Bielefelder Studie zur gruppenbezogenen
Menschenfeindlichkeit:
Zunehmender Hass auf Schwule, Muslime, Juden, Obdachlose...
Israelkritik und Antisemitismus:
Unter deutschen Bedingungen
David Gall
Mehr als die Hälfte aller
Deutschen meint, das Verhalten Israels gegenüber den Palästinensern
sei grundsätzlich nicht von dem der Nazis im Dritten Reich gegenüber
den Juden zu unterscheiden. Fast 70% der Befragten sehen in Israels
Maßnahmen einen "Vernichtungskrieg" gegen die Palästinenser.
Solche und ähnlich abstruse Ansichten wurden am Institut für
interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität
Bielefeld ausgewertet. Die neuartige Studie ist Teil einer
mehrjährigen Beobachtung zu Antisemitismus und Rassismus unter
Leitung von Dr. Wilhelm Heitmeyer.
In Anbetracht der andauernden Diskussion in der deutschen
Öffentlichkeit über Grenzen zwischen Antisemitismus und legitimer
Kritik am Staate Israel, wurde erstmals die Wechselwirkung zwischen
Antisemitismus und dem Ansehen Israels untersucht. Die heute der
Öffentlichkeit vorgestellten Ergebnisse zeigen interessante, wenn
auch nicht überraschende oder gar neue Details zum Ausmaß der
Korrelation. Es ist ja nicht erst seit Beginn der Intifada so, dass
sich in die Kritik an Israel immer auch deutlich antisemitische
Untertöne mischen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an Vergleiche
des belagerten Beiruts 1981 mit der Situation im Warschauer Ghetto
1943.*
Hilflose Betroffenheit - wieder mal
Die offiziellen Vertreter, sei es der deutschen oder auch der
israelischen Seite, treffen diese Ergebnisse aber wie ein Blitz aus
heiterem Himmel. Sie dachten angeblich immer, "Deutschland sei das
mit Israel am engsten befreundete Land der EU". Dass eine solche
Klage mit der Aussage der Untersuchung, nicht nur mangels relevanter
Vergleichsdaten, nicht viel zu tun hat, fiel keinem auf.
Hauptsache man hat was gesagt.
Ähnliche Plattheiten gaben deshalb auch die Berliner Verwalter des
so genannten "Aufstands der Anständigen" von sich, wenn sie sich
nicht gleich gänzlich mit unverständlichem Gemurmel in die
Sicherheit akademischer Bedeutsamkeit und diskursiver Floskeln
entschwanden.
Der "Aufstand der Anständigen" scheint überhaupt inner-berlinerische
Angelegenheit einer lokalen In-Group zu sein. Die anwesenden
Vertreter unterschiedlicher per BAT-Stelle mit dem Thema betrauter
Soziologen und Sozialpädagogen achteten sorgfältig darauf, sich
untereinander etwas postpubertäre Nestwärme und der Öffentlichkeit
die Unverständlichkeit ihres Herrschaftswissens zu vermitteln.
Beliebtestes Codewort zum Einlass in die In-Group der anwesenden
"Anständigen" war der so genannte "Neue Antisemitismus", bedient
durch den "Faschismus islamistischer Migranten". Weshalb man aber
ausgerechnet in Deutschland auf diese arabische Frischzellenkur
angewiesen sein sollte, konnte niemand plausibel erklären.
Lieber erzählte man sich bei
Schinkenhäppchen und Milchkaffee von neuen "perspektivisch schon mal
angedachten Projektskizzen", bei denen man "sich hier und da
durchaus auch eventuell mal vorstellen könne, darüber nachzudenken,
ob man nicht vielleicht mit diesem oder jenem, der auch schon lange
arbeitslos sei, mal projektbezogen zusammen was machen könne".
Einig scheint man sich auch soweit, dass man "Juden aus dieser
Arbeit gerne herausgehalten sehen will". Zumindest in Bezug auf die
festen Stellen. Vorstellen kann man sich, vielleicht mal hier und
da, "Betroffene mit einzubeziehen", das sei aber doch oft emotional
recht schwierig, wie aus verschiedenen Broschüren der etablierteren
unter den Anständigen zu entnehmen ist.
Anbetracht der Ergebnisse der Studie war das aktionistische Getue
der Versammelten entweder dumm oder verlogen oder beides.
Interessant könnte es im kommenden
Jahr werden. Während nämlich die Bürokratie rund um die Verwaltung
deutschen Anstands immer weiter wächst, und einige wenige immer
größere Büroetagen anmieten müssen, ersticken aktive und effektive
Initiativen, die schon lange vor der Ausrufung des Aufstands genau
wussten, was warum wie getan werden muss, und dies sogar schon
taten, bevor Kostenpläne erstellt und genehmigt waren, am
Hochglanzmüll der schaumschlägernden Konkurrenz. Sollten diese
Initiativen irgendwann einmal keine Möglichkeit zur Fortsetzung
ihrer eigentlichen Arbeit sehen, wird dies Kapazitäten freisetzen,
die die Ursachen für das Scheitern des - im Prinzip wichtigen und
richtigen "Aufstands der Anständigen" sehr schnell aufklären werden.
Die Frage wie es manche Initiativen schaffen, mit einer gegebenen
Geldmenge so wenig zu produzieren, während andere mit der Hälfte
zwanzigmal so viel auf die Beine stellen, wäre überhaupt ein extrem
lohnendes Studienfeld.
