Souvenirs erinnern die Shoah:
Von der Ansichtskarte zum Original-Gleisnagel aus Treblinka

Das Mahnmal und das Relikt, das Souvenir und das Überbleibsel – was sagen sie aus und was verdecken sie? Das 4. Ravensbrücker Colloquium beschäftigte sich am ersten Märzwochenende 2004 mit Konzeptionen und Gegenständen der Alltags- und Andenkenkultur und diskutierte ihre Funktion im Gedenken an die nationalsozialistischen Verbrechen. ...

Tanja Kinzel - tacheles reden

Die Literaturwissenschaftlerin und Shoah Überlebende Ruth Klüger hat in ihrem Buch „Weiter leben. Eine Jugend“ festgehalten: „Es liegt dieser Museumskultur ein tiefer Aberglaube zugrunde, nämlich dass die Gespenster gerade dort zu fassen seien, wo sie als Lebende aufhörten zu sein. (…) Ich meine, verleiten diese Überbleibsel alter Schrecken nicht zur Sentimentalität, das heißt führen sie nicht weg vom Gegenstand, auf den sie die Aufmerksamkeit nur scheinbar gelenkt haben, und hin zur Selbstbespiegelung der Gefühle?“

In ihrer Reflexion über die Funktion und die Aussage von Gedenkorten vergleicht Ruth Klüger das verlassene KZ Flossenbürg, in das eine gleichaltrige deutsche Freundin nach dem Krieg mit ihrer Schulklasse eine Wanderung unternahm und die Gedenkstätte Dachau, die sie selbst viele Jahre später aufsuchte. Über den Ort, den ihre Freundin besuchte und von dem diese sagte, dort „hätte sie etwas angeweht von der Shoah, und das sei keine Museumsatmosphäre gewesen“ schreibt sie: „Das KZ war verlassen, aber die Spuren der Häftlinge waren noch da, verrostete Gegenstände, Kleiderfetzen, die Baracken. Der Ort war nach der Befreiung hastig verlassen und nachher nicht wieder aufgesucht worden. (…) Ich stelle mir diese Kinder vor, wie sie mit weit offenem Mund und kleinem verlegenen Kichern einen Blechlöffel aufheben, das Bettstroh betasten…“.

Was Ruth Klüger hier beschreibt, sind, folgt man der von der Kulturwissenschaftlerin Christiane Holm auf dem Ravensbrücker Colloquium getroffenen Unterscheidung verschiedener Formen des Andenkens, das Relikt – verlassener Ort - und das Überbleibsel - der Blechlöffel. Beide stellt Christiane Holm dem Mahnmahl und dem Souvenir gegenüber.

Über das Mahnmahl, Dachau, schreibt Ruth Klüger: „Da war alles sauber und ordentlich, und man brauchte schon mehr Phantasie, als die meisten Menschen haben, um sich vorzustellen, was dort vor vierzig Jahren gespielt wurde. Steine, Holz, Baracken, Appellplatz. (…) Und heimlich denkt wohl mancher Besucher, er hätte es schon schlimmer gehabt, als die Häftlinge da in dem ordentlichen deutschen Lager. Das mindeste, was dazugehörte, wäre die Ausdünstung menschlicher Körper, der Geruch und die Ausstrahlung von Angst, die geballte Aggressivität, das reduzierte Leben. …“

Christiane Holm, die das Andenken gegen die vorschnelle Abhandlung als „KZ-Kitsch“ (Ruth Klüger) oder als Ausdruck „der zunehmenden Selbstentfremdung der Menschen“ (Walter Benjamin) verteidigen wollte, ging weit zurück in das 19. Jahrhundert, als das Andenken diskursfähig wurde. Sie nahm Anleihe bei Goethes Locke, um zu beweisen, dass das Andenken keine naiv anachronistische, sondern eine moderne poetische Erinnerungskultur sei. Aber obwohl es ihr um die Komplexität des Andenkens ging, differenzierte sie weder bei Ruth Klüger noch bei Walter Benjamin - bei Ruth Klüger, deren Fokus Fragen nach der Vermittelbarkeit des Grauens in der Zeit nach der Shoah und nach ihrem eigenen Umgang damit sind und bei Walter Benjamin, der in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts die massenkulturelle Produktion des Andenkens zum Souvenir untersuchte und dem es um die Analyse der Produktion von Bedürfnisstrukturen und Besetzungsvorgängen ging.     
 
