Heute: Hubert Aiwanger (Freie Wähler Bayern) & Co. sowie der Fanatismus[1]
„Der Fanatismus verdirbt den Charakter,
den Geschmack und zuletzt die Gesundheit;
und wer diesen dreien zugleich wieder von Grund aus aufhelfen will,
muss sich auf eine langwierige Kur gefaßt machen.“
(Nietzsche 1880)
Der Beitrag analysiert den Fanatismus, ausgehend von Victor Klemperers legendärer NS-Sprachstudie von 1947 und unter Konzentration auf die unheimliche Wiederkehr das Fanatismus beim Hitler-analogen Schreihals Donald Trump sowie bei dessen (west-)deutschen Pendants, darunter den AfD-Politiker Björn Höcke. Aber auch, erst durch eine Parodie seines Chefs Markus Söder (CSU) deutlich geworden, im Blick auf den Schreihals und bayerischen Vize-Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger. Als lehrreiches, vielleicht ja auch Aiwanger belehrendes Beispiel für einen Fanatiker, der von seinem Fanatismus vorübergehend abzusehen lernte, gilt im Folgenden Friedrich Nietzsche. Sozialisationstheoretische und sozialpädagogische Überlegungen zum Thema runden die Darstellung ab, gegen den aktuellen popjournalistischen Trend, der Witzeleien zum Thema, wie am Beispiel Spiegel zu zeigen sein wird, bevorzugt und seriösen Beiträgern keinen Raum mehr bietet. Anders als hagalil.com, das mit diesem Beitrag die am 15. Juni hier eröffnete Folge Die AfD und ihr Think Tank beenden wird, in der Hoffnung, dieser Text und seine neun Vorgänger würden hin und wieder als Wahlratgeber, etwa zum 8. Oktober 2023 in Bayern, beigezogen.
Von Christian Niemeyer
Stichworte wie „Ärger eines Sitzenbleibers“, „Flugblätter aus Rache an den Lehrern“ etc. lassen Leser*innen jetzt bestimmt an den Büchsenmacher und Waffenhändler Helmut Aiwanger (53) und das Burkhart-Gymnasium Mallersdorf-Pfaffenberg, Schuljahr 1987/88, denken. Falsch: Ich dachte an mich und rege an dieser Zurechnung Zweifelnde zur Ortsrecherche am Gymnasium Ernestinum in Rinteln und speziell im Umfeld der Schülerzeitung flash der Jahre 1969 bis 1971 an. Warum ich dies so offen einräume? Weil ich alles Verständnis der Welt aufzubringen vermag für die Wut von Sitzenbleibern aller Art – aber null Toleranz für die absurde, typische Sitzenbleiber-Idee, dass man deswegen Preise ausloben muss vom Typ „Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz“; Null Toleranz meinerseits also für diesen Witzereißer namens Helmut, der, lt. BamS v. 27. August (Nr. 35, S. 2), Kunde davon gab, er habe 1987/88, aus den besagten Gründen, ein antisemitisches Flugblatt mit Sprüchen wie dem genannten – Sprüche, die in Bayern leider auch heute noch zum Alltag gehören[2] – verfasst; nicht hingegen sein ein Jahr jüngerer Bruder Hubert, immerhin Vize-Ministerpräsident des Freistaates Bayern.
Wirklich nicht? Hatte dieser vor toxischer Männlichkeit geradezu strotzende Politiker etwa nicht der Süddeutschen Zeitung[3] gegenüber zunächst geleugnet, dieses Flugblatts wegen nicht bestraft worden zu sein? Geleugnet, dass die Flugblätter in seinem Schulranzen gefunden worden waren? Hatte er nicht schon 2008 einen Lehrer seiner Ex-Schule durch seine Parteigenossin Jutta Widmann fragen lassen, ob von seiner Seite Gefahr droht? Ein Lehrer übrigens, der nach einer Wahlkampfrede Aiwangers in Erding, in welcher dieser à la AfD des Heizungsgesetzes wegen dazu aufrief, die „schweigende Mehrheit“ müsse sich die Demokratie zurückholen[4], misstrauisch wurde und erkannte, dass jenes Flugblatt nicht als „Jugendsünde“ ad acta gelegt werden könne. Als was denn dann?
