In der Nacht von Donnerstag auf Freitag griff die israelische Luftwaffe militärische Ziele im Iran an. Mehrere Anführer der berüchtigten Revolutionsgarden sollen dabei getötet worden sein. Nun drohen die Mullahs mit Vergeltung.
Von Ralf Balke
Es lag in der Luft. Als in den frühen Morgenstunden Kampfflugzeuge der israelischen Luftwaffe Ziele im Iran ins Visier nahmen, hatten die Spekulationen ein Ende. Denn monatelang kursierten Gerüchte, dass Israel die Mullahs bald angreifen werde. Offen war ebenfalls die Frage, ob dies im Alleingang geschehe oder gemeinsam mit den Vereinigten Staaten, dem wichtigsten Verbündeten. Denn über viele Jahre hinweg hatte Teheran nicht nur den Terror gegen Israel gepredigt, sondern auch ganz real praktiziert – entweder durch Mordaktionen der eigenen Revolutionsgarden oder aber mithilfe der vielen Marionetten und Verbündete in der Region, die man massiv aufrüstete, allen voran die Hisbollah, die Hamas, die Houthis oder das syrische Assad-Regime. Zudem initiierte man ein umfangreiches Atomprogramm, das nun aus iranischer Perspektive umso wichtiger wurde, da die Proxies empfindliche Niederlagen einstecken mussten oder ganz verschwanden, beispielsweise wie der syrische Diktator.
Des Weiteren sorgte ein neuer US-Präsident für reichlich Unruhe. Mal hieß es, dass Donald Trump Israel von seinen Plänen, die Atomanlagen des Irans zu zerstören, abbringen konnte, weshalb er auch eine Neuauflage des Obama-Deals von 2015 anstrebte, mal erklärte Washington, dass dem Iran reichlich Ungemach drohe, wenn es mit seinen nuklearen Ambitionen einfach weitermachen würde wie bisher. In dieser Woche entwickelte sich die Lage innerhalb von Stunden dramatisch: Am Donnerstag verurteilte die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) zum ersten Mal seit 20 Jahren den Iran, weil das Land seine Verpflichtungen zur Nichtverbreitung von Kernwaffen nicht eingehalten hat. Tags zuvor wurde bekannt, dass Mitarbeiter der US-Botschaft in Bagdad sowie Familienangehörige von militärischem Persona am Golf evakuiert wurden. Und in Israel sollten amerikanische Diplomaten sich nicht außerhalb von Tel Aviv, Jerusalem und Beer Sheva aufhalten.
Als US-Präsident Donald Trump dann – ebenfalls am Donnerstag – von Journalisten nach einem möglichen israelischen Militärschlag auf den Iran angesprochen wurde, lautete seine Antwort kryptisch: „Ich möchte nicht sagen, dass so etwas unmittelbar bevorsteht, aber es ist etwas, das sehr wohl passieren könnte.“ Dennoch glaubten manche, dass all dies Teil einer Kampagne sei, um im Vorfeld der sechsten Runde der Atomgespräche zwischen dem US-Sondergesandten Steve Witkoff und dem iranischen Außenminister Abbas Araghchi, die am Sonntag stattfinden sollte, weiter Druck aufzubauen. Donald Trump drohe mit einem israelischen Militärschlag, um Teheran zu umfassenden Zugeständnissen zu zwingen, so viele Einschätzungen.
Seit einigen Stunden weiß man, dass das alles nun sehr real ist. Der israelische Angriff hat stattgefunden. Und der Militärschlag war massiv. Um 3 Uhr Ortszeit waren nach Angaben der Armee mehr als 200 Kampfflugzeuge der israelischen Luftwaffe gestartet, um über einhundert Ziele in mehreren Orten im Iran zu attackieren, wobei vor allem die Führungsriege der Iranischen Revolutionsgarden getroffen werden sollte. Die Operation bekam auch einen Namen, und zwar „Rising Lion“. So weit bis dato bekannt wurde, gelang es den Israelis nicht nur, Hossein Salami, den Obersten Befehlshaber der Revolutionsgarden sowie Mohammad Bagheri, ihren Generalstabschef, zu töten. Ferner traf es Amir Ali Hadschisadeh, den Kommandeur der Luftwaffe der Revolutionsgarden, Gholam Ali Rashid, Kommandeur im sogenannten Khtana al-Anbiya Hauptquartier, wo militärische Operationen geplant werden, sowie zwei hochrangige Wissenschaftler des Atomprogramms, Mohammed Mehdi Tehranchi und Fereidoun Abbasi. Und Ali Shamkhani, ein enger Berater von Ayatollah Khamenei wurde schwer verletzt.
Overnight Israeli strikes reportedly hit key Iranian sites, including the Natanz nuclear facility.
June 13, 2025 satellite imagery from @AirbusDefence shows significant damage. pic.twitter.com/uIZ7GKaUy0
— Clash Report (@clashreport) June 13, 2025
Zwar wurden Explosionen aus Natanz gemeldet, wo sich eine wichtige Nuklearanlage zur Anreicherung von Uran befindet, sowie mehrere Treffer in Teheran und Umgebung. Ob und in welchem Umfang Einrichtungen getroffen wurden, die im Kontext mit dem Atomprogramm stehen, ist derzeit noch unklar. Die Atomenergie-Organisation spricht von Schäden in Natanz, ohne aber ins Detail zu gehen. Das israelische Militär erklärte ferner, dass man Dutzende Radaranlagen und Boden-Luft-Raketen-Abschussanlagen erfolgreich zerstört habe. Auch weitere Details der Operation wurden mittlerweile bekannt gegeben. So habe der Mossad im Iran selbst einen Stützpunkt für mit Sprengstoff beladene Drohnen eingerichtet, die man zuvor ins Land geschmuggelt und im Vorfeld des israelischen Angriffs aktiviert hatte, um iranische Stellungen auszuschalten, von denen eine Gefahr für Israel ausgehen könnte. Zudem operierten wohl Teams des Mossad im Zentraliran und gingen gegen die dortige Luftabwehr vor.
