Von der Emigrantenzeitung zum Weltmagazin

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Titelblatt der 1. „AUFBAU“-Ausgabe, 1. Dezember 1934

Zum 90. Geburtstag erscheint der „AUFBAU“ im neuen Gewand

Mit einer Auflage von bis zu 50.000 Exemplaren wöchentlich war der „AUFBAU“ von 1934 bis 2004 als einzige deutsch-jüdische Zeitung in den USA die Stimme der aus NS-Deutschland geflohenen Juden. Das Blatt war aber auch eine konkrete Hilfe für die Flüchtlinge und gab so manchen guten Tipp, um in der Fremde Fuß zu fassen. Vom Sprachunterricht bis hin zur Arbeits- und Wohnungsvermittlung half der „AUFBAU“ den Emigranten, sich in der neuen Welt zurechtzufinden. Über diese Dienstleistungen hinaus war die Zeitung das Sprachrohr der deutschen Exilkultur. Von Stefan Zweig, Oskar-Maria Graf und Thomas Mann, über Hannah Arendt, Lion Feuchtwanger bis hin zu Albert Einstein schrieben nahezu alle Intellektuellen, die in Deutschland Rang und Namen hatten, für das New Yorker Blatt. Der „AUFBAU“ war ein „Licht in der Finsternis“. Doch auch nach 1945 diente die Zeitung als Bindeglied zwischen der jüdischen Gemeinschaft in der neue Welt jenseits des Atlantiks und der alten verlorenen Heimat.

Doch diese Zeiten sind schon lange vorbei. Wie die vielen Todesanzeigen im Blatt bezeugten, starben die treuen, aber in die Jahre gekommenen Abonnenten bis zum Ende des letzten Jahrhunderts weg. Trotz aller Bemühungen, eine jüngere Leserschaft zu erreichen, ging die Auflage kontinuierlich zurück. Im Frühjahr 2004 stellte der „AUFBAU“ sein Erscheinen ein und entstieg noch im selben Jahr wie der Phönix aus der Asche als Magazin „aufbau“ im Verlag Jüdische Medien (Zürich) – aus der Zeitung für eine klar definierte Gemeinschaft wurde eine Zweimonatszeitschrift mit einer internationalen Leserschaft.

Zwanzig Jahre lang behauptete sich „aufbau“ auf dem hart umkämpften Markt der Printmedien. Die transatlantische Zeitschrift verstand sich als „Werkstatt der Demokratie und Chronist der Gegenwart“. Zum 90. Geburtstag startete „aufbau“ nun mit einem umfassenden Relaunch, einem erweiterten Konzept und dem bekannten Publizisten Michel Friedman als Herausgeber in die nächste Dekade. Den neuen „aufbau“ sieht er als „intellektuellen Leuchtturm, der die Werte von Freiheit, Gleichheit und Wahrheit verteidigt – besonders in einer Zeit, in der offene Gesellschaften weltweit unter Druck geraten“. Das Monatsmagazin soll fortan ein Forum für gesellschaftliche Themen sein und die kulturelle Identität der jüdischen Gemeinschaft publizistisch reflektieren. Denn „wir wissen, woher wir kommen, und verhandeln, wohin wir gehen. Der ‚aufbau‘ ist ein Kompass auf diesem Weg“, so Chefredakteur Yves Kugelmann.

80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz stellen Bärbel Bas, Ari Folman, Sibylle Berg, Anetta Kahana, Raphael Gross, Thomas Sparr, Alice Brauner, Monica Strauss sowie Robert Menasse in der soeben erschienenen Ausgabe die Frage nach Erinnerung, dem fortwährenden Antisemitismus, nach dem Trauma der zweiten Generation und der Zeugenschaft der immer weniger werdenden Überlebenden – (jgt)

Begleitet wird das Printmagazin von einem täglichen Online-Auftritt, aktuellen politischen Karikaturen und einem Podcast-Programm.

–> https://www.aufbau.eu

Lesetipp:
Im neuen Jahrbuch des Nürnberger Instituts „nurinst 2024“ beleuchtet der langjährige „AUFBAU“-Redakteur Andreas Mink die Geschichte der Zeitung von ihrer Gründung bis heute.