Auch heute wurden in Gaza drei israelische Geiseln freigelassen. Es waren andere Bilder, in vielerlei Hinsicht.
Aber wieder eine inszenierte Show der Hamas. Bewaffnete und vermummte Kämpfer, die auf Pickups zum Ort der Übergabe fahren. Wo diese Pickups während der Kampfhandlungen versteckt waren, ist nicht klar. Den Korso führte ein dunkler Pickup an, der im Kibbutz Beeri gestohlen wurde. Die Bühne zierte wieder ein Banner in Hebräisch: „Der Zionismus wird nicht gewinnen“, ist da zu lesen, und in Englisch: „Nazi-Zionism will not win.“ Der Zynismus hat keine Grenzen.
Zuerst wird Ofer Kalderon (54) an das Rote Kreuz übergeben. Er blickt ernst, winkt aber kurz, wird dann, mit der schon obligatorischen „Geschenktüte“ ausgestattet, an die beiden Mitarbeiter des Roten Kreuz übergeben, die zuvor auf der Bühne Dokumente unterzeichneten. Hamas hat auch einen Stempel dabei, der da gewissenhaft gesetzt wird. Als zweites folgt bei dieser Übergabe in Chan Yunis Yarden Bibas (35). Auch er ernst, deutlich magerer, aber aufrechten Ganges.

Einige Zeit später die dritte Übergabe, diesmal in Gaza Stadt. Keith Siegel (65) wirkt deutlich abgemagert und blass. Da hilft auch die schicke Lederjacke nichts, die Hamas ihn tragen lässt. Aber auch er geht selbstständig, muss die Show auf der Bühne mitmachen, wird dann an das Rote Kreuz übergeben. Alle drei sind mittlerweile in israelischen Krankenhäusern mit ihren Familien.

Yarden Bibas wurde von seinem Vater Eli und seiner Schwester Ofri empfangen. Yarden kommt in eine andere Realität zurück. Über das Schicksal seiner Frau Shiri und den beiden wunderschönen rothaarigen Kindern Ariel und Kfir gibt es weiter keine Gewissheit. Yarden hatte sich bei dem Überfall der Hamas auf seinen Kibbutz Nir Oz gestellt, in der Hoffnung seine Familie damit zu schützen. Shiri, Ariel und Kfir wurden später getrennt entführt und auch an einen anderen Ort gebracht. Hamas hatte bereits vor vielen Monaten behauptet, dass die drei bei einem israelischen Angriff ums Leben gekommen seien. Beweise gibt es dafür aber nicht. Israel hat letzte Woche von Hamas eine klare Auskunft gefordert, die allerdings noch aussteht.
Die Familie Bibas schrieb nach Yardens Rückkehr heute:
„Yarden ist zu Hause.
Ein Viertel unseres Herzens ist nach 15 langen Monaten zu uns zurückgekehrt.
Es gibt keine Worte, um die Erleichterung zu beschreiben, Yarden in unseren Händen zu halten, ihn zu umarmen und seine Stimme zu hören.
Yarden ist nach Hause zurückgekehrt, aber das Zuhause ist noch unvollständig.“
Auch Ofer Kalderon wurde aus dem Kibbutz Nir Oz entführt, zusammen mit zwei seiner vier Kinder, seiner Tochter Sahar (damals 16 Jahre alt) und seinem Sohn Erez (damals 11 Jahre alt). Erez wurde die ersten 16 Tage alleine gefangen gehalten. Die beiden kamen im November letzten Jahres frei. Sahar erzählte von dem schweren Abschied von ihrem Vater in einem der Hamas-Tunnel und dem Versprechen, für seine Freilassung zu kämpfen. Heute konnten sie ihren Vater endlich wieder in die Arme schließen.
Keith Siegel wurde mit seiner Frau Aviva zusammen aus dem Kibbutz Kfar Aza entführt. Aviva kam im November 2023 frei und kämpfte gemeinsam mit ihren vier Kindern unermüdlich für die Freilassung von Keith.
Die Übergabe heute zeigte auch, dass Hamas sehr wohl die Zügel in der Hand hat. Die chaotischen und bedrohlichen Szenen vom Donnerstag dürfen sich nicht wiederholen, das haben sowohl Israel wie auch die Vermittler klar gemacht. Und wie man sieht, geht es mit dem entsprechenden Druck auch anders. Hamas hat ein großes Interesse daran, dass dieses Abkommen hält. Die Bilder von heute zeigen aber auch die Dringlichkeit des Abkommens, die Dringlichkeit, dass auch die nächste Phase umgesetzt wird, die die übrigen lebenden Geiseln nach Hause bringen soll.
Die Bilder haben einen israelischen Kommentator heute dazu veranlasst von einem „Bild des Sieges“ zu sprechen. Ein Bild des Sieges? Menschen, die in ihren Pyjamas aus ihren Betten entführt wurden? Und die über 480 Tage in den Tunneln der Hamas fristen mussten? Das ist kein Bild des Sieges… Im Kibbutz Nir Oz wurden fast die Hälfte der 400 Bewohner ermordet oder entführt. Premier Netanyahu hat die Gemeinschaft bis heute nicht besucht. Das ist ein Bild des kompletten Versagens. Und bevor nicht die letzte Geisel, egal ob lebendig oder tot, zuhause ist, kann es keine Heilung und keinen Neuanfang geben.