Bikker-Prozess:
Beweise für Sadismus
Gegen den mutmaßlichen
Naziverbrecher Bikker gibt es weitere Beweise für einen sadistischen
Mord
Von Achim Scheve
Taz v. 27.01.2004
Hagen (taz)- Am vergangenen Freitag war der
mutmaßliche Kriegsverbrecher Herbertus Bikker alleine vor dem
Hagener Landgericht: An diesem Tag waren niederländische Bürger und
Medien erstmals nicht zum Prozesstermin angereist. Deutsche
Pressevertreter waren wie immer nur spärlich vertreten.
Dem ehemaligen SS-Mann und Polizisten Herbertus
Bikker wird vorgeworfen, den niederländischen Widerstandskämpfer Jan
Houtman im November 1944 nicht nur erschossen, sondern vorsätzlich
ermordet zu haben. Dieser Unterschied ist juristisch entscheidend:
Da alle Straftaten außer Mord längst verjährt wären, kann Bikker nur
verurteilt werden, wenn nachgewiesen wird, dass er das Opfer aus
niederen Beweggründen wie zum Beispiel Hass oder Mordlust getötet
hat.

Herbertus Bikker in seinem Schrebergarten, Mai
1997
© Foto: Jo Schwartz,
www.joschwartz.com |
Das Verfahren begann mit der Verlesung des Protokolls
der richterlichen Vernehmung des Zeugen Lenz im Jahre 2000. Der
Zeuge war ab 1943 wegen seiner Beteiligung am Maistreik
untergetaucht. Er und seine Mitstreiter sammelten in den Wäldern um
Dahlfsen von den Engländern mit Fallschirmen abgeworfene Waffen für
den Widerstand ein. Die verhasste Grüne Polizei (Kontrollkommando)
führte in der Gegend Patrouillen durch. Am Tag nach der Ermordung
von Jan Houtman hatte das Kontroll Kommando (KK) einen jüdischen
Jungen verhaftet, misshandelt und ihm die Leiche von Jan Houtman
gezeigt. Lenz wurde später auf der Flucht aus der Gegend um Ommen
verhaftet und in das Lager Erika bei Ommen gebracht. Er wurde in
einer Gruppe von acht Häftlingen eingeliefert. Der älteste der
Gruppe wurde sofort brutal zusammengeschlagen. Bikker sei im Lager
als großer Sadist bekannt gewesen, gab er an. Er habe als der
"Schinder von Ommen" gegolten.
Nach Lenz' Bericht wurden die Aussagen des Zeugen von
Huisen verlesen, die er schon 1998 machte. Der Zeuge hatte seit dem
Anfang der achtziger Jahre akribisch die Aussagen von Zeitzeugen der
Kriegszeit aufgeschrieben. Diese Berichte umfassen mehr als 1.000
Seiten. Sie belegen, dass Jan Houtman und sein Freund Dickie ein
Auto ausleihen wollten, um Waffen zu transportieren. Als die Grüne
Polizei erschien, floh Houtmann zu Fuß am Kanal entlang. Bikker lieh
sich ein Fahrrad und folgte ihm. Auf dem Bauernhof fielen
anschließend 34 Schüsse. Im angrenzenden Kuhstall hatten sich
untergetauchte niederländische Zwangsarbeiter versteckt.
Am Tag darauf wurde ein jüdischer Junge verhaftet,
der dann im März 1945 erschossen wurde.
Der Prozess gegen Herbertus Bikker wird am kommenden
Montag fortgeführt. Wieder wird der ehemalige SS-Mann zur Tat
schweigen. Seine Verteidiger werden wieder versuchen, ihn als "nicht
verhandlungsfähig" darzustellen.
Prozess kurz vor der
Einstellung:
Bikker
hat keine Lust auf Pillen und Prozess
Der letzte Verhandlungstag des Bikker Prozesses war am 19. Dezember,
deswegen war - sofern keiner der Beteiligten krank war - ein
Verhandlungstag am 30. Dezember zwingend erforderlich, da eine
Hauptverhandlung nicht mehr als 10 Tage unterbrochen werden darf...
Prozess:
Historische Lehrstunde
Der Prozess gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher
Herbertus Bikker vor dem Landgericht Hagen verkommt zur Farce. Die
Verteidigung plädiert auf Verhandlungsunfähigkeit und spielt auf
Zeit...
haGalil onLine
01-02-2004 |