Christiane Holm war sich allerdings selbst nicht sicher, inwieweit ihre Ausführungen im Kontext der Holocaust Rezeption Bestand haben. Sie unterschied zwischen dem Überbleibsel, „dem Gefundenen“, dessen Bedeutung für Außenstehende nicht unmittelbar nachvollziehbar ist und dessen Provenienz, gerade bei Überresten aus KZs, abschließend zu klären oft nicht möglich ist, und dem Souvenir, das intentional hergestellt wurde. Gemeinsam sei dem Überbleibsel und dem Souvenir, so betonte sie, dass ihre Besetzung in der individuellen Erinnerungspraktik immer offen bleibe. So könne das Gedenkstätten-Souvenir ebenso einen besonders schönen Ausflug, einen glücklichen Tag, dessen Bestandteil der Gedenkstättenbesuch war, wie auch den Gedenkstättenbesuch selbst erinnern. In ihrer Oberflächenbetrachtung beschäftigte sich Christiane Holm mehr mit dem Andenken vor dem Hintergrund der Frage nach der Lesbarkeit der Gegenstände, als mit der besonderen Spezifik im Kontext der Shoah. Es ging ihr weder um die Frage, ob etwa eine Form von Trauerarbeit stattfindet oder ob auch das erinnert oder dessen gedacht wird, was an den jeweiligen Orten vormals geschah. Und damit ignorierte sie all das, was es bisher an Reflexionen zum Andenken im Kontext der Shoah gab, die die Komplexität des zivilisatorischen Bruchs mitdachten.

So setzt sich zum Beispiel der Schriftsteller und Chemiker Primo Levi, der als Jude und Widerstandskämpfer 1944 nach Auschwitz kam, in seinem Buch „Ist das ein Mensch?“ mit der Frage nach der Funktion des Andenkens an die Shoah auseinander: „Was bisher berichtet wurde und was noch zu berichten sein wird, ist das zwielichtige Leben im Lager. Unter so harten Bedingungen, gepresst in die Tiefe, lebten viele Menschen unserer Tage, doch jeder nur für eine verhältnismäßig kurze Zeit. Darum könnte man sich vielleicht die Frage stellen, ob es denn angebracht, ob es recht sei, dass von diesem ungewöhnlichen Menschendasein überhaupt ein Andenken verbleibe. Auf diese Frage möchte ich mit Ja antworten. Denn ich bin überzeugt, dass kein menschliches Erleben ohne Sinn ist und eine Analyse nicht verdient….“ Bei ihm ist das Andenken gekoppelt an die Analyse und das heißt mithin an eine Auseinandersetzung um die Shoah.

Spannungsfelder: Überlebende und TäterInnenorte

Das Spannungsfeld, das diese Auseinandersetzung ausmacht, beschrieb Mathias Heyl, Leiter der Pädagogischen Dienste der Gedenkstätte Ravensbrück, in seinem Vortrag zur intrapsychischen Funktion von Gedenksouvenirs. Ohne die Überlebenden pathologisieren zu wollen, sei aus einer psychoanalytischen Betrachtung festzuhalten, so Matthias Heyl, dass die Lagerrealität einem hochgradig psychotischen Kosmos gleichkomme, dessen pathologische Struktur sich in Phantasien höchster Destruktivität ausdrücken könne. Als Teil der Erfahrungen aus der Traumaforschung, benannte er den Dreischritt Erinnern – Wiederholen – Durcharbeiten und fragte danach, ob das Souvenir oder Mahnmal nicht häufig die Phase des Wiederholens aufgreife. Vor diesem Hintergrund beleuchtete er die Funktion der Souvenirs für die Überlebenden und warf die Frage auf, wie weit bei den Souvenirs der Wunsch nach Wiederholung anwesend sei. So zeige der Katalog mit den verschiedenen Entwürfen für das Berliner Mahnmahl Skizzen, die das Stigma wiederholten, etwa wenn die Entwürfe das Format eines Aschenbechers hätten.

