Konferenz der Staatssekretäre
des Inneren:
Bürger sollen Hass-Seiten melden
Das Rad nochmal
erfunden - bloß ein bißchen teurer
Bei einer eilig einberufenen
Telefonkonferenz einigten sich die zuständigen Staatssekretäre des
Inneren anfangs der Woche unter anderem darauf, rechtsextreme
Homepages im Internet stärker zu bekämpfen. Eine weitere Konferenz
der Staatssekretäre auf Bundesebene, an der Vertreter der
Ministerien für Inneres, Justiz und Familie teilnahmen, ermahnte die
Bürger zu mehr Zivilcourage und ermunterte sie zur Meldung von
Hass-Seiten an die zuständigen Behörden.
In diesem Zusammenhang ist es
interessant zu erwähnen, dass bei haGalil onLine eine
Seite zur Meldung nazistischer Inhalte und Drohungen seit
langem existiert. Fast täglich gehen hier Meldungen ein, welche von
uns - anwaltlich und kostenlos bearbeitet - an die entsprechenden
Stellen weitergeleitet werden.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass oftmals technische Kompetenz und
Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden im Umgang mit dem Medium
Internet unzureichend sind. Um dennoch eine zügige Bearbeitung zu
fördern, werden von den haGalil-Juristen nicht lediglich die
entsprechenden Seiten benannt, sondern es werden - soweit aus
allgemein zugänglichen Quellen möglich - Informationen über die
Betreiber dieser Hass-Seiten und entsprechende Querverbindungen
ermittelt und mitgeteilt.
Von "zügiger Bearbeitung" wie sie Frau Däubler-Gmelin rühmte kann
zwar nicht unbedingt die Rede sein, trotzdem führten hieb und
stichfeste Anzeigen in Dutzenden von Fällen zur endgültigen
Täterermittlung und entsprechenden Sanktionen der
Strafverfolgungsbehörden.
In einer Talkrunde am
Sonntagabend bei Sabine Christiansen, lächelten Frau Däubler-Gmelin
und Verfassungsschützer Minnier als Paul Spiegel von
unkontrollierten Entwicklungen im Internet sprach. Herr Minnier
betonte, seine Behörde beobachte sehr wohl die Geschehnisse im Netz.
Nun das mag schon sein, es ist aber ganz einfach ihre Aufgabe, für
die sie vermutlich auch Geld erhält? Welch hochwertige und
kompetente Leistung hier erbracht wird, sehen wir an den Resultaten
und an den Verlautbarungen.
Entscheidungsträger:
Untätig und inkompetent
Momentan jagt eine
Verlautbarung die nächste. Man will zusammenarbeiten, will sich um
die Jugend kümmern, will etwas tun. Selbstverständlichste
Selbstverständlichkeiten werden als Epochalbeschlüsse unters Volk
gestreut. Reibt man sich die Augen, so bleibt nur blinder
Aktionismus, denn die meisten Beschlüsse offenbaren nur die
bisherige Vernachlässigung des Themas und die konstante Unkenntnis
der Materie.
Variant erscheint nur die Anzahl der angeblich so aufmerksam
beobachteten NS-Sites.
Einmal wird ihre Zahl mit
über sechshundert angegeben, dann ist von knapp vierhundert die
Rede. Bisher sahen die
Verfassungsschützer
(Artikel 1 dieser Verfassung lautet: "Die Würde des Menschen ist
unantastbar") ihre Hauptaufgabe offenbar im Bereich der Statistik -
und tatsächlich, es ist seit Jahren vom erschreckendem Anwachsen der
NS-Propaganda die Rede. Leider scheint aber nicht einmal im Bereich
der Statistik die Stärke dieser Behörde zu liegen, denn eine Varianz
von plus/minus 50% lässt an der Sorgfalt der Erhebung Zweifel
aufkommen.
Wenn sagen wir mal
sechshundert Seiten bekannt sind, wäre es nicht an der Zeit sich
einfach einmal um deren Hintermänner zu kümmern? Nehmen wir mal an,
es wird so genau beobachtet wie behauptet, warum weiß dann keiner an
verantwortlicher Stelle, dass ein Aufruf zur Meldung bereits
besteht, dass eine entsprechende Adresse zur Eingabe vorhanden ist
und konkrete Ergebnisse der Bearbeitung relevanter Beobachtungen
bereits vorliegen?
