Hermann Heller – ein auch heute noch bedeutsamer Staatsrechtler

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Hermann Heller war einer der wenigen republikanischen Staatsrechtler in der Weimarer Republik. Bereits 1933 ging er ins Exil, als Jude wie Sozialdemokrat, um der Verfolgung zu entgehen. Ein neuer Sammelband erinnert an sein auch heute noch bedeutsames Werk.

Von Armin Pfahl-Traughber

Es gab nur wenige Demokraten und Republikaner unter den Staatsrechtlern der Weimarer Republik. Eine Ausnahme war Hermann Heller (1881-1933), der als Begründer eines sozialen Rechtsstaats gilt und für demokratisch-sozialistische Staatsvorstellungen eintrat. Derartige sozialdemokratische Einstellungen in Kombination mit seiner jüdischen Religionszugehörigkeit ließen ihn bereits 1933 nach Spanien gehen. Ein staatsrechtliches Hauptwerk, eben die „Staatslehre“, blieb unvollendet, erschien aber trotzdem 1934. Bereits ein Jahr zuvor starb Heller an einem Herzinfarkt – mit nur 42 Jahren. Lange galt er als „unvollendeter“ und „vergessener“ Staatsrechtler, gleichwohl erschienen immer wieder Sammelbände zu seinem juristischen und politischen Werk. Dazu gehört auch „Hermann Heller, die Weimarer Demokratie und der soziale Rechtsstaat“, herausgegeben von Mike Schmeitzner und Thilo Scholle. Dessen Beiträge gehen auf eine Konferenz zurück, welche vom Hannah Arendt-Institut und der Friedrich Ebert-Stiftung durchgeführt wurde.  

In ihrer Einleitung erklären die Herausgeber, es gehe ihnen auch um einen kritischen Blick, keineswegs um eine hagiografische Thematisierung. Die neun Aufsätze und das eine Interview wurden darin in vier große Kapitel unterteilt: Nach der Einleitung geht es um Hellers Interpretation eines sozialen Rechtsstaats, womit zu ihm eine informative und kurze Überblicksdarstellung präsentiert wird. Darin werden auch seine umstrittenen Auffassungen zu „Nation“ thematisiert. Die beiden folgenden Aufsätze von Grégoire Chamayou und Ingo Müller behandeln insbesondere das gegenüber Carl Schmitt bestehende Verhältnis. Einerseits hatte Heller zu ihm persönlichen Kontakt, andererseits gab es bezogen auf einen „autoritären Liberalismus“ und das „Preußenschlag-Verfahren“ heftige Verwerfungen. Auch die anderen Aufsätze thematisieren anhand von gesonderten Fragen, wie hier Heller und Schmitt zueinander standen. Die betonten Differenzen lassen dabei gut die bei Heller auszumachenden demokratischen und staatsrechtlichen Konturen erkennen.

Danach geht es um seine Deutung von Faschismus und Nationalsozialismus, wobei Mike Schmeitzner auch kritikwürdige und merkwürdige Wertungen von ihm thematisiert. Deren Deutungen verdienen gesondertes Interesse. Der anschließende Aufsatz geht danach auf die spezifischen Beiträge von Heller ein, welche von Frank Schale in dessen „Volksbildung“-Vorstellungen gesehen werden. Ebenfalls einen gesonderten Gesichtspunkt behandeln die folgenden Texte, widmen sie sich doch dem materiellen Fundament einer demokratischen Verfassung. Ridvan Ciftci fragt nach Homogenität und Nation als Vorbedingung, Cara Röhner thematisiert die Wirtschaftsdemokratie-Vorstellung. Und dann folgen noch gesonderte Deutungen von Heller für spätere Zeiten. Bekanntlich berief sich auch Wolfgang Abendroth in seinem verfassungspolitischen Denken auf Heller, was Uli Schöler thematisiert. Und Tamara Ehs hinterfragt in dessen Lichte das gegenwärtige und grundsätzliche Spannungsverhältnis von sozialer Ungleichheit und demokratischem Verfassungsstaat.

Ganz am Ende findet sich noch ein Gespräch mit Gertrude Lübbe-Wolff, die am Bundesverfassungsgericht über zehn Jahre als Richterin arbeitete. Sie geht nicht nur auf die Aktualität von Heller ein, sondern thematisiert auch die Faszination für Schmitt, welcher auch mit Ernst-Wolfgang Böckenförde einer ihrer bekanntesten Kollegen erlag. Damit gibt es eine gute Abrundung des Sammelbandes, der an einen heute noch wichtigen Denker eines demokratischen Staatsrechts erinnert. Seine Auffassungen zu „Nation“ werden mit thematisiert, hätten aber noch genauer Gegenstand der Interpretation sein können. Denn auch Akteure der Neuen Rechten bemühen sich darum, hier eine Instrumentalisierung des Staatsrechtlers vorzunehmen. Dies ist aber nur in wenigen Sätzen ein Thema, hätte aber ausführlicheres Interesse mit Korrekturen verdient gehabt. Ansonsten sind die erwähnten Differenzen mit Schmitt immer wieder wichtig. Heller hatte ihn im „Preußenschlag“-Verfahren vorgeführt, was zu antisemitischen Ausfällen in Schmitts Tagebuch führte.

Mike Schmeitzner/Thilo Scholle (Hrsg.), Hermann Heller, die Weimarer Demokratie und der soziale Rechtsstaat, Bonn 2024 (J. H. W. Dietz-Verlag), 200 S., Euro 36,00, Bestellen?

LESEPROBE

Hermann Heller in den Jüdischen Miniaturen