In Bezug auf die Erinnerungsfunktion bei Überlebenden sei jedoch zu unterscheiden zwischen den politisch Verfolgten und denen, die aufgrund rassistischer Zuschreibungen verfolgt wurden. Denn der Subjektstatus derer, die aufgrund ihrer Aktivitäten verfolgt wurden, sei nicht in Frage gestellt worden, während bei den so genannten rassisch Verfolgten schon der Begriff auf die entlastende Funktion für die TäterInnengemeinschaft verweise. Durch die Wendung auf das Subjekt, durch die Zuschreibung also, erschienen die Taten als Taten ohne Täter. Die Täter würden schon in dem Begriff zum Verschwinden gebracht. Die Unterschiedlichkeit der Verfolgungsstruktur spiegele sich im unterschiedlichen Bezug der verschiedenen Gruppen Überlebender auf das Andenken und die Möglichkeit zu erinnern.

Nicht damit zu vergleichen seinen die Motive der TäterInnen und ihrer Nachfahren. Die umstrittene Wehrmachtsausstellung werfe die Frage nach der Funktion der Abbildung der eigenen Verbrechen auf. Die zahlreichen Fotografien deutscher Soldaten, die ihre eigenen Verbrechen dokumentierten und die sich stolz in Uniform abbilden ließen, verschwanden nach der deutschen „Niederlage“ unter dem Verdikt der Tabuisierung in den Schubladen und auf den Dachböden und tauchten erst im Kontext der Nachlassauflösung wieder auf. Mathias Heyl charakterisiert das Phänomen des Andenkens in diesem Kontext mit einem Verweis auf einen Ausschnitt aus dem Roman „Christoph und sein Vater“ des Schriftstellers Hans Habe: „ (…) Was ein Volk tut, ist nur eine Folge dessen was es fühlt; der Deutsche kann die Vergangenheit also nur in sich überwinden. Es muss aber die ganze Vergangenheit sein, das heißt die ganze und unteilbare. Solange auf der Kommode einer einzigen Mutter das Bild ihres gefallenen Sohnes in Uniform steht, ist die Vergangenheit Gegenwart. (…) Sogar die Sentimentalität ist in Deutschland schizophren – halb Sohn halb Uniform. Das aber ist nur möglich, weil niemand den Mut zur Zäsur gefunden hat.“

Als ein zentrales Problem der Gedenkstättenarbeit benannte Matthias Heyl die Monumentalisierung der Verbrechen, die in der starken TäterInnenrepräsentanz der erhaltenen Häuser zum Ausdruck komme. Während die aus Holz gebauten Baracken der Häftlinge verfallen seien, würden vor allem die TäterInnenhäuser noch sichtbar sein und - wie im Falle Ravensbrück - zudem als Jugendherbergshäuser renoviert werden. Hier finde sich, so Matthias Heyl, die „Dialektik zwischen aufgeklärtem Wunsch und Täterperspektive“ wieder. Das Narrativ der Gedenkstätte sei nicht so weit von der im Emdener Bunkermuseum ausgestellten Volksgemeinschaft entfernt, zudem in den Gedenkstätten häufig die Täterseite kaum beleuchtet werde und stattdessen eine Identifikation mit den Opfern stattfinde. So empfahl er den Versuch zu unternehmen die TäterInnenrepräsentanz zu dekonstruieren, beispielsweise das Nürnberger Reichsparteitagsgelände in Teilen einzureißen. Auch in Ravensbrück verfällt ein Teil der Häuser der ehemaligen KZ-Aufseherinnen, in den jetzt renovierten Gebäuden wird noch in diesem Jahr eine Ausstellung über die AufseherInnen eingeweiht.