Dass die Arbeit gegen Antisemitismus noch immer so wichtig und
dringend ist wie in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, ist
klar. Dafür sprechen auch die Ergebnisse der neuen Studie. Die
notwendigen Schritte weiterhin in Berliner In-Zirkeln und in der
Abgeschiedenheit akademischer Institutionen nach PR-Prinzipien zu
verhandeln, wäre nicht nur dumm und ungerecht, sondern vor allen
Dingen gefährlich.
Einige Ergebnisse im Einzelnen
Inzwischen rechtfertigt die Mehrheit
der Deutschen eine ablehnende Haltung Juden gegenüber mit der
Politik der israelischen Regierung. 56% denken, dass sich Juden, die
in Deutschland leben, Israel mehr verbunden fühlen als Deutschland.
32% der Personen, die an der Umfrage teilgenommen hatten, sagten,
dass die Juden ihrer Meinung nach, wegen der Politik Israels nicht
mehr beliebt sind.
86% sagten, es sei ungerecht, dass
Israel palästinensischen Boden enteigne. 82% gaben zu, dass sie Zorn
empfinden, wenn sie daran denken, wie Israel mit den Palästinensern
umgeht. 52% der Befragten sind der Meinung, Israel tue den
Palästinensern das an, was die Nazis den Juden angetan haben. 44%
sagten, dass es ihnen aufgrund der Politik Israels verständlich sei,
warum Juden gehasst werden.
68% der Befragten gaben an, dass sie sich darüber ärgern, dass man
die Deutschen auch heute noch wegen der Verbrechen an den Juden
beschuldigt und 62% sagten, dass sie von den Verbrechen der
Deutschen an den Juden nichts mehr hören wollen.
Die Verfasser der Studie kommen zum
Schluss, dass antisemitische Einstellungen, ob gegen Juden oder den
Staat der Juden, im Zentrum der deutschen Gesellschaft angekommen
sind. Bei diesen Einstellungen gibt es keinen Unterschied zwischen
Jung und Alt oder Ost und West.
Kritik an Israel deklarierten die Verfasser der Studie nach vier
Kriterien als antisemitisch:
- Aberkennen des Existenzrechts Israels oder des Rechts auf
Selbstverteidigung - Vergleich der Politik Israels gegenüber den
Palästinensern mit der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten
- Doppelmoral gegenüber Israel im Vergleich mit anderen Ländern -
Vorurteile über Juden, über den Staat Israel und das
Verantwortlichmachen der Juden für die Politik der israelischen
Regierung.
Bundesinnenminister Otto Schily
warnte erst am Dienstag bei einer Veranstaltung zum 25jährigen
Bestehen der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg vor vor
einer Verharmlosung des Antisemitismus in Deutschland und meinte:
"Wir dürfen nicht nachlassen, den virulenten Antisemitismus zu
bekämpfen".
Aha! "Nicht nachlassen" ist gut, und
"wir" ist noch viel besser.
Forum [Problematik
Israelkritik]
...*) übrigens: Was heute, im
Dezember 2004, im Pisa-Notstandsgebiet Berlin als epochal-neuartige
Studie gehandelt wird, wurde schon im Mai 2002, wenn auch in ganz
anderer Absicht, in der ägyptischen Presse kommentiert. Die
ägyptische Analyse erkennt,
dass die Deutschen zwar offiziell "laut über die Naziverbrechen
reden und sie verurteilen", im privaten aber über die 'israelischen
Nazi-Verbrechen' "flüstern und - wenn sie ihrem Gesprächspartner
vertrauen - über ihren tiefen Hass".
Während die politisch Engagierten Deutschlands noch dabei sind die
Problemlage zu sichten, aber auch schon mal spannende Entwürfe
skizzieren, in denen schon auch Platz sein kann für ein klar
projektbezogenes Andenken, ob nicht eventuell mal angesprochen
werden sollte, ob Juden als solche thematisch mit einbezogen werden
könnten, wenn man sehe, dass es sich abzeichnen dürfte, dass man mal
was tun möchte, redet "al-Ahali"
Tachles und rät zu "verstärkten Bemühungen von arabischer Seite,
diese Stimmung in der deutschen Bevölkerung auszunutzen".
Studie aus Bielefeld belegt:
Wachsender Rassismus und Antisemitismus in Deutschland
Das Bielefelder Institut für interdisziplinäre
Konflikt und Gewalt-forschung legte Anfang Dezember eine
bezeichnende Studie vor. Im Kern sagt die Studie: Im Vergleich zu
2002 ist die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland stark gestiegen...
Praxis trifft Theorie:
Eine Tagung der
Amadeu Antonio Stiftung suchte nach "Perspektiven der Projektarbeit
gegen Antisemitismus"
Den schönsten Spruch gab Doris Akrap von der Kreuzberger
Initiative gegen Antisemitismus zum Besten...
Studie:
"Frauen sind
rassistischer"
Sozialforscher haben ermittelt, dass
Fremdenfeindlichkeit in Deutschland seit 2002 stark gestiegen ist.
Auffallend ist ein starker Mann-Frau-Unterschied...
Unter den Teppich kehren:
Ist
Antisemitismus überhaupt ein Problem?
Antisemitismus ist zwar ein Problem der gesamten
Gesellschaft, wahrgenommen wird er aber noch immer am ehesten von
Juden...
hagalil.com
02-12-2004
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