„Eine Geheimoperation sollte Alexej Nawalny retten. Die Außenministerin stellte sich quer“, untertitelte der Spiegel (Nr. 9 / 22.2.2025, S. 4) am Tag vor der Bundestagswahl ein Foto von Annalena Baerbock, das sehr nach Querstellen und Trotz aussah. Und also den durch den Untertitel vorbereiteten Schluss der Leserschaft stärken sollte, Baerbocks Zögern sei ursächlich dafür, dass Nawalny nicht gerettet wurde. Eine Lüge, die im Übrigen durch den Textteil nicht gedeckt wird. Hier nämlich wird eingeräumt: „Baerbock gibt, endlich, ihren Widerstand auf. Spätestens jetzt wird aus der Idee eine Operation.“ (S. 34) Die dann, aus anderen Gründen, scheitert. Dass der Spiegel (in diesem Fall: Matthias Gebauer, Roman Höfner und Fidelius Schmidt) nicht zum ersten Mal unlauter berichteten, jeweils zu Lasten von rot/grün, ist Thema der folgenden Überlegungen.
von Christian Niemeyer
Die Existenz-Bedingung der Guten ist die LÜGE.
(Nietzsche 1888/89)
Vorab, da das Thema „Lüge“ in den letzten Wochen durch den Afghanistan-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages ins Zentrum rückte: Ist es eigentlich zutreffend, das en passant im August 2021 ad Kabul in der Zeitschrift für Sozialpädagogik (H. 4/2021) diskutierte Wort, die Welt versank nach und wg. Kabul endgültig im Sumpf der Lüge, im Nachgang zu nine/eleven und der US-Lüge in Sachen der „smoking gun“, die man im Irak gefunden habe.
Nein, ist es nicht, denn nicht die Welt versank im Sog dieser beiden Lügen, sondern nur die Erwachsenen auf ihr: Bush & Blair, später, ad Kabul, vor allem Seehofer, Maas, Kramp-Karrenhauer, Merkel & Co. Die, abgelöst von jener Regierung unter Scholz, heute zur Wiederwahl ansteht. Und bei dieser Wahl stellt sich erneut und härter die Frage, ob die Welt vor dem Versinken nur dann gerettet werden kann, wenn die Erwachsenen wenigstens diesmal werden wie ihre Kinder vom Typus Greta oder Luisa Neubauer – die ihren Eltern, jedenfalls solange sie nicht vollgepumpt wurden mit der Unwahrheitsdroge Pimpameron des Kinderarztes Winterhoff, ab dem 10. Lebensjahr eingeheizt haben dürften, ihnen jede Lüge oder Unredlichkeit unter die Nase reibend. Auch und gerade, so ihre Eltern auf Namen wie die Vorgenannten getauft sind oder, um eine empirisch belegbare Variable zu nennen: auf den Namen Donald Trump. Der aktuell im Verdacht steht, nur lügen zu können, also lügen zu müssen, nach Psychopathenart oder weil er wie US-Psychiater zu Beginn seiner ersten Legislatur meinten, bad sei, vielleicht auch mad, minimal: sad.
Schlimm: Wer ihm, Trump, dies leise ins Ohr flüstert, um ihn zum Guten zu bewegen, wie die mutige Bischöfin bei seiner Inauguration Nr. II, wird Tage danach mit Remigration bedroht. Schlimmer: Der mächtigste Mann der Welt mit dem Atomkoffer unter dem Arm ließ als erste Amtshandlung 1.500 Straftäter vom Capitol-Erstürmer-Zuschnitt frei und führt inzwischen, als „König von Amerika“, ein ganzes trio infernale vergleichbar Durchgeknallter an namens JD Vance, Elon Musk & Peter Thiel.(1) Von denen der Letztere, Silicon-Valley-Pate und natürlich Milliardär, seinem Biographen zu verstehen gab, sein Kindheitscredo sei unverändert in Galtung und laute auf: „Ihr könnt mich alle mal!“(2)
Kommt übrigens, meines Erachtens nach, auch als Credo eines als Alternative für Deutschland zeichnenden trio infernale namens Alice Weidel, Björn Höcke (3) & Alexander Gauland in Betracht; das im Dienste eines NS-nahen Geschichtsrevisionismus eine Zwangsjacke für Angela Merkel für geboten hielt und jede Lüge, so sie ihre Zwecke zu heiligen verspricht, für normal erklärte. Auch und namentlich die, das Grauen des Dritten Reichs sei nur ein „Vogelschiss“, Deutschland habe also noch einen Schuss frei.(4)
Was sagen die erstgenannten Verrückten eigentlich dazu? Nichts, loben vielmehr die AfD, wie Vance & Musk, dabei unterstützt von Springer bzw. den letzten beiden dieser Art von „Verbrennern“: Döpfner & Poschard, mit dem Milei- & Musk-Verehrer Lindner (Porsche, nicht Ferrari) im Schlepptau.
