Von Klaus Parker
Kaum waren am Freitag, 21. Januar 2005 die Propagandaausfälle der
sächsischen NPD-Abgeordneten Apfel und Gansel im Dresdner Landtag bekannt
geworden, erhoben sich die Rufe der gewählten Aufständischen gegen Rechts.
So insbesondere die Fraktionen von CDU und Grünen in Sachsen.
Die Äußerungen der NPD erfüllten den Straftatbestand der Volksverhetzung,
so die Klage der um Anstand bemühten, die Staatsanwaltschaft solle die
Ermittlungen aufnehmen. Man gewann den Eindruck, als sei der
Neonazi-Kampfbegriff vom „Bomben-Holocaust“ brandneu. Das ist er nicht. Er
bewegt sich in der Grauzone zwischen strafloser Relativierung und strafbarer
Verharmlosung des nazistischen Völkermordes an den Juden Europas. Seit
langem kursieren in der Szene entsprechende Hinweise und Tipps, wie man sich
scharf an der Grenze zur Strafbarkeit bewegt, ohne diese eindeutig zu
überschreiten. Unter anderem existiert das „Deutsche Rechtsbüro“, in dem die
Hamburger Rechtsanwältin Gisa Pahl - eine ehemalige Sozia des einschlägigen
Nazi-Aktivisten Jürgen Rieger - entsprechende Verhaltensregeln an die Hand
gibt.
Merkwürdigerweise hat - jedenfalls den Presseveröffentlichungen zufolge -
niemand bemerkt, wie der Abgeordnete Apfel in seiner Suada tatsächlich eine
eindeutige Straftat beging, indem er die Anzahl der Schoah-Opfer auf ein
Zehntel herunterlog. Unter Bezugnahme auf früher u. a. von David Irving
verbreiteten - um das zehnfache überhöhten Totenzahlen der Luftangriffe auf
Dresden im Februar 1945 – beschimpfte er die Abgeordneten: "Nur bei
anderen Opfergruppen sind Sie nicht so pingelig, wenn einmal eine Null
fehlt".
Am darauffolgenden Montag geschah das, was von Anfang an klar war: Die
Staatsanwaltschaft Dresden leitete kein Ermittlungsverfahren ein, da es sich
um parlamentarische Äußerungen handelte und die NPD-Abgeordneten Indemnität
genössen.
Ein kurzer Blick in die sächsische Landesverfassung oder auch nur
marginale Kenntnisse der Grundlagen einer parlamentarischen Demokratie hätte
von Anfang an klar gemacht, dass eine strafrechtliche Sanktion aus eben
diesem Grunde nicht in Frage kommen kann. Überraschend ist nur, dass dies
offensichtlich bis zum Montag unbekannt gewesen sein soll. Und dies bei
denjenigen, die ein staatsanwaltliches Einschreiten forderten.
Es sind nur zwei Alternativen denkbar: Entweder fehlt es an jeglicher
Qualifikation oder sie haben sich mit einer unsinnigen, aber an diesem
Wochenende wohlfeilen Forderung ins Rampenlicht als aufrichtige Kämpfer
gegen Rechts setzen wollen. Ist das Erstere nur dumm und stellt den
Betroffenen eine erstklassige Empfehlung als Kunde der Bundesagentur für
Arbeit aus, ist das Zweite, um es einmal euphemistisch auszudrücken, einfach
nur unehrlich.
Unehrlich wie die überraschte Empörung über die Ausfälle von Apfel und
Gansel. Für jeden, der sich ein wenig mit der Materie beschäftigt, sind
ideologische Inhalte und Vorgehen der Neonazis einschätzbar.
„Als Rechtsextremist begeht man tagtäglich mindestens 5 Propagandadelikte
und somit Straftaten. Wer dies nicht tut, hat in der Szene nichts verloren“
sagt Matthias Adrian, ehemals Funktionär der NPD und JN und nach seinem
Ausstieg Mitarbeiter des Projektes EXIT-Deutschland.
Es war somit von den NPD-Abgeordneten nichts anderes zu erwarten, und
diese Republik tut gut daran, sich auf Weiteres einzustellen. Sitze in den
Parlamenten dienen der NPD als wohlfeile Propaganda-Plattform. Nicht zuletzt
wegen der damit verbundenen Indemnität bei parlamentarischen Äußerungen.
Diese kann, anders als bei Straftaten von Abgeordneten außerhalb des
Parlamentes, auch nicht aufgehoben werden. Sie ist quasi ein absoluter
Freifahrtschein zur Begehung von Straftaten. Und dies werden die Zwölf im
Dresdner Landtag auch weiterhin gebührend ausnutzen.
Der nächste Schritt ist absehbar: Das deutsche StGB stellt in § 37
jegliche wahrheitsgetreue Berichte über Sitzungen der Landtage, des
Bundestages oder der Bundesversammlung außer Strafe. Straflos ist es also,
den volksverhetzenden Redetext Apfels öffentlich in Propagandaabsicht zu
verbreiten. Das Privileg der Indemnität kann so quasi auf das gesamte
rechtsextremistische Spektrum ausgedehnt werden.
Und dies ist keine Zukunftsmusik. Der Hamburger Neonazi Christian Worch
hat eben dieses über ein rechtsextremistisches Internetforum bereits
angeboten und angekündigt: Die Verbreitung der Wortbeiträge seiner zwölf
Gesinnungsgenossen im Sächsischen Landtag, zeitversetzt oder vielleicht
sogar in Echtzeit.
Eklat im Sächsischen Landtag:
Braunes Gedankengut wieder salonfähig?
Stellungnahme des Zentralrats der Juden zu den
Äußerungen des NPD-Abgeordneten Jürgen Gansel...
NPD nimmt
den Helm zum Gedenken nicht ab:
Hysterie-Spartakiade in
Sachsen
Tut mir leid, liebe wohlwollenden Leserinnen und geneigte Leser: das Getue
um die NPD in Sachsen ist einfach nur lächerlich. Die üblichen Verdächtigen
werfen mit den sattsam bekannten Textbausteinen der deutschen Leitkultur um
sich und übertreffen sich gegenseitig in hysterischer Attitude...