In einer Videobotschaft am frühen Morgen begründete Benjamin Netanyahu das israelische Vorgehen. „In den letzten Jahren hat der Iran genug hochangereichertes Uran für neun Atombomben produziert“, erklärte Israels Ministerpräsident. „Der Iran hat Schritte unternommen, die er noch nie zuvor unternommen hat. Schritte, um dieses angereicherte Uran waffenfähig zu machen, und wenn er nicht gestoppt wird, könnte der Iran in sehr kurzer Zeit eine Atomwaffe herstellen. Das könnte ein Jahr dauern. Es könnte aber auch innerhalb weniger Monate passieren.“ Deshalb habe man präventiv zugeschlagen. „Indem wir uns verteidigen, verteidigen wir auch andere. Wir verteidigen unsere arabischen Nachbarn. Auch sie haben unter der Kampagne des Chaos und des Gemetzels des Iran gelitten.“
Am Freitagvormittag betonte die israelische Armee, dass es sich bei dem nächtlichen Angriff auf den Iran nicht um eine begrenzte Operation handelte, sondern um einen schon lange geplanten Kriegseinsatz. „Dies ist ein Angriff, den wir über viele Monate hinweg vorbereitet haben – auch in der Zeit, als wir gleichzeitig im Gazastreifen, im Libanon und im Jemen operierten“, so die IDF in einer Erklärung. „Die Einsatzbedingungen wurden sorgfältig ausgewählt, und der Zeitpunkt ist optimal, um unsere Ziele zu erreichen und den Feind zu überraschen“, heißt es in der Erklärung weiter. Man reagiere damit aktiv auf eine konkrete Bedrohung: „Seit über 600 Tagen fangen wir Drohnen ab, aber das funktioniert nicht zu einhundert Prozent. Der Iran verfügt über erhebliche Fähigkeiten.“
Der Iran reagiert auf den israelischen Luftschlag mit etwa einhundert Drohnen, die Richtung Israel auf den Weg gebracht wurden, die jedoch alle vom Himmel geholt wurden. Dort hatte es bereits in der Nacht eine Art Probealarm geben, um die Bevölkerung darauf vorzubereiten, dass es in den kommenden Stunden oder auch Tagen Ernst werden kann. Die Schulen blieben geschlossen, größere Zusammenkünfte sind derzeit verboten und Krankenhäuser auf den Notfallbetrieb umgestellt, sprich viele Patienten in die Tiefgaragen verlegt. Auch die diesjährige Tel Aviver Pride wurde abgesagt. Selbst El Al stellte alle Flüge ein beziehungsweise leitete Maschinen, die nach Tel Aviv unterwegs waren, auf Flughäfen in anderen Ländern um. Arkia, die andere größere Luftfahrtgesellschaft, bewegte ihre Maschinen weg vom Ben-Gurion-Airport, der ohnehin aus Sicherheitsgründen evakuiert wurde. Last but not least sagte die Botschaft Israels in Berlin, dass sie aus Sicherheitsgründen bis auf Weiteres geschlossen bleibe. Es dürfte nicht die einzige diplomatische Vertretung sein, die temporär ihre Pforten schließt.
Mittlerweile verurteilte der iranische Präsident Masoud Pezhakian die Anschläge und schrieb auf X, dass die „zionistische Entität ihre Taten bereuen wird“. Er bekräftigte, dass seine Regierung nach den Bombenangriffen „die Verantwortung für den Schauplatz des Geschehens übernommen haben“. Und gegen Mittag erklärte Irans Außenminister Abbas Araghchi, dass sein Land das Vorgehen Israels als „Kriegserklärung“ betrachte. Der Iran werde Vergeltung üben. Wie und wann genau, das wurde nicht präzisiert. Denn eine weitere Unbekannte in der aktuellen Konfrontation stellt das Verhalten der Vereinigten Staaten da. US-Präsident Donald Trump sagte einige Stunden nach Bekanntwerden des israelischen Angriffs, dass „die USA sich und Israel verteidigen werden, wenn der Iran Vergeltung üben sollte“. Im Gespräch mit Bret Baier von Fox News sagte Trump: „Der Iran kann keine Atombombe haben und wir hoffen, dass wir an den Verhandlungstisch zurückkehren können. Wir werden sehen. Es gibt jedenfalls einige Leute in der Führung, die nicht mehr zurückkommen werden.“ Offen ist daher, ob Teheran wie mehrfach in der Vergangenheit angekündigt, amerikanische Militäreinrichtungen in der Region angreifen wird, weil man Washington der Komplizenschaft mit Israel verdächtigt, oder nicht. US-Außenminister Marco Rubio jedenfalls stellte bereits klar, dass die Vereinigten Staaten nicht involviert gewesen seien und Israel im Alleingang gehandelt hätte.
Was bis jetzt nur mit Sicherheit gesagt werden kann: Die Hisbollah als alte Marionette der Mullahs will sich aus dem Konflikt raushalten und nicht an der Seite Teherans aktiv werden, zumindest im Moment. Und auch in dieser Runde hat sich gezeigt, dass das militärische Abwehrpotenzial Teherans ziemlich beschränkt zu sein scheint und Israel bis jetzt sehr effektiv alle iranischen Versuche, mit Drohnen Schaden anzurichten, bekämpfen konnte. Aber auch das ist nur eine Momentaufnahme.