Keine Party für die Demokratie?

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Vor Kurzem wurde in Leipzig an den Beginn der friedlichen Revolution von `89 erinnert. Das war ein eher leises „Fest“. Ein paar Reden, ein kurzes Interview hier oder da, fast unbemerkt ging es vonstatten. Was es nicht war: ein großes Fest der Demokratie.

Von Ramona Ambs

Exakt diesen Mangel an Demokratiebegeisterung beschreibt auch Elisa Klapheck in der neuen Publikation „175 Jahre Paulskirche – Jüdischer Anteil an der deutschen Demokratie“ , der siebte Band in der Machloket-Reihe des Leipziger Verlags Hentrich & Hentrich. Bereits in ihrer Einleitung konstatiert sie das Fehlen eines positiven Demokratie-Narrativs und stellt fest, dass die Feinde der Demokratie fast immer auch die Feinde der Juden seien.

Im Paulskirchenparlament 1848/49 gab es unter den 809 Abgeordneten immerhin 19 mit jüdischer Abstammung. Von diesen 19 verzichteten jedoch nur zwei auf das „Entrée-Billet“ der Taufe, um anerkanntes Mitglied der bürgerlichen Kultur zu sein. Neben den Ausführungen zur Mitwirkung von jüdischstämmigen Abgeordneten am Werden der ersten demokratischen Verfassung Deutschlands, widmet sich das Buch vor allem den beiden Abgeordneten, die ihrem jüdischen Glauben die Treue hielten. Abraham de Wolf und L. Joseph Heid erzählen vom Leben und Wirken dieser beiden jüdischen Demokratiekämpfer.

De Wolf würdigt Gabriel Riesser (Bild oben), der sich für die Religionsfreiheit in der Frankfurter Paulskirche stark gemacht hatte und der 1860 zum ersten jüdische Richter in Deutschland wurde. Heid hingegen erzählt von Johann Jacoby, dem Radikaldemokraten, mutigem Streiter für Menschenrechte und Vordenker Europas, der sich 1842 erfolgreich in einem Hochverratsprozess gegen den preußischen König zur Wehr setzte, und den er auch durch Zitate selbst zu Wort kommen lässt. So heißt es in einem Brief von Jacoby an Jacobsen: „Mitten unter frohen christlichen Genossen fühlte ich mich oft plötzlich durch ein dunkles Gefühl beklemmt, das meine Brust gewaltsam einengend den kaum aufdämmermden Frohsinn erstickte (…) und habe gefunden, dass Ähnliches gewiss jedem gebildeten und edler denkenden Juden begegnet, sobald er sich über seine unnatürliche Stellung zur Mitwelt aufrichtige Rechenschaft gibt. Der Gedanke: Du bist ein Jude! ist eben der Quälgeist, der jede wahre Freude lähmt, jedes sorglose Sichgehenlassen gewaltsam niederdrückt…“

In ihrer Einleitung schreibt Klapheck: „Heute, da die Demokratie erneut in Gefahr geraten ist, bedarf es ihrer Vergewisserung und Bestärkung. Das geht jedoch nicht, ohne den Anteil des Judentums an der Demokratie zu verstehen und zu würdigen.“ Und dabei ist dieses Buch in jedem Fall hilfreich.

Klapheck, Elisa / de Wolf, Abraham / Heid, L. Joseph, 175 Jahre Paulskirche – Jüdischer Anteil an der deutschen Demokratie, Hentrich & Hentrich Leipzig 2024, 92 S., 12,90 Euro, Bestellen?