Das Jahr geht zu Ende. Und was für ein Jahr… Der 7. Oktober hält noch immer an, ein Ende des Ganzen ist nicht in Sicht. Unsere Herzen sind schwer, unsere Gedanken beständig bei den 100 noch in Gaza verbliebenen Geiseln und ihren Familien. Es war ein Jahr voller Krieg, Raketen- und Drohnenterror aus Gaza, aus dem Libanon, dem Jemen, dem Irak und dem Iran. In Deutschland und Europa ist der Antisemitismus auf einem beängstigenden Höchststand, Jüdinnen und Juden fühlen sich bedroht und unsicher. Ein beängstigendes Jahr. Was wird das neue bringen?
Wir blicken im Folgenden mit einer Auswahl unserer Berichterstattung zurück auf die Ereignisse von 2024. Und ansonsten?
haGalil startete im Januar mit einem neuen Design, eine Umstellung, die aus technischen Gründen notwendig wurde. Das neue Design ist sehr viel besser an Handy und Tablet zu lesen, wir hoffen, dass Sie sich gut daran gewöhnen konnten.
In dieses neue Design haben wir auch unsere Einführungstexte zum Zionismus, sowie unsere Grundlagentexte zum Zionismus, die die Bewegung in ihren unterschiedlichen Strömungen und Ausprägungen dokumentiert, eingebettet. Darin sieht man gut, dass schon zu Beginn der Zionistischen Bewegung Fragen aufkamen, die auch heute noch diskutiert werden und gleichzeitig im antisemitischen Diskurs von Bedeutung sind, darunter der Umgang mit der arabischen Bevölkerung des Landes und der jüdische Charakter des Staates.
Im Juli widmeten wir Theodor Herzl zu seinem 120. Todestag einen großen Beitrag und haben Ausschnitte aus seinen Tagebüchern präsentiert, die sein unermüdliches Wirken für die zionistische Sache dokumentieren.
Im Juli haben wir auch die zehnte Jahrzeit von David Gall s“l, dem Gründer von haGalil, begangen. Unsere Gedanken waren auch in diesem Jahr sehr oft bei ihm, der Austausch fehlt. Er könnte kaum glauben, was in diesen zehn Jahren passiert ist.
Wir bemühen uns, haGalil auch im kommenden Jahr in seinem Sinne weiterzuführen.
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Und das war 2024
Januar
Ein historisches Urteil
Der Oberste Gerichtshof Israels hat gestern eine Gesetzesänderung vom Juli gekippt, die als erster Schritt zum Umbau des Justizwesens verabschiedet worden war. Dadurch sollte…
Den Schmerz der anderen verstehen
Die jüdische Kindertherapeutin Isca Salzberger-Wittenberg (4.3.1923 – 23.12.2023) verstarb im Alter von 100 Jahren
„Aus ihren Werken erscheint etwas zutiefst Jüdisches“
Vor 120 Jahren wurde die vielseitige Künstlerin Marie Luise Kohn (Maria Luiko) geboren
Februar
Netzwerk jüdischer Hochschullehrender als Stimme gegen Antisemitismus
Anlass für die Gründung des Netzwerks ist der Antisemitismus an Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, der seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 dramatisch zugenommen hat. „Zahlreiche jüdische Studierende, Lehrende und andere Hochschulangehörige fühlen sich an ihren Hochschulen nicht mehr sicher.“
Zwei Geiseln befreit
Ein Morgen mit guten Nachrichten. In der Nacht konnte die israelische Armee zwei Geiseln befreien. Fernando Merman (60) und Luis Har (70) sind nach 129 Tagen mit ihren Familien wieder vereint.
Sagen, wie es ist und nicht, wie es sein soll
Vor 40 Jahren wurde der Judaist Prof. Hermann Greive von einer ehemaligen Studentin getötet
März
100 Raketen in einer Stunde
Die Situation an Israels Nordgrenze eskaliert schrittweise weiter. Während wir noch um die öffentliche Meinung in Bezug auf Gaza kämpfen, versuchen zu erklären und den Bildern des Krieges mit Argumenten beizukommen, kann man sich diese Versuche in Bezug auf den Norden schenken. Dieser Kampf ist verloren, in den Medien in Deutschland liest man noch nicht einmal das Mindestmaß an Objektivität und korrekter Darstellung der Fakten.
