Antisemitismus in Deutschland:
Hohmann und kein Ende
Von Max Brym
Am 14. Oktober 03 wurde Martin Hohmann aus
der CDU/CSU Bundestagsfraktion ausgeschlossen. Die Abstimmung in der
Fraktion ist mehr als deutlich ausgefallen. Von 248 Fraktionsmitgliedern
verweigerten 28, indem sie gegen den Ausschluß votierten, Frau Merkel offen
die Gefolgschaft. Weitere 16 Mitglieder der Fraktion enthielten sich der
Stimme. Jeder fünfte Unionsabgeordnete solidarisierte sich damit deutlich
mit der antisemitischen "Tätervolkrede" des Martin Hohmann.
Der Antisemitismus aus der Mitte der Gesellschaft zeigt
unumwunden sein Gesicht. Der CSU Abgeordnete Norbert Geis aus Aschaffenburg
sprach im Vorfeld der Abstimmung zugunsten Hohmanns, die Rede von Herrn
Hohmann vom 3. Oktober 03 könne keinesfalls antisemitisch bezeichnet werden.
Vorher kritisierte Geis Hohmann allerdings, weil er einen "fähigen General
(Brigadegeneral Günzel) ans Messer lieferte." Ergo, die einzige Kritik, die
Herr Geis an Herrn Hohmann hat, ist dessen Dummheit. Im Geiste sind sie
absolute Brüder, was ein Blick auf die Positionen des Herrn Geis bestätigt.
Geis teilt nicht nur die hohmannsche Mär vom "jüdischen
Bolschewismus", nein auch in anderen Fragen sind sie politische Zwillinge.
Genau wie Hohmann hetzt Herr Geis seit Jahren gegen Sozialhilfeempfänger,
Asylbewerber sowie gegen Homosexuelle, der rechte christliche Fundamentalist
Geis forderte einst aus Gründen der Moral ein "Auftrittsverbot für Madonna
in Deutschland" (SZ- 12.11.03). Die Spitze des reaktionären Wahns bildet
selbstverständlich der Antisemitismus. Dennoch hatte Geis in einer Frage
recht, er beschrieb das Auschlußverfahren Merkels gegen Hohmann so: "Frau
Merkel ist eine Getriebene in dieser Angelegenheit".
Damit traf Geis den Nagel auf den Kopf. Der Ausschluß von
Hohmann ist ein opportunistischer Akt der Unionsführung, er entspricht nicht
der inneren Überzeugung von Koch, Merkel und Stoiber. Demzufolge sollten
auch die Befürworter des Ausschlusses von Hohmann kritisch durchleuchtet
werden. Ursprünglich wollte Frau Merkel Martin Hohmann nur mit einer Rüge
davon kommen lassen, noch am Sonntag den 9. November 03 verteidigte der
hessische Ministerpräsident Koch in einer jüdischen Synagoge in Frankfurt
den Verbleib von Hohmann in der CDU. Viele jüdische Zuhörer verließen
daraufhin unter Protest die Synagoge. Am 10. Oktober 03 sprach sich Herr
Koch plötzlich für den Parteiausschluß Hohmanns aus, die Verantwortung dafür
schob er der CDU-Chefin zu. Koch ließ erkennen, dass ihm die Wende von
Merkel nicht paßt, damit ermunterte er objektiv die "rechtskonservativen
Seilschaften" ihre Deckung zu verlassen.
Fritz Schenk und der Appell für Hohmann
Unter Verantwortung des ehemaligen ZDF-Moderators Schenk
erschien am 14. Oktober 03 eine Anzeige in den wichtigsten Tageszeitungen
des Landes. In der großformatigen Annonce wird zur "Kritischen Solidarität"
mit Hohmann aufgerufen. Die illustre Gesellschaft der Unterzeichner,
allesamt Unionsmitglieder, halten die Aussagen Hohmanns für "strittig und in
Teilen in der Tat für fragwürdig, keineswegs aber für antisemitisch". Neben
CDU-CSU Kreis- und Ortsverbandsfunktionären unterzeichneten durchaus
bekannte und wichtige Unionskader sowie Verleger und Publizisten den Appell
für Martin Hohmann. Neben dem ehemaligen Berliner Innensenator Heinrich
Lummer sind die Verleger Dr. Ingo Resch (CSU- Mitglied), Wolfgang Reschke,
sowie Dr. Herbert Fleissner (Mitglied der CSU München) zu finden.
Fleissner war vor einigen Jahren der wichtigste
Buchverleger in Deutschland, bevor ihm andere den Rang abliefen.