Nun, inzwischen und dank seines Ex-Mitschülers Mario Bauer, der sich Dienstagabend in Report München auf BR[5] mit Klarnamen und insgesamt sehr authentisch und absolut glaubwürdig wirkend über den damaligen, auch frisur- und kleidermäßig als solchen erkennbaren Hitlerfan Hubert Aiwanger ausließ, über sein Zeigen des Hitlergrußes im Klassenzimmer sowie Witze über Auschwitz auf Klassenfahrten, scheint sich das Blatt zu wenden, liegt der Schluss nahe, Helmut habe seinem Bruder mit der Schuldübernahme letztlich einen Bärendienst erwiesen. Mehr als dies: Dank Welt[6] wissen wir inzwischen auch, aufgrund des Fundes einer im KZ Dachau dokumentierten, damals vom Bundespräsidenten preisgekrönten Schülerarbeit des Gebrüder-Aiwanger-Mitschülers Roman Serlitzky, dass jenes Aiwanger-Flugblatt seinerzeit als (verspäteter) Protest gegen einen von der SMV 1985 gestarteten Aufruf zu einer Mahnwache am örtlichen Judenfriedhof gedacht war, als Protest gegen „linksradikale Lehrer“ (so unser Sitzenbleiber). Damit wiederum erinnert der ganze Vorgang, mich zumindest (vgl. Niemeyer 2023: 209 ff.), an die Grundstimmung in Bayern bei der JU, als deren damals aufstrebender Stern der (spätere) Regensburger Historiker Manfred Kittel zu gelten hat; der mittels seiner vom IfZ-Historiker Horst Möller betreuten Dissertation Die Legende von der ‚Zweiten Schuld‘ (1993) tatsächlich kaum mehr aufs Gleis zu setzen verstand als eine Kampfschrift gegen den NS- als auch vom Think Tank der Neuen Rechten verfolgten Buchautoren und Filmemacher Ralph Giordano; eine, nebenbei gesagt, auch noch von der Konrad-Adenauer-Stiftung subventionierte Kampfschrift. Will sagen: Wäre ich einer oder auch gleich beide Aiwangers, würde ich in dieser heillos verfahrenen Situation als Niederbayer als Befreiungsschlag einfach beim zehn Jahre älteren Mittelfranken, jetzt Uni Regensburg, nachfragen, ob er Ihnen nicht nachträglich recht geben könne in Sachen der Motive, die ja schließlich auch ihn, Kittel, um 1987/88 umgetrieben hätten bei der Planung seiner Dissertation gegen dem von Torsten Hinz von der rechtsradikalen Jungen Freiheit als solchen bezeichneten Hamburger Nestbeschmutzer und Juden Giordano und dessen Buch von 1987. Spannend zu sehen, bis zum 8. Oktober, was dann passiert und ob sich das „bürgerliche Lager“ inklusive der ihm zuzurechnenden Historiker in letzter Kräfteaufwallung der Ernst-Nolte-Nachfahren im Interesse Söders zusammenschließen wird zu einer Art Manfred-Kittel- sowie, um Göttingen nicht zu vergessen[7], Alfred-de-Zayas-Allianz. Mit Verleihung des bayerischen Staatspreises an Hubert Aiwanger am 9. Oktober…
Ein Frage, die ich übrigens als 26. Markus Söder vorschlagen würde, der ja seit dem 29.08., 12.00 (= High Noon) auf Antworten zu 25 Fragen wartet und der am Abend zuvor in einem Bierzelt in Landshut mittels einer Hitler-Parodie auf seinen Vize[8] – eine Idee aus dem Tollhaus – die Richtung vorgab: Bitte in Zukunft, lieber Hubert, wie ein bloß bellender, aber niemals zubeißender Hund, agieren – dann geht die Sache am 8. Oktober schon in Ordnung. Und nach außen: Hubert sei halt bayerische Art, werde von ihm, Söder, schon eingehegt durch das gemeinsame Merkmal „bürgerlich“; welches allerdings auf einen nicht passe: auf die Grünen, die Leute von der Klima-RAF! Oh, wie gemütlich wurde es da in Landshut im Bierzelt – fast so gemütlich wie im Münchener Bürgerbräukeller am 8. November 1939 um 21.00, nicht wahr?
Wem spätestens hier der Kamm schwillt, und zwar nicht ob Söder, sondern weil er nicht mehr ganz mitkommt, muss wohl Unterfranke oder Spiegel-Leser sein, Teil des Komplotts der Ahnungslosen also. Beleidigend? Nicht, was den Spiegel angeht. Ein Nachrichtenmagazin, vor dem Helmut Kohl, genannt „Birne“, noch graute – und das, fraglos zum Entsetzen seines Begründers, am 26. August nichts zum Skandal um die Gebrüder Aiwanger brachte; und das ersatzweise mittels einer Headline wie Tod eines Killers (= Prigoschin) statt, richtig: Mord eines Killers (= Putin) haarscharf am wirklich wichtigen Sachverhalt vorbeidilettierte: Wer, zum Teufel, braucht schon ein solches Nachrichtenmagazin?
