Von Clemens Heni
Für Wolfgang Dreßen, Professor für Politikwissenschaft an
der Fachhochschule Düsseldorf, sind alle Vorschläge, Filme und Ideen, die
den Selbstschutz von Israelis vor antisemitischen Gewalttätern und
Massenmördern unterminieren, offenbar herzlich willkommen. Am 26./27.
Februar 2004 lädt Dreßen nach Düsseldorf um über anti-israelische Propaganda
zu reden.
Neben bekannten Antizionisten wie Ludwig Watzal, der von einem
"palästinensischen Versailles" spricht, kommen u.a. auch Israelis, die
freilich selbst für eine antizionistische Politik stehen, neben Watzal Dr.
Halima Alaiyan, Michaela Reisin, Moshe Zimmermann und Anis Hamadeh. Wolfgang
Dreßen ist kein Unbekannter: Bereits in den 1980er Jahren publizierte er
einen der einflussreichsten Rechtsextremisten der Neuen Rechten in der BRD,
Henning Eichberg. Seine Liebe zum "nationalen Sozialismus", der die "SA"
dazu befähigt hätte, sich "nicht in die staatliche Ordnung einbinden" zu
lassen, läßt es merkwürdig erscheinen, dass Dreßen eine Arbeitsstelle zur
Analyse des Neonazismus leitet.
2002 wurde Wolfgang Dreßen vom Nordrhein-westfälischen
Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport zurückgepfiffen als
er beim Ausstellungsprojekt ex-Oriente die pro-iranischen Islamisten von
muslim-markt als Ideengeber verlinkt hatte. Auch heute ist auf Dreßens
offizieller Homepage der FH Düsseldorf ein Link zu einer offensichtlich
islamistischen Site zu sehen auf der die Fatwa gegen Salman Rushdie
verteidigt wird, wenngleich die Betreiber - wohl aus legalistischen Gründen
- die Ermordung Rushdies in eine ewige Verdammnis umwandeln wollen. Diese
Verlinkungspraxis Dreßens korrespondiert aufs Trefflichste mit seiner
heutigen Veranstaltung in Düsseldorf. Damals verlinkte er eine Seite, die
zum "Israel-Boykott" aufrief, heute passiert das gleiche, nur nicht aus dem
Munde von Islamisten sondern (auch) von antizionistischen Israelis.
Gleich drei Filme von Eyal Sivan, einem israelischen
Filmemacher, werden am heutigen Samstag und morgen Abend gezeigt: SKLAVEN
DER ERINNERUNG, DER SPEZIALIST und ROUTE 181. ROUTE 181 drehte Sivan
zusammen mit dem Palästinenser Michel Khleifi. Während ‚Sklaven der
Erinnerung‘ von jungen Israelis berichtet, die in einem Monat verschiedene
israelische Gedenktage durchleben wobei Sivan den Antisemitismus gleichsam
als quantité négligéable betrachtet und den Kampf Israels gegen
Antisemitismus als böse Einbildung und ‚nationalen Mythos‘ angreift, ist
Sivans Strategie in DER SPEZIALIST noch perfider: gleichsam als
unspezifische Konstante moderner Industriegesellschaften, die auf abstrakter
Arbeit und Bürokratie basierten, wird der Massenmörder Adolf Eichmann in
seinem Prozess in Jerusalem dargestellt.
Eichmann ist darin ein bürokratisches (lächerliches) Monster -
keineswegs ein deutsches Spezifikum – wie es heute auch welche geben könne.