Das Gedenken von Überlebenden

Auf die unterschiedlichen Symbole, die Überlebende verwenden, ging Alexander Brenner ein, der zu der Symbolik von Gedenkzeichen im Kontext der Befreiungsfeiern in der Gedenkstätte Mauthausen referierte. Bei den jährlichen Gedenkfeiern in Mauthausen, zu denen zwischen 7.000 und 12.000 BesucherInnen kommen, dominiere als Gedenkzeichen vor allem der rote Winkel, der an der Kleidung oder an Fahnenstangen mitgetragen werde, so Alexander Brenner. Das zeige zugleich, dass die Gestaltung der Gedenkfeiern, die bis 1997 bei den Überlebenden lag, insbesondere von den politischen Häftlingen wahrgenommen wurde, betonte er. Die unterschiedlichen Nationalitäten der ehemaligen politischen Häftlinge werden durch die Anfangsbuchstaben der jeweiligen Länder sichtbar, die in der Mitte des roten Dreiecks aufgemalt oder hineingestickt sind. Sowjetische Überlebende beziehen sich nicht auf den roten Winkel, sondern erschienen mit verschiedenen militärischen Auszeichnungen und Medaillen. Der rote Winkel ist zugleich auf der „Fahne von Mauthausen“ abgebildet, die beim Einzug in den Häftlingsbereich zum internationalen Teil der Gedenkfeier zuvorderst mitgeführt wird. In jüngster Vergangenheit seien noch zusätzlich der blaue Winkel, das Zeichen der republikanischen SpanierInnen und der rosa Winkel, der von Homosexuellen-Verbänden, also RepräsentantInnen oder SympathisantInnen dieser Opfergruppe mitgeführt werde, dazu gekommen. Auf den schwarzen oder grünen Winkel, den nationalsozialistischen Ordnungskategorien für so genannte Asoziale und Kriegsverbrecher gebe es jedoch keinen Bezug. Jüdische ehemalige Häftlinge, die in Mauthausen etwa 25% ausgemacht hätten, nehmen an den Gedenkfeiern meist als TeilnehmerInnen der israelischen Delegation teil und tragen als Symbol die israelische Fahne mit.

So reproduziert sich die nationalsozialistische Lagerhierarchie noch im Gedenken an die Shoah. Schon im Lager sei der rote Winkel eher eine Auszeichnung gewesen, was einen anderen Bezug auf dieses Symbol erlaube, hält Alexander Brenner fest. Auch im Mauthausen Schwur »Niemals vergessen« und »Nie wieder«, der bei den jährlichen Gedenkfeiern symbolisch erneuert wird, zeige sich bereits, dass die kommunistischen und sozialistischen Häftlinge sich als Avantgarde einer neuen Gesellschaft verstanden. Ihre Haft habe insofern Sinn ergeben, als sie für die Befreiung der Gesellschaft vom Nationalsozialismus gekämpft hätten. 

Ein anderes Symbol, das bei diesen Trauerfeiern mitgeführt wird, sind die Nummern, die den ehemaligen Häftlingen zugleich als Erkennungszeichen dienen. Das Tragen der Nummern, die aufgenäht oder auf selbst geschriebenen Zetteln angesteckt sind, sei deshalb so zentral, weil sie als ein persönlicher Bezug gleichzeitig von niemand Anderem vereinnahmt werden können, so Alexander Brenner. Viele Häftlinge erscheinen auch in der blauweiß gestreiften Häftlingsuniform, erzählt er - und das, obgleich nicht alle Häftlinge in Mauthausen diese Uniform getragen hätten, sondern häufig Militäruniformen oder zivile Kleidung. Bereits bei der 1. Gedenkfeier in Paris am 11. November 1945 sind Überlebende in der gestreiften Häftlingskleidung aufgetreten, seitdem ist sie zur häufigsten Form des Andenkens geworden.