Wie es besser geht, zeigte, wie gesagt, die Süddeutsche Zeitung. Und, so jedenfalls meine Absicht, wird die nun folgende Analyse zeigen, mit welcher ich mir, wie an der Überschrift erkennbar, dem Think Tank der AfD um einen Namen bereichere, den ich bisher nicht auf dem Schirm hatte.
Vom Fanatismus
Der Fanatismus ist seit Victor Klemperers sprachanalytischer Studie LTI (= Lingua Tertii Imperii – Sprache des Dritten Reiches) weitgehend anerkannt als ein notwendiges, wenn auch nicht hinreichendes Merkmal für totalitäres, eindimensionales und sich als alternativlos behauptendes Denken mit fast notwendig antisemitischen Zügen. Als Musterfall galt dem die Nazizeit in Verstecken überlebenden jüdischen Romanisten Klemperer der hysterische Schreihals Hitler, deutlicher: die in der NS-Zeit beharrlich vorgetragene Vorstellung. „ohne Fanatismus könne man kein Held sein.“ (Klemperer 31957: 26 f.) Die „letzte Generation“ der Nazi-Zeit, die Flakhelfergeneration unter den NS-fanatisierten Nietzschelesern, erstattete dieser Vorstellung den ihr eigenen Blutzoll (vgl. Niemeyer 2023a: 95 ff.); die aktuelle Generation der von Björn Höcke fanatisierten (Jung-)AfDler steht kurz davor, namens des von Donald Trump geprägten Fake-News-Fanatismus analoge Wege zu gehen. Dass der Fanatismus vielerlei Masken trägt, ohne deswegen aufzuhören, menschenverachtendes Machen und Tun zu generieren, steht inzwischen also außer Frage, wie das Pärchen Trump & Putin ebenso illustriert wie das unter dem Namen Putin & Prigoschin zu fassende Fanatismus-Doppelpack der besonders (männer-)toxischen Art: Zum Schreien sind beide, schreiend aber wird man sie nur in Ausnahmefällen erleben; zumeist erledigen sie ihr Handwerk des Tötens nach Art des Fanatikers: mit Süffisanz und Ironie sowie, Prigoschins Spezialität, der sich und seinen Mörderorden auf den Namen Wagner taufte, mittels geschickter Evozierung einer Aura toxischer Männlichkeit, bei welcher Vergewaltigungen zum (gelungenen) Alltag gehören.
Fanatismus-Analytiker oder gar -Gegner werden also aktuell dringend benötigt, sind aber rar gesät. Einer von ihnen, wohl der wichtigste, wird durch die Überschrift und zumal das Motto deutlich markiert: Nietzsche – eine Art Noname für Klemperer, den typischen Spießbürger. Schade eigentlich, insofern Nietzsche, wie das im Motto aufgerufenen Zitat zeigt, als Wagnerianer seinerseits vom Fanatismus heimgesucht worden war und sich mittels einer Anti-Fanatismus-„Cur“ zu heilen suchte – ohne durchschlagenden Erfolg, wie man weiß und im Folgenden verdeutlicht werden soll. Aber immerhin, so steht doch zu hoffen, gewinnt Nietzsche, zumal jener der New School, Vorbildwirkung in der Zeit nach dem aktuellen Schlachten in der Ukraine und vor der dringenden Abrechnung mit Putin & Co. à la Nürnberg II. Eine Abrechnung, die, so die Welt bis dahin nicht in die Luft geflogen ist, mir jedenfalls unabweisbar dünkt. Wie wichtig dieser Punkt und das Thema insgesamt ist, zeigt der um Nietzsches als auch Klemperers Kritik unbelehrte Fanatismus der Neuen Rechten sowie des Think Tank der AfD, der sich auf Nietzsche beruft (zu denken ist an Frank Lisson), ohne jede Ahnung, dass dieser in der Substanz, als Anti-Antisemit, ein entschiedener Gegner des Fanatismus war. Immerhin lehrt Nietzsches frühe Fanatismus-Phase, dass der Fanatismus als Grundsubstrat allen Rechtsseins gelten könnte und erst seine Überwindung freies Denken ermöglicht.
Meint zugleich: Wer, wie der Verlag Klett-Cotta vor Jahren, den Mut hat, ein Buch mit dem Titel Mit Rechten reden (Leo/Steinbeis/Zorn 2017) herausgehen zu lassen, und dies auch noch mit dem Untertitel Ein Leitfaden, muss wissen, was er tut. Wissenschaft jedenfalls kann es nicht sein – so, wie in diesem Fall, der Fanatismus unbeachtet bleibt, mehr als dies: Mitten im Buch im Blick auf „den schönen Gesprächsband Tristesse Droite (Verlag Antaios, 19 Euro zzgl. Versand, viel besser als Sieferle!)“ wird mit unfassbarer Naivität versichert:
„[W]ir widersprechen all jenen, die eure Selbstdarstellungen nur für eine taktische Inszenierung, eine Maskierung eurer wahren Absichten halten.“ (Leo et al. 2017: 103 f.)
