Das
Antwortschreiben:
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Fragen:
- Das in der christlichen Erziehung
vermittelte Gottesbild sei oft zu grausam, weshalb es nicht stimmen könne.
Wie ist es im Judentum?
- Da gibt es wohl keine Hölle?!
- Im Buch Prediger (Kohelet) der hebräischen
Bibel ist die Rede davon, dass die Menschen und die Tiere das gleiche
Geschick haben, weil sie sterben müssen und sie alle einen Odem haben und
dass es für jeden eine Hoffnung gibt, solange er lebt.
- Hat sich an dieser Sichtweise des Judentums
etwas geändert?
- Und dann kommen die "eigentlichen" Fragen:
Wenn einem ein falsches Bild von Gott vermittelt wurde und er deswegen nicht
glaubt, hat er nach jüdischer Vorstellung eine schwere Strafe zu erwarten?
Kann man auf Barmherzigkeit nach dem Tod hoffen?
- Welche Strafe erwartet die Ungerechten, die
anderen Menschen Leid zugefügt haben?
- Wenn sich ein Nichtjude an die noachidischen
Gebote hält und an den einzigen Gott glaubt, kann er zu den Gerechten
zählen?
Vorbemerkung:
Diese Ansammlung von Fragen verdiente eine
eingehende Betrachtung. Der Fragende hat Probleme mit seinem Glauben und
hofft, in jüdischen Quellen einen Hinweis auf den richtigen Weg zu finden.
Das erinnert an das philosophisch-theologische Werk "Führer
der Unschlüssigen" von Maimonides, das allerdings für den gläubigen
Juden verfasst wurde.
Es ist hier nicht möglich, all diese Fragen
gründlich zu behandeln. Trotzdem will ich versuchen, in dem vorgegebenen
Rahmen, adäquate Antworten anzubieten.
Antwort:
- Den Begriff Hölle gibt es bereits in der
hebräischen Bibel. Die Vorstellung von der Hölle als einem Bestrafungsort
für die bösen Seelen ist aber in nachbiblischer Zeit aufgekommen und hat
insbesondere im Mittelalter durch den Einfluss mystischer Strömungen
ausgeprägte Formen erhalten. Im Judentum hat die Hölle jedoch nie den
Einfluss wie im Christentum gewonnen und ist schon gar nicht von der
Geistlichkeit instrumentalisiert worden, um den Menschen Angst zu machen.
- Auch aus diesem unter anderen Gründen ist
die Vorstellung eines grausamen Gottes bei jüdischen Menschen kaum zu
finden.
- Das Buch Prediger gehört zu den
Weisheitsbüchern der hebräischen Bibel. Kohelet (der Name deutet auf einen
Versammlungsredner hin) ist kein Prophet. Seine Weisheitssprüche sind
philosophisch und können in ein philosophisches System eingeordnet werden.
In der jüdischen Tradition haben die Aussagen des Kohelet einen wichtigen
Stellenwert, werden auch zur Verstärkung von Glaubensinhalten herangezogen,
haben aber nicht den apodiktischen Charakter der Worte der Propheten.
- Wenn Kohelet predigt, dass die Tiere wie die
Menschen einen Odem haben, dann ist das eine Empfehlung, den Tieren einen
Geist zuzusprechen und sie anders als es üblicherweise geschieht zu
behandeln. Bereits in der Tora gibt es zahlreiche Hinweise zur humanen
Behandlung von Tieren.
- Verbrecher werden bereits durch irdische
Gerichte bestraft. Was nach dem Tode kommt, darüber soll man nicht
leichtfertig rätseln. Allerdings sollte der Mensch nie die Hoffnung
verlieren, für gute Taten belohnt und für einen unschuldig irregeleiteten
Glauben nicht bestraft zu werden.
- Es gibt im Judentum den Begriff der
"Gerechten der Völker" für die Bezeichnung mancher Nicht-Juden. Die Halacha
(das jüdische Religionsrecht) folgt in der Definition dieses Begriffs der
Feststellung von Maimonides in seiner Gesetzeskompilation (Mischne-Tora,
Buch 14, Kap. 8, 14): Wer die sieben noachidischen Gebote befolgt, gehört zu
den Gerechten der Völker und hat einen Anteil an der zukünftigen Welt. Die
Antwort auf die entsprechende Frage ist also positiv.
Mit freundlichen Grüßen
Bar Rav Nathan |