So werden die Symbole, die im nationalsozialistischen System ein Stigma waren, umgedeutet und auf den Gedenkfeiern neu besetzt. Alexander Brenner weist darauf hin, dass die Befreiungsfeiern zugleich als Solidaritätsfeiern dazu dienen die gefährdete Identität der Häftlinge aufrechtzuerhalten. Vor diesem Hintergrund hätten sie auch die Funktion, die Häftlinge, die im nationalen Kontext oft unsichtbar seien, wieder sichtbar zu machen. Gefährdet sei natürlich auch die Verbindung zwischen Überlebenden und Toten, die mit der Frage nach der „Schuld“ des Überlebens verbunden sei. So haben die Gedenkfeiern und die mitgeführten Symbole zugleich den Sinn die Toten zu Ehren und eine Gemeinsamkeit für Überlebende zu schaffen.  

Hausstil: Logo und Souvenirs in der Gedenkstättenarbeit

Zu einer anderen Form von Auseinandersetzung referierte Anne Bitterberg von der  niederländischen Gedenkstätte „Herinneringscentrum Kamp Westerbork“. Anhand der Geschichte des Logos der Gedenkstätte zeigte sie Rezeption und Veränderungen von Erinnerungskultur in der Gedenkstättenarbeit auf. Ging es in den 80er Jahren noch darum, eine bedrückende Atmosphäre, die durch dunkle Räume und eine heroische Sprache vermittelt wurde, herzustellen, erinnern heute luftige helle Räume mit großen Fenstern, die auf das Umland blicken daran, dass sich die Geschichte der Verfolgung und Ermordung der niederländischen Juden inmitten der niederländischen Gesellschaft abgespielt hat. Während die frühere Ausstellung, die 1983 eröffnet wurde, vor allem den Nationalsozialismus und sein Grauen thematisierte, dreht sich die Ausstellung heute um die Verfolgung der Juden in den Niederlanden während des 2. Weltkrieges, insbesondere um die Geschichte Westerborks. Das Logo der Gedenkstätte war zu Beginn ganz im Stile der Aussage gehalten, die man in den 80er Jahren den Leuten mitgeben wollte: eine kleiner schwarzer Stacheldraht, in dessen Mitte eine Bahnlinie abgebildet ist, gerahmt von den schwarzen Lettern des Schriftzuges der Gedenkstätte. Die Renovierung und Neugestaltung der Gedenkstätte in den 90er Jahren, in deren Zuge die Gebäude um ein vierfaches erweitert wurden, brachte eine  grundlegende Veränderung des Logos mit sich: das Logo wurde in blau auf weißem Hintergrund neu gestaltet. In dem neuen Logo spiegelt sich die Neukonzeption der Gesamtanlage: „Die Gedenkstätte soll heute ein Ort der Besinnung sein“, sagte Anne Bitterberg, „an dem man sich auch für die persönlichen Schicksale öffnen kann“. Die Quelle, nicht der Ort löse die Bedrückung aus. Insgesamt habe sich die Botschaft der Gedenkstätte an die Gesellschaft verändert, Grafik sei nur ein Mittel dafür, betont sie.

Dieses Logo, der „Hausstil“, wie Anne Bitterberg es nennt, finde sich inzwischen auf den Busfahrkarten, auf den Getränkebons, sogar auf den Büroklammern, mit denen Anfragen von Überlebenden und Nachfahren zusammengeheftet werden – nur innerhalb des ehemaligen Lagergeländes werde es nicht verwendet. Ziel sei es, eine corporate identity zu schaffen, ein bestimmtes Image, das für BesucherInnenfreundlichkeit und Sorgfalt im Umgang mit der Geschichte und den einzelnen Schicksalen stehe, für Seriosität. Es gehe nicht um Marketing, das Logo sei nicht auf Plastik- oder Papiertüten der Gedenkstätte abgebildet, sagt Anne Bitterberg. Die ursprüngliche Intention des Logos sei vielmehr gewesen, die Geschichte Westerborks so bekannt wie möglich zu machen und foundraising zu betreiben.