Ich weiß nicht, liebe Leserin, lieber Leser, ob sie schon einmal Edgar Allan Poe gelesen haben, eines der Lieblingsvorlesebücher von Nietzsches Mutter. Ich würde Das System des Dr. Teer und Prof. Feder empfehlen, wo Typen wie die vorgenannten sieben Psychopathen, darunter immerhin fünf Deutsche (aus Gütersloh, Lünen & Chemnitz) bzw. Deutschstämmige (Trump, Thiel), Arbeitsverträge erhielten als Therapeuten, die jene im Maßregelvollzug eingesperrten ehemaligen Ärzte dieser Einrichtung überwachten. Klingt irgendwie nach dem Amokfahrer von Magdeburg, oder?
Oder etwa nach dem Spiegel?
Nein, um Gottes Willen, zumal das Baerbock-Bashing im aktuellen Heft doch allenfalls als journalistisch fragwürdige Einmischung in den Bundestagswahl gedeutet werden kann. Bei welcher der Lügeanteil vergleichsweise harmlos ist und wohl besser in den Bereich des Demagogischen durch gezielte, für Baerbock abträgliche Text/Bild-Kombination gehört, wie es Rudolf Augsteins mit dem Titelbild seiner Nietzsche-Story von 1981 positiv sanktionierte. Indem er den „Täter“ Hitler mit dem „Denker“ Nietzsche als duo infernale präsentierte und offenbar auch noch stolz darauf war. Und damit jenen seiner Jünger einen Impuls setzte, die sich (gleichfalls?) wg. Helmut Kohls Hass auf den Spiegel nachträglich zu entschuldigen gedachten. Und, wie Melanie Amann das Scholz-Bashing als Therapeutikum erfanden, endend im Baerbock-Bashing im aktuellen Heft sowie komplementär zum Habeck-Bashing, etwa durch sprachlich unbeholfene Suggestiv-Fragen weit unter Niveau („Gefallen Sie sich dabei, wenn Sie in die Kamera sprechen?“; Spiegel Nr. 2 / 4.1.2025, S. 9).
Wollen wir, dies alles im Sinn, den Wahlsonntag vielleicht dafür nutzen, den Spiegel abzuwählen und zusätzlich der „Enteignet-Springer-Kampagne“ von Gründonnerstag 1967 ein Erinnerungszeichen zu setzen? Und zusätzlich Groenemeyers Kinder an die Macht anzustimmen? Kinder sind nämlich an und für sich, Unglücksfälle wie jenen Trumps und Thiels als Warnzeichen ins Abseits gesetzt, wie schon der (frühe) Reformpädagoge Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811) wusste, gemeinhin und gemeinerweise Wahrheitsfanatiker. Sie wollen nichts werden, sie sind einfach, und zwar Seismographen ganz besonderer Güte. Vielleicht genügt ja nach den Wahlen, in jedem von uns, den Erwachsenen, das Kindliche wachzurufen und unter Schutz zu stellen, kurz: vielleicht genügt ja, den Verfall zu stoppen, den das Wort „Reife“ mühevoll zu tarnen sucht, um Erwachsen- und Älterwerden zu beschönigen.
Nicht jedem wird derlei gefallen, sieht er oder sie doch durch den subjektiven Faktor die Seriosität bedroht. Ich sehe es umgekehrt: Es ist die vermeintliche Seriosität und die Verdrängung des subjektiven Faktors, profan und mit Pestalozzi: die Verdrängung des Herzens zugunsten von Kopf und Hand, die für den Fall Kabuls verantwortliche Sprechpuppen wie Angela Merkel erzeugen half. Die wiederum als Zeichen für die eigentliche neuere Bildungskatastrophe gelesen werden dürfen, mit der Folge der mangelnden Aufklärung aller anderen Katastrophen, die im Schatten jener wie Giftpilze wuchern. So betrachtet liegt das Zwischenfazit nahe: Kinder lügen in der Regel nicht, allen gegenteiligen Forschungsergebnissen Erwachsener zum Trotz – es sei denn, sie schauten sich das Lügen bei Erwachsenen ab, etwa als Technik, ‚Böses‘ getan zu haben in Abrede zu stellen. So wie Nietzsche im hier als Motto vorangestellten Zitat sagen wollte.
Autor: Prof. Dr. Christian Niemeyer (Berlin/TU Dresden)
Anmerkungen:
(1) Christian Niemeyer, Über toxischen Antiamerikanismus als Teil von Alice Weidels AfD-DNA, zur Wiedervorlage an JD Vance. In: https://www.hagalil.com/2025/02/antiamerikanismus-afd/
(2) Max Chafkin, Peter Thiel. München 2021, S. 17.
(3) Christian Niemeyer, Die AfD und ihr Think Tank im Sog von Trumps und Putins Untergang (= Bildung nach Auschwitz). Weinheim Basel 2023, S. 117 ff.
(4) Christian Niemeyer, Schwarzbuch Neue / Alte Rechte. Glossen, Essays, Lexikon. Mit Online-Materialien (= Bildung nach Auschwitz). Weinheim Basel 2021, S. 371 ff.