Aufruf zum 20. Juli:
Nie wieder Auschwitz
Holocaustüberlebende verurteilen den Richterspruch aus Karlsruhe zugunsten
des Antisemitismus
Erstmals seit 1945 wurde es in einer deutschen
Großstadt, in Bochum, möglich, dass Nazis mit einer antijüdischen
pogromhetzerischen Zusammenrottung gegen die Existenz einer Synagoge
aufmarschierten und rassistische antijüdische Losungen brüllten.
Darauf weisen Überlebende des deutschen Widerstandes und
der NS-Verfolgung in einem Aufruf zum 20. Juli hin: „Wir Opfer des
Faschismus, Überlebende des Holocaust und Teilnehmer am antifaschistischen
Widerstand von Anfang an und ihre Angehörigen sehen uns angesichts dieser
bisher einmaligen, von höchsten Karlsruher Richtern gebilligten
ungeheuerlichen Provokation erneut in der Verantwortung.“ Das
Bundesverfassungsgericht habe mit seiner Entscheidung des 1. Senats vom
24. Juni den Antisemitismus und Faschismus zu „missliebigen“, aber
zulässigen „Meinungsäußerungen“ umgefälscht.
„Jeder und jede ist zum Widerstand dagegen aufgerufen,“
heißt es in der Erklärung, die von führenden Repräsentanten der Föderation
des Internationalen Widerstandes (FIR), der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes/BdA sowie von Lagergemeinschaften und vom deutschen
Auschwitzkomitee unterschrieben wurde. Die Überlebenden von Verfolgungen
wie Esther Bejarano (Auschwitz), Dr. Hans Coppi (überlebte als Kind im
Gefängnis), Peter Gingold (Resistance), Kurt Goldstein (Auschwitz und
Buchenwald) und Ernst Grube (Theresienstadt) rufen dazu auf, die
„Befolgung von Befehlen und Richtersprüchen, die faktisch Förderung von
Antisemitismus und Faschismus darstellen,“ als „ nicht mit dem Grundgesetz
vereinbar“ abzulehnen.
Daher soll am 20. Juli um 17 Uhr vor dem Bochumer
Polizeipräsidium (Nähe Bergbaumuseum) an den Widerstand gegen den
Faschismus erinnert werden, der diesmal rechtzeitig nötig sei. Auch beim
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wollen die Unterzeichner
protestieren.
Ihr Aufruf hat den
Wortlaut:
Nie wieder Auschwitz
Gegen die antisemitische Provokation von Bochum / Gegen den Richterspruch
aus Karlsruhe zugunsten des Nazismus und Antisemitismus / Für das
Widerstandsrecht und die Verfassung.
Erstmals seit 1945 wurde es in einer deutschen Großstadt
möglich, dass Nazis mit einer antijüdischen pogromhetzerischen
Zusammenrottung gegen die Existenz einer Synagoge aufmarschierten,
rassistische antijüdische Losungen brüllten. Der Hinweis von
Antifaschisten auf die mörderische Kontinuität der Aufmarschierenden vom
26. Juni 2004 in Bochum wurde von diesen mit „Dank für das Kompliment“
beantwortet.
Wir Opfer des Faschismus, Überlebende des Holocaust und
Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand von Anfang an und ihre
Angehörigen sehen uns angesichts dieser bisher einmaligen, von höchsten
Karlsruher Richtern gebilligten ungeheuerlichen Provokation erneut in der
Verantwortung.
Gerade weil wir für die Einhaltung und Erhaltung des
Grundgesetzes eintreten, können wir nicht hinnehmen, dass wieder deutsche
Juristen, in einer schrecklichen Tradition stehend, diesen antisemitischen
Aufmarsch zum Ausdruck der Meinungsfreiheit umfälschen.
Wenige Tage vor dem 20. Juli, der von vielen als
Jahrestag des deutschen Widerstandes begangen wird, rufen wir auf:
Antisemitismus und Faschismus sind keine Meinungsäußerungen – sie
sind Verbrechen.
Jeder und jede ist zum Widerstand dagegen aufgerufen.
Die Befolgung von Befehlen und Richtersprüchen, die
faktisch Förderung von Antisemitismus und Faschismus darstellen, ist nicht
mit dem Grundgesetz, mit der Menschenwürde (Artikel 1) und dem Recht auf
Widerstand (Artikel 20) vereinbar.
Wir rufen dazu auf, am 20. Juli an vielen Orten für den
antifaschistischen Widerstand, gegen den Antisemitismus zu demonstrieren,
und zwar insbesondere mit Aktionen vor dem Bochumer Polizeipräsidium und
mit Protesten beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Esther Bejarano, Hamburg (Vorsitzende des
Auschwitz-Komitees in der BRD; Überlebende KZ Auschwitz und Ravensbrück) -
Dr. Hans Coppi, Berlin (als Kleinkind im Gefängnis, Eltern wurden
hingerichtet) - Alice Czyborra, Essen (überlebte als Kind im Versteck in
Frankreich) - Josef Gerats, Halle (Überlebender des Holocaust) - Peter
Gingold, Frankfurt am Main (Teilnehmer am Widerstand in Deutschland,
Frankreich und Italien, Überlebender des Holocaust) - Silvia Gingold,
Melsungen (Angehörige von Überlebenden des Holocaust) - Kurt Goldstein,
Berlin (Ehrenvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes/Bund der Antifaschisten, Teilnehmer am deutschen und
internationalen Widerstand, Überlebender KZ Auschwitz und Buchenwald) -
Ernst Grube, München (Überlebender KZ Theresienstadt, Landessprecher der
VVN-BdA Bayern) - Hella und Werner Händler, Berlin (Überlebende des
Holocaust) - Adam und Maria König, Berlin (Überlebende KZ Auschwitz) -
Jutta Koller, München - Martin Löwenberg, München (Überlebender des
Holocaust, Mitglied des Landesvorstandes der VVN-BdA Bayern) - Gisela
Lindenberg, Berlin (Angehörige von Opfern des Holocaust) - Franz Meisl,
Augsburg (Verfolgter des NS-Regimes, Mitglied des Landesvorstandes der
VVN-BdA Bayern) - Hans Reichow, Berlin (Angehörige von Opfern des
Holocaust) - Paul Simon, Halle - Hans Soldin, Gernrod - Alice Stern, Halle
(Überlebende des Holocaust) - Hans Taschner, Inning (ehemaliger Häftling
des KZ Dachau, Mitglied des Präsidiums der Lagergemeinschaft Dachau) -
Marianne Wilke, Wedel (rassisch Verfolgte des Naziregimes,
Landesvorsitzende der VVN-BdA Schleswig-Holstein) - Hedwig Wüsten, Berlin
(Überlebende des Holocaust)
Diesem Aufruf schließen sich u.a. an:
Jupp Angenfort, Ulrich Sander, Jochen Vogler
(Landessprecher der VVN-BdA NRW) - Ernst Antoni, München (stv.