Inzwischen ranken sich aber auch zahlreiche Diskussionen und Auseinandersetzungen um den Hausstil und die Grenze der Vertretbarkeit von Souvenirs. So war die Aufnahme eines Regenschirms mit Gedenkstättenlogo in das Verkaufsangebot unter den MitarbeiterInnen der Gedenkstätte sehr umstritten. Die Geschichte des Schirms geht auf einen verregneten Gedenkstättenbesuch des israelischen Botschafters vor drei Jahren zurück. Aus Mangel an Schirmen sei der gesamte Besuch mit, in dem Cafe zurückgebliebenen, Schirmwracks ausgestattet worden. Der Entwurf des Schirmes in der Folge dieses Ereignisses habe vor allem unter dem Aspekt der Nützlichkeit gestanden. Er verkaufe sich jedoch schlecht, da er unter Werbeverdacht stehe und würde deshalb aus der Kollektion genommen, erzählt Anne Bitterberg. Auch umstritten seien mit dem Logo der Gedenkstätte bedruckte Kulis oder Füller, da diese – im Gegensatz zum Schirm – keine Funktion für den Gedenkstättenbesuch erfüllten. Käuflich erwerben könne man auch eine Fotoserie von den Mahnmalen, die explizit nicht als Postkarten aufgemacht seien.

Auf Nachfrage von BesucherInnen, von ehemaligen Lagerinsassen und von deren Familienangehörigen wurde in den 90er Jahren auch eine Gedenkmünze entwickelt. Anne Bitterberg bezeichnet die Münze, die wahlweise aus Kupfer oder Silber erhältlich ist, als gerade noch erträgliche Form des Souvenirs. Auf ihr abgebildet ist eines der Mahnmale, das von Häftlingen selbst gestaltet wurde, es besteht 102 000 aus Steinen, die für die Deportierten stehen, die nicht zurückgekehrt sind - auf den meisten ist ein gelber Stern abgebildet. Mit dem Verkauf der Münze machen sie keinen Profit, betont sie, sie sei dazu da, den BesucherInnen, insbesondere Familienangehörigen und Überlebenden, etwas mitzugeben.

Souvenirs in Gedenkstätten – heute und früher

Den BesucherInnen etwas mitgeben, möchte auch Ricola Gunner Lüttgenau, Stellvertretender Leiter der Gedenkstätte Buchenwald. Aus seiner Analyse, dass Gedenkstätten nicht Lernorte, sondern Orte der Selbstvergewisserung sind, die viel mit Identität zu tun haben, folgert er, dass dem Wunsch der BesucherInnen nachzukommen sei, von diesen Orten etwas mitzunehmen. Die Besuche, so hält er fest, haben das Ziel Erlebnisse zu produzieren, die zu erinnerbaren Erfahrungen gerinnen. Die körperliche Erfahrung sei besser als einen Film zu sehen oder ein Buch zu lesen. „Obwohl die meisten Gedenkstätten BesucherInnen den Besuch einer Gedenkstätte `wichtig´ finden, kommen sie nicht wieder“, betont er, deshalb entstehe auch das Bedürfnis von dort etwas mitzunehmen. Er empfinde Souvenirs eigentlich als „eine Selbstverständlichkeit in Gedenkstätten“ – die Frage sei nur, welche Traditionen von Souvenirs aufzugreifen und welche abzulehnen seien.