Dies gestaltet Sivan so, daß Eichmann am Ende wie ein Mann hinter einem
Schreibtisch wirkt, der auch Israels Politik gegen die Palästinenser
kennzeichnen könne, während der israelische Hauptankläger, Gideon Hausner,
in sowohl liderlichen als auch widerlichen Einstellungen wie ein Spiegelbild
des Nazi-Eichmann erscheint. Diese Projektionsleistung, Juden vom Opfer zum
Täter zu phantasieren, ist nicht nur in Deutschland nach dem Ende des
Nationalsozialismus beliebt. Weltweit ist der Antisemitismus in der
post-Holocaust Zeit dadurch gekennzeichnet, dass er sich stark auf Israel
als Staat der Juden konzentriert, mithin der Antizionismus als der
Antisemitismus der Demokraten erscheint. Der französische Philosoph Vladimir
Jankélévitch sagte schon 1971:
"Wie werden sie sich von ihrem latenten Schuldgefühl befreien? Der
‚Antizionismus‘ ist in dieser Hinsicht ein ungesuchter Glücksfall, denn er
gibt uns die Erlaubnis und sogar das Recht, ja selbst die Pflicht, im Namen
der Demokratie Antisemit zu sein! Der Antizionismus ist der gerechtfertigte,
schließlich jedermann verständlich gemachte Antisemitismus. Er ist die
Erlaubnis, demokratischerweise Antisemit zu sein. Und wenn die Juden selbst
Nazis wären? Das wäre wunderbar. Es wäre nicht länger nötig, sie zu
bedauern; sie hätten ihr Los verdient. So entlasten sich unsere Zeitgenossen
von ihrer Sorge."
Daß es nicht primär Antisemitismus gewesen sein soll, der
Eichmann zum Judenmord trieb, vertritt in der Nachfolge Hannah Arendts auch
der berühmte linke Historiker Hans Mommsen, der später auch Goldhagens
Analysen zum "eliminatorischen Antisemitismus" ablehnte. Die seriöse und
kritische Forschung ist sich jedoch spätestens seit Hans Safrians Buch
"Eichmann und seine Gehilfen" darüber bewußt, daß Antisemitismus das
zentrale Motiv für Eichmann darstellte, Juden zu suchen, zu finden und
ermorden zu lassen.
"Unter Vernachlässigung der einfachsten Regeln der Quellenkritik wird
zitiert, kolportiert, konstruiert. Man geht über ‚die Manipulation der
Erinnerung‘ in den Aussagen Höß‘ oder Eichmanns hinweg. Sie haben, ‚als sie
vor ihren Richtern standen (...), sich eine bequeme Vergangenheit
konstruiert und schließlich selbst daran geglaubt‘(Primo Levi, Die
Untergegangenen und die Geretteten): Wie Höß und die anderen nach 1945
angeklagten NS-Verbrechen stilisierte sich Eichmann zum absolut gehorsamen
Befehlsempfänger, der persönlich nichts gegen Juden hatte, und schmückte
diese grundsätzliche Linie mit Versatzstücken der Realität aus."
Nun ist neben dem ohnehin äußert problematischen und den
deutschen Vernichtungsantisemitismus Eichmanns komplett negierenden Plot des
Films zudem bekannt geworden, dass Sivan in DER SPEZIALIST bewusst und
gezielt filmisches Originalmaterial gefälscht hat. Sivan hat das 350stündige
Roh-Filmmaterial der Prozeßdokumentation so geschnitten, daß Zeugenaussagen
im Filmergebnis gefälscht sind. Z.B. erscheint ein Zeuge auf eine bestimmte
Frage schweigend, wohingegen der Zeuge an besagter Stelle in den
Originaldokumenten durchaus sofort antwortete. Auch an weiteren Stellen
wurde gefälscht, wie jetzt durch den ehemaligen Direktor des Spielberg Film
Archives in Jerusalem, Steward Tryster bekannt wurde. Die
‚kulturzeit‘-Sendung von 3sat am 22.02.2005 thematisierte die Kritik
Trysters zwar, ärgert sich jedoch mit ihrem Interviewpartner um so mehr als
sie die Intention Sivans, Israel anzugreifen, ja tatkräftig unterstützt.
Jankélévitch hat diesen Reflex schon vor Jahrzehnten reflektiert und
analysiert, wie das obige Zitat zeigt.
