Frau Ministerin Renate Schmidt
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Telefax: 01 88 8/555 - 41 03 und renate.schmidt@bmfsfj.bund.de

cc: Abraham Lehrer, Präsident der ZWSt der Juden in Deutschland
Stefan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland


Betreff: Das Projekt "OR", dessen alleiniges Ziel mit "Ausbau und Erhalt des unter haGalil online entstandenen Bildungs- und Kommunikationsangebots zu Judentum und jüdischem Leben" definiert wurde.
Streichung von 58% des Restbudgets


München, 22.August 2005

Sehr geehrte Frau Ministerin Schmidt,

ich wende mich bezüglich der Förderung des Projektes "OR" an Sie, das in Ihrem Hause im Rahmen des Programms entimon verwaltet wird. Leider ist es Herrn Staatssekretär Ruhenstroth-Bauer in den letzten 8 Monaten nicht gelungen, einen zukunftsweisenden Lösungsansatz zur nachhaltigen Absicherung des im Rahmen des Projekts "OR" Erreichten zu entwickeln. Ziel des Projekts "OR" waren Erhalt und Ausbau des unter haGalil online entstandenen riesigen Bildungs- und Kommunikationsangebot zum Judentum als Gegengewicht zur antisemitischen Hetze.

Wie schon im Dezember 2004, liegt auch heute keine nachvollziehbare Begründung der damals völlig unvorhersehbaren Ablehnung unseres frist- und ordnungsgemäßen, mit dem zuständigen Referatsleiter wie auch dem alten Träger abgestimmten, Antrags auf Trägerwechsel vor.

Wir sehen daher, nach Ablauf von 8 Monaten - von einer insgesamt 9-monatigen Restlaufzeit - in einem erneuten Treffen zur Klärung der Situation mit Herrn Staatssekretär Ruhenstroth-Bauer nur dann einen Sinn, wenn auch Sie, sehr verehrte Frau Ministerin, an einem solchen Termin teilnehmen könnten.

Ich habe dies Herrn Ruhenstroth-Bauer bereits Ende Juli mitgeteilt. Er versicherte eine baldige Terminabsprache mit Ihnen und den weiteren Gesprächsteilnehmern zu treffen und uns mitzuteilen. Dies ist bis heute nicht geschehen.

Sehr geehrte Frau Ministerin, seit Dezember 2004 befinden wir uns in einer existenziell bedrohlichen Situation, nicht zuletzt, da wir immer wieder an Zusagen aus Ihrem Hause, Ihrer Partei oder Ihrer Bunderregierung vertraut haben.

Wie Sie auch aus folgendem Statement (kampagne.spd.de/servlet/PB/menu/1054437) für Ihre Partei schließen können, lag uns nie daran, das Ansehen dieser Bundesregierung zu schmälern. Im Gegenteil, unsere Arbeit wurde stets als Hinweis auf die Ernsthaftigkeit des Engagements dieser Bundesregierung und der diesbezüglich relevanten Projekte angeführt und öffentlich, auch auf internationaler Ebene, so wahrgenommen.

Sie werden aber verstehen, dass wir nicht auf die Beantwortung der für uns so entscheidenden Frage verzichten können, weshalb eine Trägerschaft für das Projekt "OR" durch haGalil e.V. so vehement abgelehnt wird.

Bedeutet diese Ablehnung, dass die Unterstützung eines allseits als richtig, wichtig und effektiv angesehenen unabhängigen jüdischen Projekts für Sie nur unter nicht-jüdischer Trägerschaft vertreten werden kann, wie u.U. aus Verlautbarungen des BMFSFJ im Jahre 2003 zu schließen wäre? Bleibt als einzige Alternative hierzu die zur Verantwortungziehung des Zentralrats der Juden in Deutschland, wie in einem Radiointerview formuliert? Wobei dann - nach Übernahme der Trägerschaft durch Zentralrat und ZWSt - für genau dasselbe Projekt unter jüdischer Trägerschaft nur noch ein Drittel der unter nicht-jüdischer Trägerschaft zugesagten Fördersumme zur Verfügung steht.

Ignatz Bubis, der vorherige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat einmal gesagt, dass man von einer "Normalität" im Verhältnis von Juden und Nichtjuden in Deutschland erst dann wird sprechen können, wenn unabhängige jüdische Projekte genauso blühen können und genauso unterstützt werden, wie nicht-jüdische, und zwar ohne die Vermittlung durch den Zentralrat. Von dieser "Normalität" sind wir offensichtlich noch sehr weit entfernt.

In der Hoffnung auf ein persönliches Gespräch mit Ihnen verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen

David Gall

haGalil
089-20345922
david@hagalil.com