Sehr geehrte Frau Ministerin Schmidt,

leider ist es Herrn Staatssekretär Ruhenstroth-Bauer in den letzten 8 Monaten nicht gelungen, einen zukunftsweisenden Lösungsansatz zur nachhaltigen Absicherung des im Rahmen des Projekts "OR" Erreichten zu entwickeln. Ziel des Projekts "OR" waren Erhalt und Ausbau des unter haGalil online entstandenen riesigen Bildungs- und Kommunikationsangebot zum Judentum als Gegengewicht zur antisemitischen Hetze.

Trotzdem liegt, wie schon im Dezember 2004, auch heute keine nachvollziehbare Begründung der damals völlig unvorhersehbaren Ablehnung unseres frist- und ordnungsgemäßen, mit dem zuständigen Referatsleiter wie auch dem alten Träger abgestimmten, Antrags auf Trägerwechsel vor.
Deshalb sehen wir, nach Ablauf von 8 Monaten - von einer insgesamt 9-monatigen Restlaufzeit - in einem erneuten Treffen mit Herrn Staatssekretär Ruhenstroth-Bauer nur dann einen Sinn, wenn auch Sie, sehr verehrte Frau Ministerin, an einem solchen Termin teilnehmen könnten.

Ich habe dies Herrn Ruhenstroth-Bauer bereits Ende Juli mitgeteilt. Er versicherte eine baldige Terminabsprache mit Ihnen und den weiteren Gesprächsteilnehmern zu treffen und uns mitzuteilen. Dies ist bis heute nicht geschehen.

Sehr geehrte Frau Ministerin, seit Dezember 2004 befinden wir uns in einer existenziell bedrohlichen Situation, nicht zuletzt, da wir immer wieder an Zusagen aus Ihrem Hause, Ihrer Partei oder Ihrer Bunderregierung vertraut haben.

Wie Sie auch aus folgendem Statement (kampagne.spd.de/servlet/PB/menu/1054437) für Ihre Partei schließen können, lag uns nie daran das Ansehen dieser Bundesregierung zu schmälern. Im Gegenteil, unsere Arbeit wurde stets als Hinweis auf die Ernsthaftigkeit des Engagements dieser Bundesregierung und der diesbezüglich relevanten Projekte angeführt und öffentlich, auch auf internationaler Ebene, so wahrgenommen.

Sie werden aber verstehen, dass wir nicht auf die Beantwortung der für uns so entscheidenden Frage verzichten können, weshalb eine Trägerschaft für das Projekt "OR" durch haGalil e.V. so vehement abgelehnt wird.

Bedeutet diese Ablehnung, dass die Unterstützung eines allseits als richtig, wichtig und effektiv angesehenen unabhängigen jüdischen Projekts für Sie nur unter nicht-jüdischer Trägerschaft vertreten werden kann, wie u.U. aus Verlautbarungen des BMFSFJ im Jahre 2003 zu schließen wäre? Bleibt als einzige Alternative hierzu die zur Verantwortungziehung des Zentralrats der Juden in Deutschland, wie in einem Radiointerview formuliert? Wobei dann - nach Übernahme der Trägerschaft durch Zentralrat und ZWSt - für genau dasselbe Projekt unter jüdischer Trägerschaft nur noch ein Drittel der unter nicht-jüdischer Trägerschaft zugesagten Fördersumme zur Verfügung steht.

Ignatz Bubis, der vorherige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland hat einmal gesagt, dass man von einer "Normalität" im Verhältnis von Juden und Nichtjuden in Deutschland erst dann wird sprechen können, wenn unabhängige jüdische Projekte genauso blühen können und genauso unterstützt werden, wie nicht-jüdische, und zwar ohne die Vermittlung durch den ZJD. Von dieser "Normalität" sind wir offensichtlich noch sehr weit entfernt.

In der Hoffnung auf ein persönliches Gespräch mit Ihnen verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

David Gall

Sebastian Edathy: "Ich selbst bin in den 70er-Jahren in Niedersachsen aufgewachsen. An meiner Schule, am Gymnasium, gab es keinen jüdischen Schüler und keine jüdische Schülerin. Übrigens: Ich glaube, dass ein Grund für den Antisemitismus auch darin besteht, dass oftmals kein Wissen umeinander da ist. Ich war auch überrascht zu hören - Herr Kollege Beck hat es angesprochen -, dass heute einer der höchsten jüdischen Feiertage ist. Ich weiß nicht, wem in diesem Hause das bewusst war.

Der Vertrag, den wir schließen, der den Zentralrat stärker dazu in die Lage versetzen soll, die Pflege des deutsch-jüdischen Kulturerbes - des gemeinsamen Kulturerbes - zu betreiben, der den Zentralrat unterstützen soll bei dem Aufbau der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, der ihn unterstützen soll insbesondere bei den integrationspolitischen, bei den sozialen Leistungen, die er erbringt, sollte vielleicht auch eine Grundlage und ein Ausgangspunkt dafür sein, dass wir uns miteinander vornehmen, wechselseitig mehr übereinander erfahren zu wollen, mehr übereinander wissen zu wollen; denn Zusammenleben ohne Verständigung kann nicht funktionieren.