Ablehnung empfinde er gegen Souvenirs mit der `I was here´ Aussage, etwa Produkte mit dem Namenszug der Gedenkstätte. So gebe es zum Beispiel vom Fossoli Camp in der Nähe von Modena in Italien Baseballcaps mit dem Schriftzug des Lagers. So etwas funktioniere vielleicht noch in Italien, betonte er, als Zeichen der Solidarisierung mit dem politischen Widerstand, nicht aber in Deutschland. Bezug nehmend auf die Tradition des „memento mori“ – „Erinnere Dich, dass Du sterblich bist“, konstatierte er, dass die hohe Attraktion von Gedenkstätten nicht in der Trauerfunktion bestehe, sondern, dass es  angesichts der fragilen gesellschaftlichen Verfasstheit, darum gehe, sich als Bestandteil einer Gesellschaft zu begreifen die Verantwortung übernehme. Ihm gehe es um Fragen der positiven Identifikation mit Souvenirs, die von der DDR-Tradition, so zum Beispiel in Buchenwald, vernutzt sei. So denke er etwa an Bleistifte mit zentralen Aussagen Sempruns oder anderer Überlebender. In Buchenwald werde gerade in Zusammenarbeit mit der Bauhaus Universität Weimar geplant, Überreste aus der Geschichte des Lagers, den so genannten „KZ-Müll“, wie zerbrochene Kämme, Blechnäpfe etc. als Replika für den Souvenirverkauf herzustellen. Lüttgenau betonte, dass diese Überreste seit Ende der 90er Jahre zentral geworden seien. Archäologische Ausgrabungen in Buchenwald haben inzwischen 400 dieser Überbleibsel zu Tage gefördert, die von der Künstlerin Naomi Tereza Salmon für die Ausstellung „Asservate“ fotografiert worden sind. Die Ausstellung enthielt ca. 250 Aufnahmen, die in die Archive der Gedenkstätten gewandert sind, als „letztes Zeichen, als Erinnerungsspur, als Reliquie, als Monument, als Echo, als Klage, als Anklage, als Beweis der Verbrechen..." (Salmon), die zu Ensembles gruppiert wurden.

Eine Selbstverständlichkeit waren die Souvenirs auch in den Gedenkstätten zu DDR-Zeiten. Ulrike Dittrich, Voluntärin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück hat sich mit der Symbolik und der Funktion dieser Souvenirs auseinandergesetzt. Neben Medaillen, und Anstecknadeln mit den Motiven der zentralen Plastiken aus den Gedenkstätten Ravensbrück, Sachsenhausen und Buchenwald, sind im Souvenierkatalog, der von einem zentralen Friedrichshainer Vertrieb herausgegeben wurde, in Meißner Porzellan geprägte Abbilder von Vladimir Ilych Lenin und Karl Marx zu sehen. Gedenken und die Erinnerungskultur standen in der DDR ganz im Zeichen des antifaschistischen Gründungsmythos. Die erste prominente Trägerin der Ravensbrücker Gedenkstätten Anstecknadel sei Rosa Thälmann gewesen, die diese auf einer der ersten großen Gedenkveranstaltungen in Ravensbrück getragen habe, so Ulrike Dittrich. Der sich allgemein auf Frieden beziehende Text auf der Plaquette habe zugleich für eine Universalisierung des Holocaust gestanden.
 
Die im Stacheldraht hängende Rose, ein beliebtes Motiv für Ravensbrück, war zugleich eine Möglichkeit der Identifikation für KZ Überlebende jenseits von religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen. Die nichtdiskursive Symbolik verweise auf eine Art des Gedenkens weniger von einer rationalen, als vielmehr von einer tief sitzenden emotionalen Bedeutung, so Ulrike Dittrich.

Was vom Kolloquium bleibt, ist vor allem der Eindruck, dass das Feld des Andenkens an die Shoah, angesichts des sehr unterschiedlichen Umgangs damit, einer grundlegenden Reflexion bedarf, die der katastrophalen Dimension des historischen Ereignisses und den dadurch verursachten Leerstellen Rechnung trägt.

gs / tacheles-reden.de / 2004-03-22