„Erledigung der Rest-Tschechei“
Vom Münchner Abkommen zur Beilegung der Sudetenkrise bis hin zur endgültigen Zerschlagung der Tschechoslowakei sollten nur wenige Monate vergehen. Am 15. März 1939, also vor genau 85 Jahren, marschierte schließlich die Wehrmacht in Prag ein. Für die Juden des Landes brach eine schwere Zeit an.
Mehr als nur antisemitische Hetze
Der Krieg in Gaza wird auch in den sozialen Netzwerken gefochten. Besonders perfide sind die jüngsten Vorwürfe von angeblichen Vergewaltigungen durch israelische Soldaten, die der Sender Al-Jazeera verbreitet hat.
April
„Time to Shine“ – Halev Stuttgart gewinnt die 21. Jewrovision
Die Spannung vor der Verkündung der Jury war im Hannover Congress Centrum regelrecht zu greifen. Schließlich machte das Jugendzentrum Halev Stuttgart das Rennen. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, überreichte am Ende des größten jüdischen Tanz- und Gesangswettbewerbs Europas, der Jewrovision, die Siegerpokale. Insgesamt waren dreizehn Gruppen aufgetreten.
Iran greift Israel direkt an
Ein nächtlicher Nervenkrimi mit präzedenzlosem Ausgang. Nachdem Israel seit Tagen in höchster Alarmbereitschaft ist, um sich auf eine Reaktion des Iran vorzubereiten, ist es nun passiert. Der Iran wählte den direkten Weg und brachte Hunderte Drohnen, Marschflugkörper und Raketen auf den Weg.
Wenn das Mitgefühl im Halse stecken bleibt
Seit Monaten bekomme ich Zuschriften, die mir unterstellen, das Leid der Palästinenser sei mir egal. Die Bandbreite dabei variiert von: „Ich finde Sie müssten auch mal was zum Leid der Palästinenser sagen!“ über „Dir sind die Kinder Gazas doch komplett wumpe!“ bis hin zu: „Sie machen sich mitschuldig am Völkermord!“ Also das sind die „normalen Zuschriften“. Die, die mit Gewaltphantasien mir gegenüber einhergehen, zitiere ich hier nicht.
Mai
Eden ist im Finale
Sie hat es geschafft, Eden Golan hat sich mit „Hurricane“ ins Finale der Eurovision gesungen. Und mehr noch, sie landete mit ihrer Performance auf Platz zwei der Wettquoten. Nervenstark ließ sie sich von den Buhrufen während der letzten Proben nicht beirren.
Sorge über die politische Entwicklung in Deutschland
Offener Brief von freiberuflichen Mitarbeiter*innen der NS-Gedenkstätten in Berlin und Brandenburg zu den zunehmenden Angriffen auf die Demokratie und die damit verbundene Gefährdung der Bildungsarbeit an NS-Gedenkstätten
Gefesselt, blutig, in Todesangst
Das Forum der Familien der Entführten und Vermissten hat einen dreiminütigen Film veröffentlicht, der die jungen Frauen Naama Levy, Liri Albag, Karina Ariev, Agam Berger und Daniella Gilboa am Morgen des 7. Oktober in der Gewalt von Hamas zeigt. Es sind unerträgliche Bilder, aufgenommen mit Body Camps der Hamas-Terroristen, die den Stützpunkt Nahal Oz überfielen und die unbewaffneten Frauen, die als Späherinnen im Einsatz waren, misshandelten und schließlich nach Gaza entführten.
Juni
„Ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns“
Vor 100 Jahren starb Franz Kafka
Ein Hoffnungsschimmer am Schabbat
Was für ein Schabbat das war. Das ganze Land hat die Befreiung der vier Geiseln gefeiert. Noa Argamani, Shlomi Ziv, Almog Meir Jan und Andrej Koslov sind zuhause. Nach 245 Tagen. Es war ein emotionaler Tag, der die bitteren Realitäten für einen kleinen Moment vergessen ließ.
