Der kleine Unterschied:
Martin Hohmann und Henry Nitzsche
Von Andrea Livnat
Die CDU steckt noch mittendrin in der Affäre um Martin
Hohmann, da ziehen schon die nächsten Wolken negativer Pulicity auf, diesmal
aus Richtung Sachsen. Der Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche äußerte sich
in einem Interview zum Wahlverhalten von türkischstämmigen Deutschen und
Muslimen: "Eher wird einem Moslem die Hand abfaulen, als dass er bei der
Christlich-Demokratischen Union sein Kreuz auf den Wahlzettel macht." Der
Zentralrat der Muslime in Deutschland zeigte sich entsetzt. Aus der Union
ließ Wolfgang Bosbach verlauten: "Wir müssen mit Nitzsche genauso ein
ernstes Gespräch führen wie mit Hohmann."
Erst Hohmann und jetzt Nitzsche lesen wir überall und
bekommen damit suggeriert, dass es sich um die gleiche Art der "Entgleisung"
handelt. Dem sei an dieser Stelle vehement widersprochen.
Die Äußerungen von Nitzsche sind mehr als nur "grober Unfug",
wie es aus den Reihen der CDU hieß. Sie zeugen von Ignoranz, Überheblichkeit
und schlichter Ausländerfeindlichkeit. Der Zentralrat der Muslime in
Deutschland hat allen Grund entsetzt zu sein und zu protestieren. Mehr noch
wäre es jedoch die Aufgabe der Nicht-Muslime in Deutschland, gegen derartige
Äußerungen eines Volksvertreters zu protestieren und diese aufs Schärfste zu
verurteilen. Selbstverständlich ist es
Aufgabe der CDU, den Abgeordneten zurechtzuweisen und Konsequenzen aus
seinen Äußerungen zu ziehen. Bülent Arslan, Vorsitzender des
deutsch-türkischen Forums in der CDU von NRW, will nun den Dialog mit
Nitzsche suchen, "um abzuklären, ob eine Zusammenarbeit überhaupt möglich
ist". Die Türkische Gemeinde in Deutschland forderte den Ausschluss
Nitzsches aus der Fraktion und der Zentralrat der Muslime wies darauf hin,
dass es sich nicht um einen Einzelfall handele, die CDU vielmehr am rechten
Rand um Wählerstimmen werbe. Der zweite
Skandal für die Partei innerhalb kurzer Zeit also. Zwischen Hohmann und
Nitzsche gibt es dennoch einen kleinen Unterschied. Nitzsche hat genau das
gemacht, was bei Hohmann nicht der Fall war, er hat sich verplappert. In
einem Interview äußerte er sich unüberlegt und ohne an die Konsequenzen zu
denken. Das soll die Äußerung jedoch keineswegs abmildern oder bedeuten,
dass dahinter keine fremdenfeindliche Weltansicht steht. Dies steht außer
Frage. Martin Hohmann hat sich nicht
verplappert. Er hat sich hingesetzt und eine Rede vorbereitet, die
antisemitische Argumente der übelsten Sorte ausbreitet, und das aus einer
bestimmten Absicht heraus. Hohmann steht in der Tradition eines
revisionistischen Weltbildes, das zwar das Leiden der Juden anerkennt,
daneben aber betont, dass die Deutschen dafür mehr als genug bezahlt haben
und deshalb wird man dies und das doch mal sagen können. Immer wieder
betonte Hohmann, er verstehe die Aufregung nicht, schließlich habe er nur
"Fakten" genannt. "Fakten", die aus dem
geschichtlichen Zusammenhang gerissen wurden, "Fakten", die durch ein paar
Details ergänzt oder bei denen unliebsame Details nicht erwähnt wurden,
"Fakten", die Menschen nach ihrer Rasse klassifizieren, "Fakten", die so
ausgelegt werden, dass "Deutsche" und "Juden" und deren Taten gleichgesetzt
werden und damit den Holocaust relativieren und die Opfer entwürdigen.
Die CDU muss sich in beiden Fällen überlegen, wie sie
reagieren möchte und welche Signale sie damit setzt. Ein
Parteiausschlussverfahren sei ziemlich kompliziert, ließ man verlauten.
Naja, dann haben wir natürlich Verständnis dafür, dass ein
Geschichtsrevisionist mit rechtsextremen Gedankengut und ein Fremdenhasser-
und verhöhner noch mit an Bord sind. Nur keine Umstände!
Im Falle von Martin Hohmann muss eines nochmals mit aller Deutlichkeit
gesagt werden: Es reicht nicht, dass sich Hohmann entschuldigt! Seine Rede
verweist auf eine Weltanschauung, die nichts in der Fraktion einer
demokratischen Partei zu suchen hat. Wenn die CDU bei ihrer Rüge für Hohmann
bleibt, beweist sie, dass sie die Tragweite des Gesagten und die Gefahren
der dahinter stehenden Strukturen nicht begriffen hat oder nicht ernst
nehmen möchte. [FORUM]
Martin Hohmann:
"Ein Mann für Deutschland"
Am 3.Oktober hält der CDU Bundestagsabgeordnete
Martin Hohmann in seinem Fuldaer Wahlkreis eine Rede zum
Nationalfeiertag. Der Titel der Rede: "Gerechtigkeit für Deutschland".
Nachdem er die Stimmung mit populistischen Sprüchen über vermeintliche
"Schmarotzer" angeheizt hat, greift er die Bundesregierung an, da diese
keine Bereitschaft zeige die Entschädigungszahlungen für Überlebende des
NS-Terrors einzuschränken. Danach ergießen sich ausführliche und
blutrünstige Schilderungen angeblicher Untaten "jüdischer Bolschewisten"
über das versammelte Publikum. Am Schluss steht wieder einmal die
Forderung nach einem Schluss-Strich im Raum.
Im Saal hat niemand protestiert und auch in der Presse findet sich zur
Rede kein Widerspruch.
Eine Reaktion auf Hohmanns antisemitischen
Hetzrede folgt erst als Klaus Parker, verantwortlich für die
Bearbeitung des haGalil
Meldeformulars, Teile der Rede in einem rechten Esoterikforum
zitiert findet. Da haGalil sich mit dem in Hohmanns Rede seitenweise
zitierten Buch "Jüdischer
Bolschewismus Mythos und Realität" bereits im September befasst
hatte, war das Thema nicht neu. Neu war höchstens, dass ein Vertreter
einer im Bundestag vertretenen Volkspartei eine so ausgefeilte und
ausführliche Rede in aller Öffentlichkeit, auf einer offiziellen
Veranstaltung, halten konnte.
Wir beschlossen daher auf diese Rede aufmerksam zu machen: "Der
erste
Artikel zur Rede erschien am 27.10.2003 in hagalil.com,
gleichzeitig informierten wir den Fraktionsvorstand der CDU, den
Bundestagspräsidenten, die Presse und eine Mitarbeiterin des Hessischen
Rundfunks. Der erste TV-Bericht erschien kurz darauf im
Hessischen Rundfunk.
Am Abend des 28.10. dann auch in Tagesschau und Tagesthemen.
Die in der deutschen Presse kursierende Behauptung, die Rede sei
erstmals und "rein zufällig einer anonym bleibenden amerikanischen
Jüdin" aufgefallen, ist falsch.
Weitere Artikel zu Martin Hohmann |
hagalil.com 10-11-2003 |