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"Judenmission"
Evangelische Merkwürdigkeiten

Ein Kommentar im Südwestrundfunk / v. Reinold Hermanns

Viele werden sich noch erinnern: Beim letztjährigen evangelischen Kirchentag in Stuttgart gab es Irritationen, Gesprächsabsagen, Streit und Eklat. Grund war das Auftreten evangelischer Gruppierungen, welche die sogenannte "Judenmission" befürworten und betreiben. Die Anwesenheit dieser Gruppen auf dem Kirchentag stieß insbesondere bei der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg auf Protest und auf eine Gegenreaktion, nämlich die Reduzierung des gemeinsamen christlich-jüdischen Programmangebots, etwa beim "Markt der Möglichkeiten".

Schon seit einigen Jahren machen die judenmissionarischen Organisationen der evangelischen Kirche unrühmlich von sich reden; insbesondere sind der Korntaler Missionsbund "Licht im Osten" und der Evangeliumsdienst für Israel aus Leinfelden-Echterdingen, der sich vor allem osteuropäischer, insbesondere russischsprachiger Juden annahm. Menschen also, die in der ehemaligen Sowjetunion ihren Glauben nicht öffentlich leben durften, die, in ihrer Identität verunsichert, in ein ihnen fremdes Land kamen - - welch eine Gelegenheit für eine Missionierung - gleich vor der Haustür!

Eine grundsätzliche Distanzierung vor solcher Art Seelenfängerei hat die württembergische Landssynode noch nicht über ihr protestantisches Herz gebracht; im Gegensatz etwa zur rheinischen Landessynode, die sich vor Jahren schon deutlich von der Judenbekehrung distanziert hat. Für Landesrabbiner Joel Berger ist diese evangelikale Judenmission die, Zitat, "Fortsetzung des Holocausts mit anderen Mitteln". Dies Wort mag übertrieben sein, aber es bezeichnet die historische und psychologische Dimension und die moralische, längst nicht mehr innerkirchliche Brisanz dieser Vorgänge.

Dialog über jüdische Fragen 
ohne Juden

Auch die Evangelische Fakultät der Universität Tübingen hat nun zu tun mit diesem Problem. Im Dezember veranstalteten evangelische Studierende einen Studientag. Thema: "Christlicher und jüdischer Glaube - zwei Wege zum Heil?" Die Referenten waren aber lediglich Vertreter eines, des christlichen Heilsweges: eine erstaunliche - oder nicht erstaunliche - Einseitigkeit.

Diese Einseitigkeit und auch gewisse Äußerungen auf dem Studientag - so war wohl zu hören, dass man im Juden den Feind zu lieben habe, oder dass jüdische Psalmen in einem christlichen Gesangbuch "getaufte Psalmen" seien, fanden Widerspruch und Proteste, auch in Briefen ans "Schwäbische Tagblatt". Um dem Vorwurf der Einseitigkeit zu begegnen, teilten nun wiederum ihre Sicht der Dinge die Studientag-Organisatoren in einem Brief an Landesrabbiner Joel Berger mit.

Und der wiederum teilte seine Antwort in einem offenen Brief über die Presse mit. Sehr verwundert sei er, so Berger, über das Verständnis des Studientags von "Dialog", sehr verwundert über die einseitige Liste der Referenten; nur christliche Theologen, Judenmissionare. Sehr vertraut sei ihm indes dieser Dialog über jüdische Fragen ohne Juden. Und: Versuche, den Juden das Judentum zu entreißen, werde er nicht hinnehmen.
So die Antwort des Landesrabbiners.

Und die Resonanz an der evangelischen Fakultät selbst? Wo der im Grunde unsägliche Begriff "Judenmission" schon semantisch ganz ohne Anführungszeichen, also Vorbehalte gebraucht wird?

Immerhin veröffentlichten drei Professoren einen mutigen Brief, in dem sie ihre theologisch und historisch begründete Ablehnung der "Judenbekehrung" zum Ausdruck brachten.
Man muss diesen Brief "mutig" nennen, denn mittlerweile schlägt dieser Brief in der Fakultät hohe Wogen der Aufregung, so hoch, dass keiner der drei seinen Inhalt, zumindest derzeit, öffentlich wiederholen will.
Auch dies ein bemerkenswertes Indiz für die "Dialogfähigkeit" der evangelischen Kirche als immerhin einer "Kirche des Wortes"...

Eine außerkirchliche Anregung:
Was nun?

Auf der kommenden Landessynode im April steht das Thema "Judenmission" an. Spätestens da sollte die Evangelische Kirche Württembergs Antworten finden auf folgende Fragen:

  • Ist die Judenmission theologisch zulässig oder nicht? Und: ist sie aus historischer und moralischer Perspektive gerechtfertigt - oder nicht?
  • Und wie will man es mit Gruppen halten, die hartnäckig am Ziel der Judenmission festhalten (auch wenn semantisch verharmlosend von "Zeugnisdienst" o.ä. die Rede ist...)?
  • Und wie will man es künftig mit dem christlich-jüdischen Dialog halten? Etwa auf dem nächsten Kirchentag?

Eine außerkirchliche Anregung von dieser Seite: Wie wäre es, man würde für die judenmissionarischen Eiferer, um sie - vielleicht spät, aber hoffentlich nicht zu spät- mit dem Denken der Aufklärung zu konfrontieren, ein Seminar veranstalten, um dort die Exegese eines Textes zu betreiben, der vor über 200 Jahren geschrieben wurde und in dessen Mittelpunkt ein Jude steht: Gotthold Ephraim Lessings "Nathan der Weise"?...

SWR 2, 17. Januar 2000

 

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