
Als Keimzelle der jüdischen Sportbewegung in Deutschland gilt der 1898 in Berlin gegründete Jüdische Turnverein Bar Kochba, benannt nach dem Anführer des jüdischen Aufstandes gegen die römische Herrschaft im antiken Palästina im Jahr 132 n. u. Z. Neben der sportlichen Betätigung galt den Mitgliedern als Vereinsziel daher auch die Förderung einer „national-jüdischen Gesinnung“. Daran erinnerte der Historiker Kurt Schilde in seinem 1988 erschienenen Buch „Mit dem Davidstern auf der Brust. Spuren der jüdischen Sportjugend in Berlin zwischen 1898 und 1938“. Seine lokalhistorische Arbeit war gleichsam der Startschuss für weitere regionale, aber auch nationale Studien zum jüdischen Sport in Deutschland: Von den Anfängen bis zur Zerschlagung der jüdischen Vereine durch das NS-Regime im Jahr 1938.
Schildes Schwerpunkt liegt auf der Dokumentation der zionistisch orientierten Makkabi-Bewegung, die mit der Gründung von Bar Kochba in Berlin ihren Anfang nahm. Getreu der Forderung von Max Nordau „über ein zu schaffendes Muskeljudentum“ betrachteten sich die Sportler daher auch als ein Korrektiv des „jüdischen Intellektualismus“ und wollten somit eine Harmonie zwischen Körper und Seele erreichen.
Zwar gehörte die Mehrzahl der jüdischen Sportler bis zur „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten den allgemeinen, bürgerlichen oder Arbeiter- Sportvereinen an, doch mit dem Ausschluss aus diesen Klubs mussten sie, wenn sie sich weiterhin sportlich betätigen wollten, den jüdischen Vereinen beitreten. Mit dieser brutalen Ausgrenzungspolitik ging aber auch ein von Überlebenswillen geprägter Aufschwung des jüdischen Vereinsleben einher. Diese kurze Scheinblüte – aber auch den Untergang dieser Bewegung – zeichnet Kurt Schilde sachkundig nach. Seine Spurensuche, die reichlich zeitgenössische Fotos und Dokumente enthält, war seit Jahrzehnten vergriffen und nur schwer antiquarisch zu bekommen. Daher war ein Nachdruck dieser Pionierarbeit schon lange überfällig. Allerdings hätte der Neuauflage eine Aktualisierung gut zu Gesicht gestanden, insbesondere hinsichtlich des ergänzenden Textes „Jüdische Sportlerinnen und Sportler in Deutschland“ von Hans Joachim Teichler, der bereits vor zehn Jahren in einem Sammelband erschienen ist. Gleichwohl ist die Publikation eine Bereicherung jeder Bibliothek – nicht nur für Sporthistoriker! – (jgt)
Kurt Schilde, Mit dem Davidstern auf der Brust. Spuren der jüdischen Sportjugend in Berlin zwischen 1898 und 1938, 136 S., 73 Abb., vbb Berlin 2024, 20,00 €, Bestellen?