Warum mussten wir während der
Zerstörung unserer "Offenen Foren" jeden Einzelfall persönlich zur
Anzeige bringen. Warum hat es so lange gedauert bis überhaupt etwas
geschah? Warum kam nie eine einzige der vielen zuständigen Behörden
von sich aus auf die Idee diese Vorgänge zu beobachten - und evtl.
Hilfe anzubieten?
Heuchelei und
Augenwischerei
Dass man sich momentan zu
demonstrativer Aktivität hinreißen lässt ist nicht etwa Zeichen des
mahnenden Gewissens oder der wahrhaften Sorge "um unser aller
Zukunft", sondern viel eher ein eiliger Versuch mit vorgetäuschter
Geschäftigkeit bisherige (und vermutlich auch zukünftige)
Versäumnisse und Schludrigkeiten zu vertuschen.
Schon der Anlass ist
eigenartig. Wochenlang wurden alle paar Tage Menschen tot
getrampelt, alltäglich Menschen bespuckt, beschimpft, beleidigt und
bedroht. Keine Reaktion erfolgte. Die bundesweite Empörung -
getragen von der gesamten Presse und Medienlandschaft - wandte sich
dem Thema der Kampfhunde zu. Ein wichtiges Thema - ganz gewiss, und
gerade deshalb so erschreckend der Kontrast zur dumpfen
Gleichgültigkeit mit der die nazistischen Mordtaten aufgenommen
wurden. Im Falle der Morde waren die Täter als Nazis bekannt, was
(zumindest bisher) für den Düsseldorfer Anschlag nicht gilt. Bekannt
war hier nur, dass ein Teil der Opfer Juden seien - und erst da
erwachten alle aus ihrer Dumpfheit. Um wahre menschliche Sorge und
kann es sich aber kaum handeln, denn die hätte schon viel früher
wachrütteln müssen.
Warum man meint uns mit einem
solchen Sommertheater abspeisen zu können, das ist eine der Fragen,
die wir alle uns stellen müssen. Frau Däubler-Gmelin hat
Zivilcourage gefordert. Dazu gehört auch nachzufragen bei Statements
der Politik. Die Glaubwürdigkeit jeder Demokratie lebt vom fragenden
Bürger. Es sind viele Fragen offen!
Um kein Missverständnis
aufkommen zu lassen: Selbstverständlich ist es erfreulich, dass
dieses Thema endlich angegangen wird. Um nicht bösen Willen zu
unterstellen ergibt sich jedoch das Bild der Inkompetenz der
Entscheidungsträger. Nicht nur die Bürger, auch die Sachbearbeiter
vor Ort werden oft genug im Stich gelassen.
Wir mussten beispielsweise
erfahren, dass beim Dezernat Internetkriminalität, Abt.
Rechtsextremismus dem zuständigen Sachbearbeiter beim LKA München
noch nicht einmal ein Rechner zur Verfügung steht, geschweige denn
ein Internetanschluss, an den die Flut von Beleidigungen,
Bedrohungen und Verhetzungen, die uns fast täglich erreichen
weitergeleitet werden könnten. Interesse sei schon vorhanden, jedoch
man "jagt hier mit der Postkutsche hinter Düsenjets her"
(Originalton LKA).
In der gestrigen
ZDF-Dokumentation entstand der Eindruck als handle es sich beim
Nazismus zum Großteil um US-Import. Dass dem nicht so ist lässt sich
leicht nachweisen. Es gibt genügend NS-Domains unter der de-Kennung.
In den meisten Fällen genügen
schon öffentlich zugängige Datenbanken zur Feststellung der
Verantwortlichen. Im Fall einer de-Domain wäre dies
whois / de-nic.
Sollte es nach all diesen
Vorgaben nicht möglich sein solche Seiten zu schließen und
Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen, dann fallen auf Anhieb
zwei Gründe ein: Entweder man will nicht oder man kann nicht.
Das Resultat ist in beiden
Fällen gleich schlimm. Im zweiten Fall aber gibt es Leute die gerne
bereit sind Hilfestellung zu geben (und in vielen Fällen auch
bereits gegeben haben).
Diskussion [
Terror von Rechts]
haGalil onLine
03-08-2000 |