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Als ich letzte Woche in die
Große Hamburger Straße in Berlin-Mitte kam, fand ich in den Räumen des
vor einigen Wochen pleite gegangenen „Cafe - Restaurant Moses
Mendelssohn" ein arabisches Restaurant vor. Nur noch einige Löcher in
der Wand über dem Eingang wiesen auf das alte Schild und die vormaligen
Betreiber hin.
Ich gestehe, ich spürte eine
innere Genugtuung und einen Anflug von Schadenfreude. Einige Monate
versuchte hier das „Restaurant Moses Mendelssohn" Kunden zu gewinnen und
scheiterte - gelegen in direkter Nachbarschaft der jüdischen Oberschule
gleichen Namens und mit Blick auf die Rasenfläche, auf der früher das
ehemalige jüdische Altersheim, das zum Deportationssammellager gemacht
worden war, stand. Genau gegenüber vom ehemaligen jüdischen Friedhof,
der Anfang der vierziger Jahre zerstört wurde und auf dem noch ein
Gedenkstein an den großen Philosophen und Aufklärer erinnert, hatte das
Café und Restaurant vor einigen Monaten seine Türen geöffnet.
Aber warum geht in dem Viertel,
das in den letzten Jahren medial als das „jüdische Viertel von
Berlin" mythologisiert wurde ein Restaurant Moses Mendelssohn pleite?
Mögen die Leute kein jüdisches Essen - oder was sie dafür halten - mehr?
Kommen ihnen der gefillte Fisch, die Knisches oder die Falafeln zu den
Ohren heraus?
Daran wird es nicht gelegen
haben, denn der Name der Lokalität spiegelte falsche Tatsachen vor. Wer
jüdische Küche erwartete sah sich getäuscht. Hier befand sich eine Art
„Jewish Disneyland": außen jüdisch und innen durchaus international mit
dem Schwerpunkt bretonische Küche. Selten habe ich so hervorragende
Galettes - eine Art Buchweizenpfannkuchen mit unterschiedlichen
Füllungen wie es sie nur in der Bretagne gibt, gegessen. Nur, das wußte
niemand und konnte niemand wissen, denn der Name der Örtlichkeit ließ
Jüdisches erwarten. Schade, daß es den Betreibern an Mut und
Originalität fehlte, sich für einen adäquaten Namen zu entscheiden. Eine
Straße weiter gibt es ein Restaurant, das elsässische Flammkuchen
anbietet. Jeder weiß es, und der Laden läuft.
Ein Gutes hat die ganze Sache,
macht sie doch deutlich, daß dem Bestreben, Jüdisches zu
funktionalisieren um davon finanziell, z.B. als Restaurantbetreiber zu
profitieren, Grenzen gesetzt sind. Das Publikum läßt sich offenbar nicht
grenzenlos verschaukeln. Fragt sich nur, wen die nächste Pleite trifft.
Auch das "Gebrüder Katz" ist ständig leer, trotz hervorragender und
preiswerter Küche. Dort bekommt man traumhafte Dampfnudeln mit
Vanillesoße wie sonst nur in Bayern. Und im Restaurant Maqom hat nur der
siebenarmige Leuchter, der etwas verloren und deplaziert auf dem Tresen
herumsteht, etwas mit Judentum zu tun.
Iris Noah
Jüdisches Leben in Berlin
haGalil onLine
24-03-2000
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