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Frankfurts Juden verstanden sich bis 
in die 80er als "Gemeinde in Abwicklung", 
dann bauten sie ihr Zentrum und 
meldeten sich politisch zu Wort

Ein Auszug aus dem Schneckenhaus

Von Wolfgang Hettfleisch

Jüdische Buchhandlung Morascha - Zürich - Bücher zum Judentum, Ritualia...


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"Wer ein Haus baue, wolle bleiben", erklärte Salomon Korn anlässlich der Einweihung des jüdischen Gemeindezentrums an der Savignystraße im Frankfurter Westend im Herbst 1986. So weit, sagt der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde und Nachfolger von Ignatz Bubis heute, werde seine Aussage gern und oft zitiert. Dass Korn seinerzeit hinzufügte, "wer bleiben will, erhofft sich Sicherheit", wird bei unzähligen Rückgriffen auf die Worte des damaligen Gemeinderatsmitglieds hingegen häufig unterschlagen.

Dies mag einer wachsenden Neigung Deutscher christlichen Glaubens entspringen, beim Blick auf das vielgestaltige heutige Leben der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, die mit etwa 6700 Mitgliedern eine der größten und überdies fraglos eine der aktivsten der Republik ist, den historischen Kontext auszublenden. Tatsächlich aber versinnbildlicht der Bau des Gemeindezentrums als "Akt von schwerlich zu überschätzendem Symbolgehalt" (Korn) einen entscheidenden Wandel im Selbstverständnis der Nachkriegsgemeinde - und kann schon deshalb nicht losgelöst von der langen ruhm- und leidvollen Geschichte der Frankfurter Juden betrachtet werden.

Das Haus im Westend ist das steinerne Zeugnis eines weiteren Versuchs. Es dokumentiert den Abschied der - nach dreimaliger Zerstörung - vierten Jüdischen Gemeinde in der Geschichte der Stadt von ihrem anfangs dezidiert provisorischen Charakter. "Aus der Liquidationsgemeinschaft aus Rückkehrern und Displaced Persons nach der Befreiung hat sich eine Gemeinde entwickelt, die unter den Jüdischen Gemeinden in Deutschland als Vorzeigemodell gilt", sagt Korn.

Die Gründer der vierten Gemeinde um den Rabbiner Leopold Neuhaus - zu denen neben vielen anderen der Schriftsteller Valentin Senger, der in seiner Heimatstadt untergetaucht und so den Häschern entgangen war, sowie der im DP-Camp Zeilsheim gestrandete Historiker und Publizist Arno Lustiger zählten - hatten anderes im Sinn als einen Neubeginn jüdischen Lebens in Frankfurt. Man saß auf gepackten Koffern. Eine Zukunft für Juden in Deutschland schien vielen der anfangs etwa 500 Menschen zählenden Not- und Zweckgemeinschaft undenkbar. Kontinuität nach Auschwitz war und ist nicht vorstellbar. Die heutige Gemeinde knüpfe an die Traditionen jüdischen Lebens in Frankfurt vor der Schoa an, sagt Salomon Korn, eine bruchlose Fortschreibung aber könne und dürfe man nicht betreiben.

Das jahrzehntelang aufrechterhaltene Selbstbildnis von der "Gemeinde in Abwicklung" war wohl einer der Gründe dafür, dass sich die kontinuierlich wachsende Gemeinschaft bis weit in die 80er Jahre kaum in den gesellschaftspolitischen Diskurs einschaltete. Wohl hatten die Stürme von 1968 auch die Jüdische Gemeinde erfasst. So verbuchte die oppositionelle "Junge Liste" um Heschi Rothmensch, Marek Glezermann, Dan Diner und Micha Brumlik, die gegen die nach ihrer Überzeugung verkrusteten Strukturen der damaligen Gemeindeführung rebellierte, bei den Gemeinderatswahlen 1971 einen Überraschungserfolg. Doch sollte es da noch etliche Jahre dauern, bis die Gemeinde ihre politische Abstinenz nach außen aufgab.

Den Anstoß dafür gab die geplante Aufführung des weithin als antisemitisch empfundenen Theaterstücks "Der Müll, die Stadt und der Tod" von Rainer-Werner Fassbinder am Frankfurter Kammerspiel. "Bis zur Fassbinder-Kontroverse hat sich die Gemeinde nie dezidiert politisch geäußert", sagt Korn. Das änderte sich schlagartig am 31. Oktober 1985, als Mitglieder der Gemeinde um deren 1983 gewählten Vorsitzenden Ignatz Bubis die Theaterbühne besetzten, um die Aufführung des Fassbinder-Stücks zu verhindern.

Die Aktion, getragen von einem breiten und keineswegs selbstverständlichen Konsens innerhalb der Gemeinde, hatte bundesweit Signalwirkung und fällt wohl nicht von ungefähr in die Zeit, in der das Gemeindezentrum errichtet wurde. Mit seinem mutigen Aufbegehren brachte Bubis - der von der politischen Linken im Zuge des Frankfurter Häuserkampfes mit gelegentlich nur notdürftig verbrämter antisemitischer Konnotation zu einer Art Prototyp des "Westend-Spekulanten" stilisiert worden war - neben einem gewachsenen Selbstbewusstsein auch ein neues Selbstverständnis der Frankfurter jüdischen Glaubens zum Ausdruck. Eines, das angesichts der gewachsenen Erkenntnis, dass sich die lange Zeit hilfreiche Fiktion vom bloß provisorischen Charakter der Gemeinde nicht aufrechterhalten ließ, die Bereitschaft einschloss, sich öffentlich einzumischen und die Auseinandersetzung zum Schutz eigener Belange nicht zu scheuen.

Erst im Zuge der Fassbinder-Kontroverse und des 1987 folgenden Konflikts um den Stadtwerke-Neubau am Börneplatz, der die archäologischen Reste der alten Judengasse unwiederbringlich zu begraben drohte, habe die Gemeinde "ihr Schneckenhaus-Dasein beendet", urteilt Salomon Korn. Dem Aktionsbündnis "Rettet den Börneplatz", in dem sich neben anderen Micha Brumlik und die Frankfurter Autorin Eva Demski engagierten, kommt überdies insofern Bedeutung zu, als Frankfurter jüdischen und christlichen Glaubens hier Seite an Seite fochten - mit dem Erfolg, dass wenigstens ein kleiner Teil der Fundamente, die von der bis ins 12. Jahrhundert zurückreichenden Geschichte der Frankfurter Juden zeugen, bewahrt und öffentlich zugänglich gemacht wurde.

Das Erinnern bleibt konstitutiver Bestandteil des Gemeindelebens: an die Ursprünge jüdischer Kultur in der Stadt ebenso wie an das Wüten des mordlüsternen Pöbels wärend der Pogrome des Mittelalters oder während des Fettmilch-Aufstands Anfang des 17. Jahrhunderts; an bedeutende Familien wie die Rothschilds, große Gelehrte wie Siegfried Kracauer und Max Horkheimer und jüdische Schicksale in der Nazi-Zeit wie jenes der Frankfurterin Anne Frank. Dass Salomon Korn den Wiedererwerb des Philantropins zur Einrichtung einer Ganztagsschule neben der Integration der Zuwanderer aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion für die derzeit vordringlichste Aufgabe der Gemeinde hält, passt ins Bild. Wie das junge Gemeindezentrum ist auch Frankfurts alte, 1804 gegründete jüdische Lehranstalt ein Symbol. Als jene Institution, so Korn, "die Frankfurts Juden auch geistig aus dem Ghetto geführt hat".

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Erscheinungsdatum 19.07.2000

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