Ein Foto aus General Stroops Report
zeigt eine Straße im brennenden Ghetto mit einem in Rauch und Flammen
gehüllten Eckhaus. Ich erkannte an der Hauswand das Straßenschild mit der
Aufschrift ''Ulica Gesia". Vor dem Krieg war die Ulica Gesia ein
Welt-Zentrum der Textilindustrie. Auf meinem Gemälde ist die Ruine des
Hauses mit dem Straßenschild der Ulica Gesia zu sehen.
Zum Stadtbild
Warschaus gehörten Balkone. Fast alle Wohnungen, auch die unsere, hatten
Balkone, wo man sich ausruhen und die Nachbarn sehen konnte. Zwei Meter
von unserem Balkon entfernt stand ein blauer, schlanker Mast, der mit
seinen beiden eisernen Armen die Hochspannungsleitung trug, welche die
elektrische Straßenbahn mit Strom versorgte.
Auf meinem Gemälde ist der
blaue Mast geknickt. Er lehnt an einem Balkon, der gleich herabstürzen
wird. Ich zeige beides - den Balkon und den Leitungsmast, mit denen die
Erinnerung an meine Kindheit und Jugend verknüpft ist - im letzten
Stadium ihrer Existenz, als weinten sie beide gemeinsam über das
Schicksal der Menschen, denen sie still und treu so viele Jahre lang
gedient hatten. |
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Die eintausendjährige Kultur jüdischen Wirkens war
vernichtet und der Versuch unternommen worden, alle Spuren ihrer Existenz zu
beseitigen. Ich habe die Vernichtung durch die brennenden Schriftrollen,
Bücher und Papiere symbolisiert. Die Musikliebe der Juden ist durch die
zerbrochene Geige dargestellt. Daneben sieht man die Ruine der Warschauer
Synagoge.
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Von der gesprengten Großen
Synagoge, die auch Tlomackie-Synagoge genannt wurde, weil sie in der
Ulica Tlomackie (gesprochen ''tlomatzkije") stand, gibt es eine
Aufnahme. Auf meinem Gemälde zeige ich das eingestürzte Gebäude mit der
zertrümmerten Bundeslade, ein zersplittertes buntes Glasfenster der
Synagoge und Skelette vordem schöner Menoras (Leuchter). |
Die Große Synagoge und das daneben stehende Gebäude der
weltbekannten Jüdischen Bibliothek hatten die schweren Bombenangriffe
auf Warschau zu Anfang des Krieges 1939 unbeschädigt überstanden. Die
Synagoge wurde beim Bau der Ghettomauer nicht ins Ghetto einbezogen, die
Deutschen ließen sie außerhalb stehen und entweihten sie - indem sie
dort die Möbel einlagerten, die den Juden des Ghettos genommen worden
waren. Nach der Zerstörung des Warschauer Ghettos stand die Synagoge
noch immer unbeschädigt da.
Zum Zeichnen des endgültigen
Sieges der übermächtigen deutschen Wehrmacht über die wehrlosen Reste der
jüdischen Zivilisten im Ghetto wurden die Große Synagoge und die Bibliothek
gesprengt. Durch diesen barbarischen Zerstörungsakt wollten die Deutschen
auch ihren Sieg über das jüdische Geisteserbe bekunden.
Die Ruine der Großen Synagoge auf
meinem Gemälde soll auch an ihre ehemalige Pracht gemahnen und die
Erinnerungen an das wachhalten, was geschieht, wenn Haß und Vorurteil die
Welt beherrschen. Das schöne Bethaus in der Warschauer Ulica Tlomackie
verschwand ebenso wie die Gläubigen - als Opfer des Holocausts.
Den Deutschen konnte nie
gelingen, das zu zerstören, was die Synagoge symbolisierte - den
jüdischen Glauben und den jüdischen Geist. Diesen unzerstörbaren Glauben
versinnbildlicht die in einen Gebetsmantel (Tallith) gehüllte Gestalt,
die eine Thora (die heilige Gesetzes-Rolle) an sich drückt, die ersten
fünf Bücher der hebräischen Bibel. |
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Die
Thora in den Händen der Gestalt symbolisiert den endgültigen Triumph
menschlicher Werte und des menschlichen Geistes über das Unheil von
Rassismus, Vorurteil und Haß. Die Thora, die Bibel, enthält die älteste
göttliche Botschaft an die Menschheit. |
Diese Gestalt erhebt sich, wie der
legendäre Vogel Phönix, aus der Asche und den Flammen brennender Bücher und
Schriftrollen.
Fotografien der zerstörten Großen
Synagoge von Warschau zeigen Gerippe von Menoras. Auf meinem Gemälde sieht
man die Menoras an verschiedenen Stellen abgebildet. Die wenigen
überlebenden Juden, die die ohrenbetäubende Detonation der gesprengten
Synagoge miterlebt haben, wunderten sich sehr, als sie fest stellten, daß
die skelettierten Menoras unversehrt und aufrecht stehen geblieben waren.
Sie faßten das als ein prophetisches Zeichen dafür auf, daß Licht über die
Finsternis der Barbarei Siegen würde. Jüdischer Überlieferung zufolge
symbolisiert eine Menora Geisteslicht. Auf meinem Gemälde stehen die Menoras
auf den Ruinen des Ghettos wie zwei Lichter tragende Wächter.
Man sieht, wie die Mauern des
Ghettos dessen Ruinen umschließen. Die letzten Bewohner hinterließen,
bevor sie von SS-Männern zur letzten Reise weggeschleppt wurden, an der
Mauer eine letzte verzweifelte Bitte, auf Jiddisch geschrieben: GEDENK.
Jiddisch war die Sprache der
Juden Osteuropas. Die Aufforderung, zu gedenken, ist an alle Menschen
und Völker gerichtet.
Wenden wir uns nun dem zu, was auf der anderen
Seite der Mauer geschieht, auf der sogenannten arischen Seite. (Der
nationalsozialistischen Rassentheorie zufolge ist ein Arier ein
Nicht-Jude ''indogermanischer" Abstammung und daher rassisch ''rein".)
Dort sieht man Bäume, saubere, bunte Häuser mit Blumen auf den Balkonen.
Straßenlaternen stehen bereit, Licht zu spenden, und symbolisieren so,
daß das Leben gleichmäßig weitergeht. Die siegreiche Hakenkreuzfahne der
Nazis flattert stolz über den Dächern.
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Sieht man sich die linke untere Ecke des
nächsten Bildes an, so erkennt man eine andere Hakenkreuzfahne, die
jedoch von einem Widerstandskämpfer des Ghettos symbolisch mit Füßen
getreten wird. Der junge jüdische Held, der dem deutschen Feind trotzt,
schwenkt eine Fahne Zions. Heroische junge Widerstandskämpfer tauchen
aus dem Untergrund auf und zeigen durch ihre Gegenwart an, daß der Kampf
ums Überleben des Judentums weitergehen wird. |
Die Aufnahme
von den beiden jungen Widerstandskämpferinnen stammt aus General Stroops
Report. Ich bezeuge meine Hochachtung nicht nur ihnen, sondern auch
allen, die beim Ghetto-Aufstand ums Leben kamen.
Auf der Fahne mit dem
Davidstern, die der junge Mann schwenkt, steht mit Blut auf hebräisch
geschrieben: ''Am Israel chaj",
und das bedeutet: ''Das jüdische Volk lebt". Der Held schwenkt die
Fahne voll Zuversicht und Stolz. |
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