Bilder für´s deutsche Fotoalbum - 1942:
"Als Goldsucher in Lidice"

Im Landkreis Lüchow-Dannenberg erstellten zwei Projekte eine Ausstellung über den Reichsarbeitsdienst und dessen Beteiligung bei der Vernichtung des Dorfes Lidice...

Gudrun Schroeter - tacheles-reden


Die Ausstellung „Als Goldsucher in Lidice“ ist eine Zusammenarbeit des Kulturvereins „Schwarzer Hahn“ und des Jugendheims „Putenhof“, zweier Projekte, die seit vielen Jahren in der Bildungsarbeit aktiv sind: Der 1995 gegründete Kulturverein betreibt ein kleines Tagungshaus in Lensian und veranstaltet neben Musik-, Theater- und Kabarettveranstaltungen regelmäßig Informations- und Diskussionsveranstaltungen zu diversen politischen Themen, mit den Schwerpunkten Antifaschismus, Esoterik, Sekten und – als Wichtigstes – Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte. Im Kinder- und Jugendheim „Putenhof“ leben Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 12 bis 20 Jahren. Zum pädagogischen Konzept der Einrichtung gehört seit über 14 Jahren die regelmäßige, meist mehrwöchige Durchführung von Workcamps in Theresienstadt/Terezin. Die Jugendlichen arbeiten mit bei der Instandhaltung des ehemaligen Ghettos und Gestapogefängnisses als Gedenkstätte und im Rahmen dieser Arbeit, durch die Spurensuche auf dem Gelände und die Begegnung mit ZeitzeugInnen erfolgt eine intensive Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte und auch aktuellen Themen wie Rassismus und Antisemitismus.

Die Ausstellung „Als Goldsucher in Lidice“ dokumentiert mit Fotos, audiovisuellen Beiträgen und Texten den Racheakt der Deutschen für das Attentat auf Heydrich durch tschechische Widerstandskämpfer, ein Racheakt, der für über 500 Menschen Tod oder Verschleppung bedeutete. Und sie zeigt weiterhin den Einsatz von ganz normalen Männern, Mitgliedern des Reichsarbeitsdienstes.

Die Vernichtung von Lidice …

Am 27. Mai 1942 wurde Reinhard Heydrich, amtierender Reichsprotektor des Protektorats Böhmen und Chef des Reichssicherheitshauptamtes, SS-Obergruppenführer, bei einem Anschlag in Prag tödlich verletzt. Als Ausführende des Attentats wurden auf einen wagen Verdacht hin Bewohner des etwa 20 Kilometer nordwestlich von Prag gelegenen Dorfes Lidice bezichtigt. Am Tag der Beisetzung Heydrichs beschlossenen nationalsozialistische Funktionäre auf Anweisung von Adolf Hitler die männlichen Einwohner von Lidice zu ermorden, die Frauen in Konzentrationslager zu schaffen und die Kinder, sofern nicht zur „Eindeutschung geeignet“, einer „anderen Erziehung zuzuführen“. Am 10. Juni wurden die Befehle von Angehörigen der Gestapo, des Sicherheitsdienstes und der Schutzpolizei ausgeführt, die Männer wurden getötet, die Frauen in das KZ Ravensbrück verschleppt und die Kinder, soweit nicht in deutschen Familien zwangsuntergebracht, wurden im Vernichtungslager Kulmhof/Chelmno vergast. Nach Recherchen des Simon-Wiesenthal Centers überlebten von den 98 Kindern aus Lidice nicht mehr als 16.

Das Dorf Lidice wurde dem Erdboden gleichgemacht, die Häuser geplündert und gesprengt, die Gräber und Särge aufgebrochen auf der Suche nach Gold und Schmuck. Die darauf folgende Rodung und Planierung des Geländes führte der Reichsarbeitsdienst (RAD) aus. Der RAD, 1933 unter Reichsarbeitsführer Konstantin Hierl gegründet, war die wichtigste Erziehungsformation der Nationalsozialisten, die für einen längeren Zeitraum die totale Erfassung der Jugend für sich beanspruchen konnte. Ab Juni 1935 war die Arbeitsdienstverpflichtung für alle 18- bis 25jährigen männlichen Jugendlichen obligatorisch, für Frauen ab April 1936. Von der Gründung bis zum Kriegsende durchliefen etwa drei Millionen Männer den RAD. Die Anzahl der Frauen, die nur bedingt eingezogen wurden, belief sich bis 1937 auf 10.000 jährlich, danach stieg sie auf jährlich etwa 25.000 Frauen, die während des Krieges vor allem in Rüstungsbetrieben eingesetzt wurden. Die praktische Arbeitszeit betrug täglich vier bis fünf Stunden, die Männer wurden eingesetzt in Ernteeinsätzen – vor allem nach dem Überfall auf Polen, zur Kultivierung neuen Ackerlands oder bei der Errichtung des `Westwalls´, des Bunkersystems entlang der Westgrenze des Reichs. Die restliche Zeit galt der Indoktrinierung nationalsozialistischen Gedankenguts: Rassekunde, Erbgesundheitslehre, Geschichtsunterricht oder auch Mannschaftskampfspiele und Ordnungsübungen wie Exerzieren mit und ohne Spaten – Disziplinierung unter dem Leitbild des Führerprinzips.

Ende 1941 gingen nur noch ein kleiner Teil der RAD-Abteilungen zivilen Aufgaben nach, 1942 war knapp die Hälfte im Ostfeldzug eingesetzt, wie zur Vernichtung der Spuren des Dorfes Lidice, die zwei Jahre dauerte.

Zur Entstehung der Ausstellung

Im thüringischen Stadtilm wurden Ende der 90er Jahre versteckt unter den Dielenbrettern eines Speichers circa 200 Schwarzweißfotos aus dem Jahr 1942 entdeckt. Die Journalistin Ursula Junk recherchierte die Geschichte dieser Fotos und fand heraus, dass sie von dem inzwischen verstorbenen Gerhard Rompel während seines RAD-Einsatzes in Lidice aufgenommen worden waren: ganz normale Erinnerungsfotos an den Arbeitseinsatz, gedacht für die Lieben zuhause. Die Fotos befinden sich mittlerweile im Archiv der Gedenkstätte Buchenwald und einige wurden für diese Ausstellung in Reproduktion zur Verfügung gestellt. Auch das von Ursula Junk für den WDR erstellte Feature über die Vernichtung von Lidice, in dem sie weitere Tagebuchaufzeichungen der Zeit verwendete, gab sie für die Ausstellung frei.

Die Ausstellung zeigt die systematische Vernichtung und Auslöschung des Dorfes Lidice, sie zeigt auch die Alltäglichkeit und Normalität der ‚Arbeitsmänner’ im Umgang mit den Gräueln des Nazi-Faschismus.

„Als Goldsucher in Lidice“ ist vom 20. Mai bis 31. Mai im Rahmen der „Kulturellen Landpartie 2004“ auf dem Gelände Kinder- und Jugendheims „Putenhof“ zu sehen: Belitz 9, 29482 Küsten (Wendland).

Danach ist es möglich, die Ausstellung auszuleihen.
 
Informationen zur Ausstellung und Entleihe über den
Kulturverein Schwarzer Hahn e.V.
Am Rundling 1
29462 Lensian
e-mail:
Post@Schwarzer-Hahn.de
 


 

gs / tacheles-reden.de / 2004-05-24