Olivgrün für alle
Ultraorthodoxe sollen nicht länger vom Wehrdienst freigestellt werden – das hat Israels Oberster Gerichtshof einstimmig entschieden. Die Richter beendeten damit eine Jahrzehnte alte Praxis, die in Israel höchst umstritten war. Für die Regierung von Benjamin Netanyahu könnte es deshalb eng werden.
Juli
In der Zeitschleife
Neun Monate nach dem 7. Oktober ist die Situation in Israel verfahrener denn je. Weder sind die Geiseln befreit worden, noch ist die Hamas vernichtend geschlagen. Und zudem droht weiterhin ein Krieg im Norden mit der Hisbollah, die stetig an der Eskalationsschraube dreht.
„Sich fügen heißt lügen!“
Vor 90 Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 1934, wurde Erich Mühsam im KZ Oranienburg ermordet. Der Schriftsteller und Anarchist, Sohn jüdischer Eltern und Anführer der Münchner Räterepublik war bereits kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verhaftet worden. Aus Anlass seines Todestages geben wir neben einigen seiner Gedichte seine Selbstbiographie wider.
Drohne der Huthi explodiert in Tel Aviv
Eine Drohne, die von den Huthi im Jemen gestartet wurde, explodierte heute Nacht um 3 Uhr im Zentrum von Tel Aviv. Die Luftabwehr hat die Drohne zwar entdeckt, aber offensichtlich aufgrund menschlichen Versagens nicht abgefangen. So konnte die Drohne ungehindert bis Tel Aviv fliegen. Durch die Explosion starb ein Mann, zehn weitere Menschen wurden verletzt.
August
Eine großartige Stimme ist verstummt
Am Freitag starb völlig unerwartet Kantor Nikola David. Wir sind über dieses große Unglück fassungslos, unsere Gedanken sind bei seiner Familie. Baruch dajan haEmet.
Medialer Eiertanz
Medien in Deutschland kapitulieren oftmals vor der Komplexität der Ereignisse im Konflikt Israels mit der Hamas und der Hisbollah. Stattdessen bemühen sie sich in der Berichterstattung um eine Neutralität, die mitunter merkwürdige Blüten treibt.
1948 – Der erste arabisch-israelische Krieg
Benny Morris, einer der israelischen „Neuen Historiker“, legte 2008 eine umfangreiche Studie vor: „1948. Der erste arabisch-israelisch Krieg“. Erst jetzt liegt von diesem differenzierten und erhellenden Buch eine deutsche Übersetzung vor. Der Historiker widerlegt darin nicht wenige Legenden und Schönschreibungen, was unterschiedlichen Seiten nicht gefallen wird, aber gerade für einen besonderen Wert steht.
September
Weitere sechs Geiseln wurden tot geborgen
Ein schwerer Morgen. Unser Herz ist gebrochen. Uns fehlen die Worte. Was muss noch passieren, bis es endlich ein Abkommen gibt? Sechs weitere Geiseln wurden gestern aus einem 20 Meter tiefen Tunnel in Rafah geborgen. Sie wurden offenbar erst vor wenigen Tagen ermordet. Heute Morgen wurde ihre Namen bekannt gegeben.
Sind wir schockiert?
Ja, wie geht es den jüdischen Gemeinden in München? Nach diesem schrecklichen Vorfall da in der Innenstadt.. Was genau wollen Sie denn hören? Dass wir alle ganz schockiert sind? Da müssen wir Sie enttäuschen, sind wir nicht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis wiederum ein solcher Vorfall in Deutschland passiert. Diesmal war es eben München. Schockierend daran ist eher, dass es nicht schockierend ist.
Am Morgen danach
Gestern gab es die offizielle Bestätigung, zuerst von Israels Armeesprecher Hagari, dann auch von Hisbollah selbst: Nasrallah wurde bei dem Angriff am Freitag getötet. Natürlich ist auch in Israel niemand so naiv anzunehmen, dass damit das Problem Hisbollah erledigt ist. Trotzdem irritierend zu sehen, wie schwer man sich in deutschen Medien damit tut, das Ableben eines Mega-Terroristen zu begrüßen.