Am deutlichsten wurde kürzlich der Antizionismus und die
Affirmation des suicide killing durch 3sat in dem Interview von Gert Scobel
und dem Regisseur von PARADISE NOW, Hany Abu-Assad vom 16. Februar 2005. So
wie Abu-Assad dort unter Lachen erzählen durfte, dass die Vorbereitungen auf
ein Selbstmordattentat noch "viel lustiger sind" als im Film dargestellt, so
steht dieser Bejahung des suicide bombing der Kampf gegen den israelischen
Schutzzaun durch Sivans Film ROUTE 181 zur Seite. Die Kultursendung von
3sat, die die Lügen und Fälschungen von Sivan aufdeckte, möchte trotz der
aufgedeckten Manipulationen am Film DER SPEZIALIST festhalten, habe er doch
– wie es in einem Interview mit den deutschen Regisseur Andreas Veiel heißt
– die "gigantische Inszenierung", die der Eichmann-Prozess dargestellt,
aufgezeigt und somit die "Legenden, die den Staat" Israel zusammen hielten,
destruiert. Dass Juden als Juden vom deutschen Eichmann aufgesucht,
deportiert und ermordet wurden, kommt nicht vor. Dass Israelis als Juden
1948 und 1967 und später "ins Meer getrieben werden sollten" von ihren
arabischen Nachbarn, leugnet diese Position. Israel brauche "Mythen", wie
Sivan sagt, um sich zu legitimieren. Dass Israel zum ersten Mal in der
langen Geschichte des Antijudaismus und Antisemitismus seit 1948 für alle
Juden Schutz vor Antisemitismus bedeutet, militärische Selbstverteidigung,
wird einfach negiert.
Am Samstag, 26.02.2005 wird in Düsseldorf von den Veranstaltern
"Kulturelle Entwicklung" und "museum kunst palast" unter der Leitung von
Wolfgang Dreßen nach der Vorführung von ROUTE 181 unter der Moderation von
Michel Khleifi zwischen ihm und Sivan diskutiert. Khleifi, der
palästinensischer Regisseur des Films, passt gut zu dem Duo: Kleifi hat
mehrere Filme gedreht, in denen es um die Situation der Palästinenser geht
und anti-israelische Töne das Hauptmerkmal zu sein scheinen. So kritisierte
z. B. die französische Tageszeitung Le Figaro den Film "Hochzeit in Galiläa"
von Khleifi unmissverständlich als "Aufruf zum Haß".
Nicht nur zum Hass auf Israel sondern auch zur Verharmlosung
von Auschwitz wird in dem Film ROUTE 181 von Khleifi und Sivan aufgerufen.
Auschwitz sei darin kein Zivilisationsbruch gewesen, wie die Filmkritikerin
Anne Heilmann analysiert:
"Die Kritik bezog sich vor allem auf die Anlehnungen von Route 181 an den
Film Shoah von Claude Lanzmann, eine neunstündige Dokumentation über die
Judenvernichtung während des Nationalsozialismus, die aus Interviews mit den
Überlebenden der Vernichtungslager und ihren deutschen Henkern besteht. Eine
der zentralsten und zugleich schrecklichsten Interviewsituationen in Shoah
ist das Gespräch mit Abraham Bomba in seinem Friseursalon in Israel. Er
musste den Häftlingen in Auschwitz, unter denen sich auch seine eigene
Familie befand, die Haare scheren, bevor sie in die Gaskammern getrieben
wurden.
Die Szenenanordnung in Route 181 ist auffallend ähnlich. Hier
berichtet ein palästinensischer Friseur, während er Michel Khleifi die Haare
schneidet, von einem Massaker an Palästinensern in Lod während des
Unabhängigkeitskriegs von 1948. Er berichtet von Vergewaltigungen, von einem
»Ghetto« genannten Ortsteil, in dem die palästinensische Bevölkerung
versammelt wurde, und davon, wie die israelischen Soldaten von ihm
verlangten, die Leichen zu verbrennen. Die Szene endet mit einer Einstellung
der Eisenbahnschienen in Lod und greift damit ein Motiv auf, dass nicht nur
in Shoah für die Deportationen der europäischen Jüdinnen und Juden in die
Konzentrationslager steht. "Das Plagiat ganzer Sequenzen aus Shoah von
Claude Lanzmann illustriert eine perverse und systematische Praxis, deren
Logik die einer Umkehr der Opfer in Henker ist", schreiben die Kritiker des
Films in ihrem Protestbrief."
