Der „Antisemitismus und die AfD“ wird von Stefan Diehl, freier Journalist, in einer so betitelten knapp gehaltenen Monographie thematisiert. Dabei werden zahlreiche Beispiele genannt, welche aber genauer hätten analysiert werden können.
Von Armin Pfahl-Traughber
Die AfD bemüht sich um ein pro-jüdisches und pro-israelisches Image. Doch werden ihr diese Bezüge von den Gemeinten nicht abgenommen: Jüdische Organisationen warnen vor der Partei, Annäherungen aus Israel an sie gibt es nicht. Ihr Antisemitismus kann als Grund dafür gesehen werden. Dies meint jedenfalls Stefan Dietl, ein auch gewerkschaftlich aktiver freier Journalist. „Antisemitismus und die AfD“ ist sein Buch zum Thema, worin er einschlägige Auffassungen innerhalb der Partei thematisieren möchte. Für den Autor besteht hier ein Defizit in der bisherigen Literatur, die sich kritisch mit der AfD und deren Positionen zu unterschiedlichen Themen auseinandersetzt. Dietl bemerkt sogar, dass sich durchgängig ebendort Antisemitismus finde: Diese Auffassung möchte er in einzelnen Kapiteln veranschaulichen, wobei diese auf bestimmte Diskursvarianten bezogen sind: den Geschichtsrevisionismus, die Israelfeindlichkeit, die Kapitalismuskritik, die Konspirationsvorstellungen oder den Neoliberalismus.
Diese Ausführungen machen anhand von vielen Beispielen deutlich, dass antisemitische Einstellungen in der Partei bestehen. Sie artikulieren sich meist nicht in manifester Form, eher finden sie sich in Narrativen. Dazu listet Dietl viele Fallbeispiele auf, welche sich mal auf niedrigere Funktionsträger und mal auf prominente Repräsentanten beziehen. Dies gilt etwa für die Beschwörung von „globalistischen Eliten“ oder eines „Großen Austauschs“, wohinter latente antisemitische Einstellungen mit manifesten Wirkungsmöglichkeiten steckten. Dietl bedauert dabei das fehlende Interesse, bezögen sich doch auch Kritiker häufig auf ganz andere Themen. Zurückgeführt wird diese Desinteresse auf „blinde Flecken“ in der „antifaschistischen Linken“, würden sie doch Antisemitismus wie die meisten anderen Diskriminierungsformen ansehen, während die Funktion als jeweiliges Welterklärungsmodell verkannt werde. Darüber hinaus ignoriere man andere Antisemitismusformen, sowohl mit einer islamischen wie linken Prägung.
All diese Aussagen präsentiert Dietl auf lediglich 113 Textseiten. Er liefert auch viele Beispiele für das jeweils Gemeinte und seine Grundposition kann durchaus Richtigkeit beanspruchen. Gleichwohl ist das Buch aus einer analytischen Perspektive nicht gar so gelungen. So steht am Anfang etwa keine Antisemitismus-Definition, welche die folgende Argumentation auch im inhaltlichen Sinne besser nachvollziehbar machen würde. So können geschichtsrevisionistische oder verschwörungsideologische Aussagen einen antisemitischen Hintergrund haben, sie müssen aber nicht notwendigerweise über eine solche Prägung im Selbstverständnis verfügen. Hier wäre jeweils eine genauere Begründung nötig gewesen, wirkt das Dargestellte doch häufig als lediglich postuliert. Formal kommt bei Dietl hinzu, dass er häufig nicht direkt mit den Primärquellen arbeitet. Er beginnt etwa mit dem Fall Gedeon, referiert und zitiert aber dessen Bekundungen meist nur über die Sekundärliteratur. Auch spätere Analysen werden eher zitiert und weniger eigenständig entwickelt.
Die Auffassung, wonach sich insbesondere die „Antifaschisten“ mit dem hier gemeinten Antisemitismus nicht näher beschäftigt haben, trifft sicherlich in der Gesamtschau zu. Es gab aber sehr wohl schon frühe Analysen zum Thema, sei es durch den „Unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus des Deutschen Bundestags“, sei es im „Jahrbuch für Antisemitismusforschung“. Diese Beiträge tauchen bei Dietl in den Fußnoten gar nicht auf. Sie behandeln indessen eine Frühgeschichte, die auch für das Thema wichtig gewesen wäre. Diese formalen Defizite sprechen nicht gegen die Gesamtauffassung, wonach eben Antisemitismus stark in der Partei vorhanden ist. Gleichwohl wären hier genauere Belege und Erläuterungen wünschenswert gewesen. Auch hätte die Arbeit mehr das Ausmaß berücksichtigen können, das an antisemitischen Einstellungen bei der Wählerschaft präsent ist. Gelungen sind demgegenüber die Ausführungen zu den Funktionen und zur Instrumentalisierung angeblicher „Israel- und Judenfreundlichkeit“ durch die Partei.
Stefan Dietl, Antisemitismus und die AfD, Berlin 2025 (Verbrecher Verlag), 135 S., Euro 16,00, Bestellen?