Ein neuer Vorschlag für ein Waffenstillstandsabkommen liegt auf dem Tisch. In enger Anlehnung an den bestehenden Witkoff-Plan, benannt nach US-Präsident Trumps Sondergesandten für den Nahen Osten Steve Wittkoff, wurden einige Veränderungen vorgenommen. Israel hat diesem Vorschlag zugestimmt und ist bereit, eine Verhandlungsdelegation zu entsenden. Die Antwort von Hamas steht noch aus, in einer offiziellen Mitteilung gestern Abend hieß es, es würde Konsultationen mit der Hamas-Führung und den anderen palästinensischen Fraktionen geben.
Angespanntes Warten auf ein mögliches Abkommen, das zwar immerhin etwas voranbringen würde, für die in Gaza verbliebenen Geiseln und deren Familien aber ein bittere Nachricht ist. Denn dieses Abkommen würde zunächst nur die Hälfte der noch lebenden Geiseln nach Hause bringen, wieder ist es kein umfassendes Abkommen, wieder wird es eine Art „Selektion“ geben und die Hälfte der Familien wird kein weiter ohne konkrete Aussichten im Stich gelassen.
Das Abkommen umfasst 60 Tage. Am ersten Tag soll Hamas acht lebende Geiseln freilassen, die IDF zieht sich im Gegenzug aus dem Norden des Gazastreifens zurück. Am fünften Tag werden die Leichen von fünf toten Geiseln übergeben, die IDF wird sich auch aus Gebieten im Süden des Gazastreifens zurückziehen. Am 30. Tag werden fünf weitere Leichen von toten Geiseln übergeben. Erst am 50. Tag werden zwei weitere lebende Geiseln freigelassen, am 60. Tag acht weitere Leichen von toten Geiseln übergeben.
Erst wenn all das funktioniert und wenn es innerhalb dieser 60 Tage erfolgreiche Verhandlungen über ein Ende des Krieges gibt, werden die übrigens Geiseln freikommen. Weitere 10 lebende Geiseln und 12 Leichen von verstorbenen Geiseln verbleiben solange in Gaza.
Immer wieder drängen die Familien der Geiseln auf ein umfassendes Abkommen. Denn so viel ist klar, alle verbliebenen 50 Geiseln sind humanitäre Fälle – die noch lebenden befinden sich in unmittelbarer Lebensgefahr, weitere zwei Monate haben sie nicht. Und die bereits verstorbenen drohen, für immer zu verschwinden.
Trotzdem ist der Vorschlag, den nun vorliegt, das Einzige, auf was die Familien hoffen können. Der saudi-arabische Sender Asharq Al-Awsat berichtete, dass Hamas sich erstmals flexibel in zwei grundlegenden Fragen zeigt. Demnach soll es unter Garantien von Ägypten und Katar in Zukunft keinen Waffenschmuggel und keinen Tunnelbau mehr geben, eine kleine Gruppe von Hamas-Führungspersönlichkeiten sei außerdem bereit, den Gazastreifen zu verlassen.
Für Israel, bzw. Premier Netanyahu hat US-Präsident Trump gute Anreize. Trump hatte in der vergangenen Woche signalisiert, dass es weitere Länder gebe, die den sog. Abraham Abkommen beitreten werden, was eine weitere Normalisierung Israels in der Region bedeuten würde und gleichzeitig als Netanyahus großes Vermächtnis gesehen werden muss. Bereits der erfolgreiche Krieg gegen den Iran hat Netanyahu erstmals wieder Zulauf in Umfragen beschert, eine Ausweitung der Abraham Abkommen würde diesen Trend sicher verstärken.
Neun der noch verbliebenen Geiseln stammen aus Nir Oz. In Nir Oz wurde jeder Vierte der 400 Bewohner ermordet oder entführt. 75 Menschen wurden lebend aus Nir Oz entführt, unter ihnen auch zwölf ausländische Arbeiter. Gestern besucht Netanyahu gemeinsam mit seiner Frau erstmals den Kibbutz Nir Oz. Ein Schelm, wer da kein innenpolitisches Kalkül dahinter sieht. Wie sonst kann man erklären, dass der Premierminister ausgerechnet den Kibbutz, der am 7. Oktober am stärksten betroffen war, im Laufe der 636 Tage seitdem nicht besuchte. Obwohl er immer wieder eingeladen wurde. Nenatyahu hat das Kriegsende offensichtlich bereits fest eingeplant. Und damit auch den Wahlkampf gestartet.