Brigitte Schumann
Rüttenscheider Str. 18
45128 Essen
Essen, d. 23.8.00
An den Ministerpräsidenten
des Landes Nordrhein-Westfalen
Stadttor 1
40219 Düsseldorf
Sehr geehrter Herr Clement,
nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub fand ich das
Antwortschreiben der Staatskanzlei und des Justizministeriums auf meine
Schreiben zu der Ermittlungstätigkeit der Zentralstelle im Lande
Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung von nationalsozialistischen
Massenverbrechen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund vor.
Dazu möchte ich wie folgt Stellung nehmen:
Dem Antwortschreiben der Staatskanzlei entnehme
ich, dass mein Anliegen nicht aufgegriffen wurde. Ich habe eine Strafanzeige
gegen die Dortmunder Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Strafvereitelung
im Amt gestellt. Nach meinem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit hätte dieser
Vorwurf zur Behandlung an die Generalstaatsanwaltschaft Hamm weitergeleitet
werden müssen. Stattdessen wurde das Justizministerium um Stellungnahme gebeten.
Auch wenn dies sicherlich nicht intendiert war, so steht doch faktisch fest,
dass mit der Weitergabe an das Justizministerium die juristische Klärung durch
eine unabhägige Staatsanwaltschaft verhindert wurde.
Der Stellungnahme des Justizministeriums
widerspreche ich aus meiner Kenntnis der tatsächlichen Vorgänge und
Sachverhalte. Ich halte den Ausführungen des Justizministeriums entgegen, dass
es seit Oktober 1999 eine neue Zeugenaussage zum Komplex "Kleine Festung
Theresienstadt" gibt, die in die Zuständigkeit der Dortmunder Zentralstelle
gehört. Durch den neuen Zeugen wird der mutmaßliche Kriegsverbrecher Anton
Malloth des Mordes beschuldigt.
Dennoch sah sich die Zentralstelle nicht veranlasst, ein entsprechendes
Ermittlungsverfahren wiederaufzunehmen. Der Verzicht auf die juristische
Zuständigkeit und deren Verlagerung nach München - entgegen dem gesetzlichen
Auftrag - legt vor dem Hintergrund der in der Vergangenheit immer wieder
geäusserten massiven Kritik an der Arbeit der Zentralstelle den Schluss nahe,
dass die Dortmunder Staatsanwaltschaft ihren gesetzlichen Auftrag zur Aufklärung
von NS- Verbrechen nicht ernsthaft wahrgenommen hat.
Für die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist es
ausgesprochen schädlich und kontraproduktiv, wenn mögliche Fehler der Justiz und
der Politik bei der Aufklärung von NS-Verbrechen nicht rückhaltlos aufgedeckt
werden. Deshalb appelliere ich an Sie, meine Aufforderung nach einer umfassenden
Überprüfung der gesamten Angelegenheit durch unabhängige Dritte aufzugreifen.
Mir freundlichen Grüßen
Brigitte Schumann
ehemals Mitglied des Landtags NRW
Tel./fax: 0201-777940