Premierminister Netanyahu hat gestern Abend seinen Verteidigungsminister entlassen. „Ein trauriger Abend“, schrieb ein drusischer Freund. „Ich bin schockiert, was mit den Juden in ihrem einzigen Land passiert, sie zerstören diese wunderschöne Perle, sie zerstören es und der Rest sitzt untätig da …… Das Herz schmerzt.“
Zehntausende gingen gestern Abend spontan auf die Straßen, im ganzen Land gab es spontane Demonstrationen, in Tel Aviv war die Stadtautobahn über viele Stunden blockiert.
Schon im März 2023, als Netanyahu Galant das erste Mal entlassen hatte, gingen Zehntausende spontan auf die Straßen, die allgemeine Gewerkschaft Histadrut rief einen Generalstreik aus. Damals ging es noch um die sog. Justizreform und Galant bezeichnete die Proteste als Gefahr für die Sicherheit des Landes und rief Netanyahu dazu auf, die Reform zurückzustellen. Damals hat Netanyahu die Entlassung ganz stillschweigend einfach nicht umgesetzt.
Diesmal liegt die Sache anders, die „zweite Galant-Nacht“ wird ihn nicht interessieren. Denn jetzt geht es um Netanyahus politisches Überleben. Galant selbst gab am späten Abend noch eine Erklärung ab, in der er die Gründe für seine Entlassung selbst präzise zusammenfasste: seine Positionen zum Thema ultraorthodoxe Wehrdienstpflichtige, zum Geisel-Abkommen und zur Einrichtung eines staatlichen Untersuchungsausschusses. „Wenn mich die Dunkelheit der Werte umgibt, halte ich mich an den Kompass“, so Galant, der in den vergangenen Wochen immer wieder betonte, dass nun der Zeitpunkt für eine Beendigung des Krieges und ein Abkommen, das alle Geiseln nach Hause bringt, gekommen sei. In der Frage der Wehrpflicht auch für Ultraorthodoxe ließ Galant ebenfalls keine Zweifel. In Zeiten, in denen Reservisten bereits mehrfach einberufen wurden und teilweise über 300 Tage Dienst leisten, während ihre Familien und Geschäfte zuhause zusammenbrechen, in Zeiten, in denen der Armee Soldaten fehlen, nachdem neben den etwa 900 Gefallen, an die 20.000 Soldaten verletzt wurden, konnte Galant die Befreiung von Ultraorthodoxen mit seinem „Kompass“ nicht vereinbaren.
Netanyahu erklärte, in Kriegszeiten sei volles Vertrauen zwischen dem Premier und dem Verteidigungsminister nötig. In den letzten Monaten habe dieses Vertrauen Risse bekommen. Jeder, der ihn kenne, wisse, dass er offen sei für unterschiedliche Positionen. (Man möchte lachen, wenn es nicht so absurd wäre…) Aber die Kluft sei zu groß geworden, und mehr noch, diese Krise würde es nicht möglich machen, den Krieg weiter zu führen.
Schwere Vorwürfe an jemanden, der sein Leben in den Dienst der Sicherheit des Landes gestellt hat. Unfaire, ja unglaubliche Vorwürfe von jemandem, der sich selbst vor der Verantwortung drückt und eine Aufarbeitung des 7. Oktobers verhindert.
Mit dem neuen Verteidigungsminister Israel Katz, der bisher Außenminister war und als Schoßhund Netanyahus gilt, hofft Netanyahu nun eine Neuregelung der Wehrdienstfrage für Ultraorthodoxe finden zu können, die einerseits von Gideon Saar unterstützt wird, was Netanyahu weitere vier Mandate einbringt, und mit dem andererseits die ultraorthodoxen Parteien leben können. Saar hat er nun als Außenminister eingesetzt, oder vielleicht besser „gekauft“. Angekündigt hatte sich das Ganze seit Wochen.
Schon vor knapp zwei Monaten schienen solche politischen Veränderungen verrückt. Israel ist an sieben Fronten im Krieg. Die israelischen Bürger sollten sich fragen, ob der Politik Vorrang vor der nationalen Sicherheit eingeräumt wird, kommentierte Nir Dvori in Arutz 12 gestern. Der Premierminister habe in der Vergangenheit mehr als einmal gesagt, dass es unmöglich sei, während eines Krieges grundlegende Personaländerungen vorzunehmen, als es um die Frage nach Konsequenzen des 7. Oktobers ging.
Galant beendete seine gestrige Erklärung, indem er „den gefallenen israelischen Soldaten und ihren Familien, unseren verwundeten Veteranen, den Geiseln und ihren Familien sowie allen Soldaten und Sicherheitskräften der israelischen Streitkräfte“ salutierte. Noch einmal bewies er damit, dass er durch und durch Militärmann ist. Wohin das Land nun mit Israel Katz steuert, wird sich zeigen. Netanyahu wird auch auf Trumps Sieg setzen, dem er bereits auf X gratulierte, zu „history’s greatest comeback!“ (al)