synagoge ein. Und im September gab es einen Farbanschlag auf das jüdische Gemeindehaus.

Der Lokalpresse waren diese Anschläge zunächst lediglich kleine Randnotizen wert. Von offizieller Seite gab es überhaupt keine Reaktionen. Nur die Vorsitzende der Weidener Jüdischen Gemeinde, Gabriele Brenner, wollte sich mit den Tatsachen nicht abfinden. Sie ging an die Öffentlichkeit und beschwerte sich in Interviews über die Teilnahmslosigkeit der Bevölkerung. Sie kritisierte die Polizei, die den Anschlag auf das Gemeindehaus verharmlost hatte. Ob die Farbe nicht vielleicht versehentlich ausgeschüttet worden sei, war noch spekuliert worden. Eigentlich unglaublich: zufällig, nachts, und ausgerechnet auf den Treppen des jüdischen Gemeindehauses.

Dabei sind rechte Aktionen keine Seltenheit in der Region. Erst Ende September war es in den rund 50 Kilometer von Weiden entfernt gelegenen Orten Schwandorf und Marktredwitz zu heftigen Ausschreitungen von Neonazis gekommen. Auch die nordbayerischen Städte Hof und Bamberg waren in diesem Sommer Schauplätze rechter Gewalt. In Hof gab es im August einen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim, in Bamberg konnte ein Sprengstoffanschlag auf eine jüdische Familie vereitelt werden. Und das waldreiche Grenzgebiet zu Tschechien ist seit Jahren ein Manöverort für Wehrsportgruppen.

Erst nach Brenners Beschwerde gab es Reaktionen in der Kleinstadt, die jedoch allesamt eher verharmlosenden Charakter hatten. Oberbürgermeister Hans Schröpf etwa warnte davor, die Stadt als ausländerfeindlich oder antisemitisch zu bezeichnen. »Wenn bestimmte Ereignisse zu hoch aufgehängt werden, bewirkt man oft das Gegenteil von dem, was man will.« Schröpfs Gegenspieler Reinhard Hese, der SPD-Fraktionsvorsitzende im Weidener Rathaus, antwortete auf die Frage, warum die SPD so lange auf eine Stellungnahme habe warten lassen, das liege an der »Ferienzeit«. Außerdem halte er nichts von der »Aktionskeule«, sondern wirke lieber »unbemerkt von öffentlicher Erörterung«. So eine Art unsichtbare Antifa eben. Der katholische Stadtdekan Andreas Uschold schließlich verwies darauf, dass auch die Kirche St. Josef immer wieder durch Graffiti geschändet werde, was aber noch nie für einen Aufschrei in der Öffentlichkeit gesorgt habe.

Nur die Unabhängige Antifa und das Autonome Flüchtlingskomitee organisierten im September eine Kundgebung gegen die Anschläge. Gerade 35 Leute kamen. Von den Tätern fehlt bis heute jede Spur.

Dennoch blieb die Polizei nicht untätig. Einige Tage nach der Kundgebung wurde Strafanzeige gegen einen der Veranstalter gestellt. Weil er sich nicht an die 48-Stunden-Frist zur Anmeldung einer Demonstration gehalten habe, wird nun wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ermittelt. So kann die Polizei wenigstens einen Erfolg aufweisen - wenn auch gegen Links. Polizeidirektor Wittmann tat die Aufregung über das Vorgehen der Beamten als »Sturm im Wasserglas« ab.

Damit wäre nun eigentlich genug passiert im öden Weiden. Doch die Geschichte erfuhr vergangene Woche noch eine Zuspitzung. Als die Vorsitzende der örtlichen jüdischen Gemeinde, Brenner, gemeinsam mit der grünen Bundestagsabgeordneten Ekin Deligöz in Weiden dem Sozialamt einen Besuch abstattete, beklagte sie sich über die Schwierigkeiten jüdischer Zuwanderer aus den GUS-Staaten: »Wer geht schon gerne zum Sozialamt? Das ist die Hölle, und in Weiden ist es sogar zweimal die Hölle.«

Anders als zuvor bei den antisemitischen Anschlägen musste sie nun nicht lange auf Reaktionen der Weidener Politprominenz warten. »Völlig empört« zeigte sich der CSU-Fraktionsvorsitzende Gerd Hoffmann. Die Aussage Brenners wirke sich nicht positiv auf die »Diskussion gegen das rechte Spektrum« aus.

Doch das eigentliche Machtwort sprach Oberbürgermeister Schröpf. In einem Leserbrief an die Lokalzeitung Der Neue Tag wies er die »beleidigende Aussage der Frau Brenner aufs Schärfste zurück« und rechnete ihr vor, wie gut es die Juden in Weiden hätten. »Rund ein Fünftel der Hilfeempfänger sind jüdische Kontingentflüchtlinge. Die Ausgaben zum Lebensunterhalt, einmalige Beihilfen und die Krankenhilfe betrug 1999 für diesen Kreis 2,6 Millionen Mark. Das sind 27 Prozent der Gesamtausgaben für Hilfeempfänger.« Die Weidener Bürger, das zeige eine Umfrage, seien mit ihrem Sozialamt durchaus zufrieden. Schröpf resümierte: »Ich nehme deshalb die Aussagen der Weidener Bürger wichtiger als die nicht nachvollziehbaren Ausfälle der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Weiden.«

Ein unkonventioneller Gruß zum jüdischen Neujahrsfest. Der antisemitische Tonfall des Briefes indes ist kaum jemandem in der Stadt aufgefallen. Oppositionsführer Hese wiegelte ab. Gegenüber Jungle World sagte er, der Oberbürgermeister dulde eben keine Kritik und sei ein wenig sensibel. Er wolle doch nur die »Weidener Weste rein und sauber halten«.

Schröpf selbst war zu einer Stellungnahme nicht bereit. Da war der erste Mann Weidens wieder ganz die schweigende Mehrheit. Sein Pressesprecher Strehl ging dagegen in die Offensive und konstruierte angebliche »Konflikte innerhalb der Jüdischen Gemeinde«. Die Anschläge bezeichnete er als »Dumme-Jungen-Streiche« und prophezeite: »Da wird nichts nachkommen.«

haGalil onLine 11-10-2000

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