Bezirksvorsitzender von Ver.di München, Geschäftsführer der VVN-BdA
Bayern) - Gabriele Beleke, Bochum - Ariane Dettloff, Köln - Wolfgang
Dominik, Bochum - Hartmut Drewes, Bremen (Pastor i. R.) - Martina Eiffler,
Freiburg - Prof. Dr. Ludwig Elm, Vorsitzender des Thüringer Verbandes
VdN-BdA e. V. - Klaus Bruno Engelhard, Schwarzenbach - Prof. Dr. Dieter
Fehrentz vom Vorstand der VVN-BdA Heidelberg (sowie die
Vorstandsmitglieder Vera Glitscher, Wilfried Furian, Hans-Joachim Kahlke,
Tim Jäkel, Gerhard Steinmann, Cora Yakpo-Wetzel) - Prof. Dr. Heinrich
Fink, Vorsitzender VVN-BdA - Ulrich Freiberg, Halle - Birgit Gärtner,
Hamburg - Willi Gerns und Uwe Scheer, Kuratorium Gedenkstätte Ernst
Thälmann, Hamburg - Heinz Gobrecht, Wiesbaden (NGG-Gewerkschaftssekretär)
- Christine Hechler, Freiburg - Dieter Heilmann, Halle - Horst Helas,
Berlin (Mitglied des Sprecherrates der AG Rechtsextremismus/Antifaschismus
beim Parteivorstand der PDS) - Annika Holze - Manfred Humprecht,
BdA-Landesvorsitzender Sachsen Anhalt - Cornelia Kerth, Vorsitzende
VVN-BdA - Axel Köhler-Schnura, Düsseldorf - Katja Krause, Berlin - Dr.
Ursula Krause-Schmitt und Heiko Lüßmann für den Vorstand des
Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945 e.V. - Christiane Kröll,
Vorsitzende des Deutschen Freidenkerverbandes OV München - Manfred
Kugelmann, Oberhausen (Sprecher der VVN-BdA Oberhausen) - Klaus Kunold,
Vorstand der VVN-BdA Kreisvereinigung Bochum, und die Vorstandsmitglieder
Lutz Berger, Günter Gleising, Elke Junge, Manuel Traber - Frank
Laubenburg, Mitgl. Rat der Stadt Düsseldorf, PDS/Linke Liste, Enkel eines
ukrainischen Zwangsarbeiters - Gesa und Horst Metzger, Wedel - Norbert
Müller, Landesvorsitzender des Deutschen Freidenkerverbandes LV Hessen -
Anne Rieger, Landessprecherin der VVN-BdA Baden-Württemberg, 2.
Bevollmächtigte der IG Metall Waiblingen - Michael Rose-Gille,
Landessprecherkreis Biedersachsen der VVN-BdA - Dr. Ulrich Schneider,
Generalsekretär der Internationalen Föderation des Widerstandes FIR -
Anabel Schnura, Düsseldorf, Christiane Schnura, Düsseldorf, Leonie
Schnura, Düsseldorf, Mareike Schnura, Düsseldorf - Silvia Schulze,
Sprecherin Kreis Karlsruhe der VVN-BdA - Ingeborg und Heinz A. Siefritz,
Umkirch - Hans Jürgen Steinmann, Halle - Harald Wittstock, Vorsitzender
der Kämpfer und Freunde der spanischen Republik 36-39 e.V. - Rosel
Vadehra-Jonas, Vorsitzende der Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis
e.V. - Ingrid und Gerhard Zwerenz
Verantwortlich: Peter Gingold, Frankfurt/Main
Erklärung Bochumer Antifaschistinnen und
Antifaschisten, des Friedensforums und der VVN-BdA
Widerstand leisten:
Bevor es zu spät ist
Wieder einmal wird der 20.Juli mit vielen Reden
und Berichten zum Widerstand gegen das Hitlerregime begangen. Es ist
gleichgültig, wie man zu den Motiven der Offiziere steht, unstrittig ist,
dass dieser Widerstand viel zu spät kam...
"Unser Claus":
Der
20.Juli 1944 als Instrument deutscher "Erinnerungskultur"
"Traditionsbildung", also das Anknüpfen an eine zum Mythos verklärte
Geschichte, in der nach dem Vorjahresrummel um das "Wunder von Bern" nun
Jubilar Stauffenberg zum Identifikationspunkt stilisiert wird, ist das
Schlüsselwort...
hagalil.com
19-07-04 |