Oktober
Der Tag, der kein Ende nimmt
Am 7. Oktober 2023, um 6.29 Uhr, hat sich das Leben in Israel für immer verändert. Die einfallenden, mordenden, vergewaltigenden Terroristen haben eine Illusion zerplatzen lassen, in der sich Israel befand. Die Illusion, die Situation im Griff zu haben, den Terror beherrschen und die Feinde lesen zu können. Die Illusion der Hightech Nation mit der stärksten Armee der Region, die ihre Bürger schützt.
Sinwar ist tot
Jetzt ist es offiziell, Hamas hat keine Führung mehr. Sinwar wurde gestern Nacht von israelischen Truppen mehr zufällig getötet. Sie hatten drei Terroristen identifiziert und eliminiert, erst später stellte sich heraus, um wen es sich vermutlich handelte. Mittlerweile ist die Identität der Leiche per DNA Test bestätigt, Yahya Sinwar ist tot.
Die langen Schatten des 7. Oktober
Während ein Jahr gewalttätiger Auseinandersetzungen zu Ende geht, droht das beginnende neue Jahr ebenso unfriedlich zu werden. Doch jenseits des aktuellen Konflikts im Nahen Osten geht der Kampf um die Definition der jüdischen Geschichte weiter.
November
Das „Bajszel“ wurde erneut attackiert
Auf das „Bajszel“ in Berlin-Neukölln ist in der Nacht zu Mittwoch ein Anschlag verübt worden. Wie die Polizei mitteilte, beschädigten Unbekannte am frühen Mittwochmorgen mit einem Pflasterstein ein Schaufenster des Lokals. Eine Mitarbeiterin alarmierte die Polizei. Da eine politische Tatmotivation nicht auszuschließen sei, hat der Polizeiliche Staatsschutz die Ermittlungen übernommen. Das „Bajszel“ ist nicht das erste Mal Ziel von Anschlägen, weil dort regelmäßig Veranstaltungen zu den Themen Nahostkonflikt und Antisemitismus stattfinden.
Und die draußen sieht man nicht…
Während das Feuilleton schnappatmig diskutiert, dass bei der Antisemitismusresolution nur die israelische Politik kritisiert, aber nicht über das Existenzrecht des jüdischen Staates nachgedacht, werden darf, werden draußen auf den Straßen Juden gejagt.
Der Engel der Evakuierten in Ramat Gan
Als die Heimatfront die Bewohner*innen der an der libanesischen Grenze gelegenen Entwicklungsstadt aufforderten, ihre Türen geschlossen und ihre Lichter ausgeschaltet zu lassen, hielten es Ortal und ihre Familie und die Familie ihrer Schwägerin Hagit nicht mehr aus. Sie gingen die Portale durch, in denen Familien und Vereine aus dem Zentrum den Menschen aus den Kriegsgebieten Unterkünfte anboten und stießen auf Maccabi Ramat Yitzhak, einen kleinen Verein in Ramat Gan.
Dezember
Die Antisemiten werden den Juden den 7. Oktober nicht verzeihen
Mit dem 7. Oktober 2023 ist für Juden und antisemitismuskritische Menschen ein neues Zeitalter angebrochen. Das geistige Virus des Judenhasses hat eine neue Mutationsstufe erreicht. Ein Essay.
Die Währung in Zeiten wie diesen
Der Fall Benny Morris an der Universität Leipzig hat die Boykott-Debatte im universitären Kontext wieder stärker in den Fokus gerückt. Dabei fällt immer wieder auf, wie häufig Detailfragen verwischt werden – obwohl gerade diese nicht nur den Unterschied ausmachen, sondern die Debatte auch auf eine notwendige Sachebene zurückführen könnten.
Wie kann das Strafrecht Antisemitismus effektiver bekämpfen?
Am vergangenen Mittwoch fand in den Räumlichkeiten der Konrad-Adenauer-Stiftung eine Fachtagung des Tikvah Instituts zum Thema „Antisemitismusbekämpfung mit dem Strafrecht“ statt. Unter den wachsamen Blicken der Security erörterten sieben Rechtswissenschaftler, darunter u.a. eine Rechtsanwältin, drei Universitätsprofessoren und zwei Berliner Staatsanwälte das „Für und Wider“, mithin die Möglichkeiten und Grenzen der Antisemitismusbekämpfung mit Hilfe des Strafrechts.