Forschungsprojekt:
Synagogenorgeln in Deutschland
Ein für die jüdische Geschichtsforschung wie auch für die Musikwissenschaft
gleichermaßen interessantes Phänomen ist die Einführung der Orgel in den
Gottesdienst etlicher jüdischer Reformgemeinden im 19. Jahrhundert.
Der Anfangspunkt der Einführung der Orgel in den jüdischen Gottesdienst in
Deutschland fällt in das Jahr 1810, als Israel Jacobson in der von ihm
gegründeten Erziehungsanstalt und Handwerksschule für jüdische und christliche
Kinder in Seesen am Harz eine Orgel aufstellen ließ. Die erste nachweislich in
einer deutschen Gemeindesynagoge stehende Orgel wurde 1818 in Hamburg
eingeführt, nachdem bereits 1815 in Berlin und 1816 in Kassel synagogale Lieder
mit Orgelbegleitung gesungen worden waren.
Die Entwicklung nahm einen deutlichen
Aufschwung, nachdem die zweite deutsche Rabbinerversammlung 1845 einstimmig für
die Zulässigkeit der Orgel in der Synagoge votiert hatte. Die Einführung der
Orgel in den jüdischen Gottesdienst durch reformierte Gemeinden führte zu
heftigem Widerstand der Orthodoxen. In vielen Städten (z.B. Mainz und Worms)
führte die Anschaffung der Orgel zu einer Spaltung der jüdischen Gemeinden in
einen liberalen und in einen orthodoxen Teil. Mehrere andere Traditionsbrüche
wurden ebenfalls von den Orthodoxen heftig kritisiert, vor allem die unerlaubte
Nachahmung des Kultes anderer Religionen.
Trotz aller Widerstände waren an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in
fast allen deutschen Großstädten Synagogenorgeln vorhanden (z.B. Augsburg,
Berlin, Darmstadt, Dresden, Essen, Frankfurt am Main, Leipzig, Mainz,
München, Wiesbaden, Worms). Die letzte vor dem „Dritten Reich“ gebaute,
deutsche Synagogenorgel wurde nach heutigem Wissen 1931 in der Hamburger
Oberstraße vollendet. In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November
1938 wurden durch die Nationalsozialisten die bis zu diesem Zeitpunkt
vorhandenen Synagogenorgeln nahezu vollständig vernichtet. |
|
Das geplante Forschungsprojekt über sämtliche nachweisbaren Synagogenorgeln soll
sich auf die heutige Bundesrepublik Deutschland sowie auf die ehemaligen
deutschen Gebiete in Polen und Rußland (Ostpreußen, Pommern und Schlesien) und
Frankreich (Elsaß-Lothringen) erstrecken und folgenden Inhalt haben:
-
Wissenschaftliche Dokumentation aller erhaltenen und nicht erhaltenen
Synagogenorgeln durch Nachforschungen in Archiven, Bibliotheken und Museen.
-
Synagogenorgeln vor dem Hintergrund der Architektur- und Kunstgeschichte des 19.
Jahrhunderts.
-
Synagogenorgeln und jüdische Reformbestrebungen im 19. Jahrhundert;
Synagogenorgeln und Nationalsozialismus
-
Jüdische und christliche Theologie im Hinblick auf den "Orgelstreit", Liturgie
des reformierten jüdischen Gottesdienstes, christliche Reaktionen und
Einflüsse.
-
Technische Neuheiten bei Synagogenorgeln
-
Dokumentation von Orgelsachverständigen, Organisten, liturgischen
Orgelkompositionen und Synagogenkonzerten.
Die Initiatoren des Projektes bitten die Leser von hagalil.com um Ihre Mithilfe.
Jedwede Art von Informationen zu diesem Thema sind willkommen! Ebenso werden
Sponsoren gesucht.
haGalil onLine
26-09-2000
|