Offensichtlich hat die Vereinigung Geld und versucht den Mob, der sich auf
den CDU-Foren tummelt zu bündeln. Der Union droht eine Austrittswelle und
für diesen Fall werden die Bataillone in Stellung gebracht. Besonders in
Hessen rebelliert die CDU Basis gegen den Ausschluß Hohmanns. Der Landrat im
Kreis Fulda, Kramer, bekundete im ZDF ausdrücklich seine Solidarität mit
Hohmann. Im Wahlkreis des Herrn Hohmann sind Töne zu hören wie: "Wir dürfen
in Deutschland nicht mehr die Wahrheit sagen". Den gleichen Unsinn
plakatierte vor einigen Tagen ein CDU Ratsherr aus Recklinghausen namens
Knobloch an das örtliche CDU Büro.
Gemeinsam ist diesen Phantasten und braunen Irrläufern die
Verwechslung der Wahrheit mit dem Tanz ums Goldene Kalb. Neben der Wahrheit
darf in Deutschland völlig frei jede Menge Unsinn und viel antisemitischer
Müll abgelassen werden. Aber die braunen "Wahrheitsrecken" wollen den
mörderischen Antisemitismus absolut gesellschaftsfähig machen. Indirekt
steht ihnen Koch zur Seite und Frau Merkel sitzt in der Bredouille, denn sie
hat aus opportunistisch taktischen Gründen nach langen inneren Kämpfen, den
manifesten Antisemiten eine kleine Ohrfeige versetzt. Sie hält wie die
Mehrheit des denkenden Bürgertums den offenen Antisemitismus für
geschäftsschädigend. Dem Ansehen Deutschlands im Ausland könnte geschadet
werden..
Nirgendwo denunziert Frau Merkel in der inneren Debatte
die Position Hohmanns als antisemitisch. Sie spricht von "unerträglichen
Äußerungen", aber nicht vom Antisemitismus des Herrn Hohmann. Unerträglich
kann aber vieles sein, Frau Merkel legte sich nicht fest, da sie das latent
antisemitische Potential in ihrer Partei kennt. Diese Klientel will sie in
ihrem taktischen Getänzel nicht völlig verprellen. Das Spiel wird
wahrscheinlich nicht aufgehen, offene und latente Antisemiten haben in der
Union eine feste Basis. Wenn eine antisemitisch rechtskonservative
Mobilisierung durch die Aktivitäten der Appelleute und dem Mob gelingen
sollte, hat das "Mädel" (Helmut Kohl über Merkel) ausgespielt. Um das zu
verhindern wird die Union weiter im Sinne Hohmanns nach rechts rücken. Das
"Mädel" Merkel sitzt zwischen allen Stühlen, sie hat sich nicht nur selbst
austacktiert, sondern durch ihre opportunistische Lüge, "Hohmanns Positionen
nicht genau gekannt zu haben", der Lächerlichkeit preisgegeben.
Hohmann, Merkel und Stoiber
Zuerst wollte Frau Merkel den Fall Hohmann im Stile Helmut
Kohls aussitzen. Martin Hohmann wurde nur eine Rüge erteilt, nachdem seine
antisemitische Rede nicht mehr ignoriert werden konnte. Die bewußte Toleranz
gegenüber Hohmann hat in der CDU Tradition. Herr Hohmann nannte die
Zwangsarbeiterentschädigung ein "übermäßiges Moralisieren". Das Holocaust-
Mahnmal nannte er "Selbstächtung", seit 2002 war der Antisemit Hohmann
offiziell "Entschädigungsbeauftragter" der CDU. Bevor Martin Hohmann der
Wahlkreis Fulda, der Stimmkreis von Alfred Dregger, zugesprochen wurde war
Hohmann Bürgermeister in Neuhof bei Fulda.
Dort hielt er seit Jahren
Reden zum 3. Oktober, vor den Reden wurden alle drei Strophen des
"Deutschlandliedes" abgesungen. Das Holocaust
Mahnmal in Berlin lehnte Hohmann ab und stimmte im Jahr 1999 mit einer
latent antisemitischen Begründung dagegen. Hohmann war "Referent für
Zwangsarbeiterentschädigung in der Bundestagsfraktion". Seine Töne, wonach
"die Leistungen reduziert werden müßten", drangen mit Sicherheit an das Ohr
Merkels. Frau Merkel teilte und tolerierte dies. Ihre jetzige Wende ist
unglaubhaft und die offenen Rechten in der Union fühlen sich zurecht
verraten.
Es wird schwierig für Frau Merkel, aber auch Herrn Stoiber
sollte die Frage nicht erspart werden, wie er mit den CSU Mitgliedern
umgeht, die Hohmann toll finden. Sagte doch Stoiber am 9. November 03 in
München: "Herr Hohmann steht außerhalb des Verfassungsrahmens". Wenn Edmund
Stoiber nicht gegen die offenen Antisemiten wie Geis vorgeht, dann bleibt zu
fragen, inwieweit Stoiber seine eigenen Worte ernst nimmt, oder ob es nicht
doch nur philosemitische Heuchelei ist, die Stoiber absondert.
hagalil.com
16-11-2003 |