In Wahrheit hat der israelische Schutzzaun vielen Menschen das
Leben gerettet, die Anzahl der Anschläge sank beachtlich.
"Die Zahl der Terroranschläge auf israelische Ziele ist 2003 im
Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent zurückgegangen. Dabei gab es 50 Prozent
weniger Todesopfer als 2002. Das geht aus einem am 8. Januar 2004
vorgestellten Bericht des israelischen Sicherheitsapparates hervor. Eine
Ursache für diesen Rückgang ist nach Ansicht der Sicherheitskräfte der Bau
des Sicherheitszaunes.
Arabische Terroristen haben im Jahr 2003 insgesamt 3.858 Attentate auf
israelische Ziele verübt. Dabei wurden 213 Menschen getötet, darunter 50
Angehörige der Sicherheitskräfte und 163 Zivilisten. Im Jahr 2002 hatten
5.301 Anschläge insgesamt 451 Todesopfer gefordert. Die Zahl der
Terrorwarnungen blieb hingegen konstant. Durchschnittlich gingen bei den
Sicherheitskräften pro Tag 40 Informationen über mögliche Anschläge ein."
Auch die Antisemiten erkennen den Zaun als Hinderungsgrund für
ihre Mordanschläge:
"Ein Grund für den Rückgang der Anschläge ist nach Ansicht der
israelischen Sicherheitskräfte der Bau des Sicherheitszaunes. Dieser zwingt
palästinensische Terrorgruppen, ihre Taktik zu ändern. Ein hochrangiger
Führer des Dschihad al-Islami sagte in einem Verhör, die Organisationen
müssten völlig neue Wege finden, falls die Sperranlage fertiggestellt
werde."
Dreßens jahrelange, obsessive Kritik an Israel, seine Vorliebe
für "nationalen Sozialismus" und den Islam gleichermaßen prädestinieren ihn
dazu "neue Wege" in seinem speziellen Dialog suchen zu helfen. Solche "Neuen
Wege", wie sie der Dschihad al-Islami sucht? Vorträge, Filmvorführungen,
internet-links, Ausstellungen und Diskussionen von und mit Antizionisten
sind solche Wege. Ohne Blut aber mit viel Effekt. Wie PARADISE NOW.
Anmerkungen:
(1)
http://www.palaestinaonline.de/watzal2.htm
(2) Betrifft: "Aktion 3". Deutsche verwerten jüdische Nachbarn. Dokumente
zur Arisierung. Ausgewählt und kommentiert von Wolfgang Dreßen, Berlin
(Aufbau-Verlag), S. 19.
(3)
http://www.juedische.at/TCgi/TCgi.cgi?target=home&Param_
Kat=3&Param_RB=14&Param_Red=1732
(4)
http://www.amana-online.de/pp/aa/mazrui_rushdie.shtml. Darauf heißt es:
"Wenn es wirklich notwendig ist, so wäre die spirituelle Strafe einer
Verfluchung angebrachter als die physische Strafe des Todes. Besser noch,
überlasse Salman Rushdie dem Himmel! Ja, verbiete die Haßliteratur, wenn es
sein muß, aber liebe den Autor als einen Mitmenschen". Amana-online wird von
Dreßen verlinkt, siehe:
http://www.arbeitsstelle-neonazismus.de/frameset.htm.
(5) Vladimir Jankélévitch (2004): Das Verzeihen. Essays zur Moral und
Kulturphilosophie, Frankfurt/Main (suhrkamp), S 245.
(6) Hans Safrian (1995): Eichmann und seine Gehilfen, Frankfurt/Main
(Fischer), S. 15.
(7)
http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/76204/
In kulturzeit wurde die Szene aus DER SPEZIALIST, die zeigt, wie der
Bürokrat und eiskalte Schreibtischtäter Eichmann sich im israelischen
Oberstaatsanwalt Hausner widerspiegelt, hofiert.
(8)
http://www.iz3w.org/iz3w/Ausgaben/277/LP_s38.html
(9)
http://www.israelaktuell.de/de/news_show.php?col=130&select=Texte&show=177
(10) Ebd.