Selten in der neueren Literaturgeschichte war es so leicht, Sätze wie diese als naiv und unstatthaft zu markieren, was andernorts ausführlich geschah (vgl. Niemeyer 2023: Kap. 4). So dass hier nur bleibt, den angesprochenen Fanatismuskomplex ein wenig genauer zu beleuchten. Der Ausgangspunkt dabei und um anzuknüpfen an das andernorts zum sozialpädagogischen Verstehen Ausgeführte (etwa Niemeyer 2022; 2023: Kap. 4.2): Vorm Reden mit Rechten, wie von Leo et al. 2017 intendiert, würde mich als Sozialpädagoge und namens des Ex-Fanatikers Nietzsche das Verstehen interessieren. Kurz: Das Problem, auf das hin sich der (Neu-) Rechte als eine Art Lösung präsentiert, zusammen natürlich mit seiner Peer Group. Mein Thema ist also das „Warum?“, weit vor dem „Wie?“ Folglich und zumal als ein über die Beratungsmethodologie einigermaßen informierter Zeitgenosse interessieren mich nicht die geradezu lächerlichen goldenen Regeln derer von Leo & Co., Historiker der eine (Leo), Jurist der andere (Steinbeis), Philosoph der Letzte (Zorn). Alle drei und ihr Verlag (Klett-Cotta) sind offenbar gänzlich unbesorgt, dass ihr Leitfaden[9] in jeder einigermaßen auf der Höhe der Zeit befindlichen Psychologen-Praxis für Lachstürme sorgen würde. Allein schon wegen des vollständig fehlenden Bewusstseins dafür, dass es bei Beratung um Kommunikation geht und also einiges Wissen um deren Tücken, ob nun via Freud oder via Watzlawick, unabdingbar ist.
Allererst wichtig dabei und als Rat Nietzsches nicht gering zu schätzen, gleichsam seiner Manufaktur Sozialpädagogik avant la lettre entstammend:
„Überzeugungen sind Gefängnisse.“ (VI: 236)[10]
Denn aus Gefängnissen kommt man schlecht heraus. Von innen allerdings, „Innen“ als Metapher für „Inneres“ gelesen, leichter als von „Außen“, dieses Wort nicht als Metapher gelesen. Ein imposantes Beispiel gibt Tristesse Droite dort, wo der Spieß umgedreht wird und die in diesem Gesprächsband auftretenden Neuen Rechten beginnen, das Infantile des Sozialpädagogen zu skandalisieren. Oder, von Claus Leggewie (2016: 80 f.) als auch von Samuel Salzborn (2017: 150 ff.) eindrucksvoll kontextualisiert: Wo der neurussische und damit neu-rechte Ideologe Alexander Dugin in einem Spiegel-Gespräch (vom 14. Juli 2014) Putin für normal erklärt („Putin ist alles, Putin ist unersetzlich“) und ersatzweise Putins Kritiker zu pathologisieren sucht, die, so Dugin, ausnahmslos „psychisch Kranke“ seien, dafür aber solche „mit Recht auf Heilung, auf Unterstützung“. Inzwischen ist Dugin, nach der Autobombe, der seiner Tochter im August 2022 das Leben kostete, fast schon Vergangenheit – mitsamt wohl seiner Für-Normal-Erklärung Putins, die selbst in Russland kaum noch einer teilt, zumal nicht jene pfiffigen Zeitgenossen, die den Petersburger Grabstein von Putins Eltern mit dem Spruch verschönerten:
„Liebe Eltern! Ihr Kind benimmt sich sehr schlecht. Es meidet den Geschichtsunterricht, streitet mit seinen Mitschülern und droht, die Schule in die Luft zu sprengen. Handeln Sie!“[11]
Um ehrlich zu sein: Intelligenteres, für die Rekonstruktion von Putins (natürlich schwere!) Kindheit (etwa Niemeyer 2022a) Geeigneteres habe ich noch nicht gelesen, eingeschränkter formuliert: jedenfalls nicht am 2.10.2022. Dümmeres allerdings schon, gleichfalls an jenem Tag übrigens. Womit wir bei Karl Lauterbach sind und einer Gegennachricht zu jener, nicht einer russischen, sondern einer typisch deutschen, schlimmer: eine eines Professors und Gesundheitsministers sowie eines SPD-Mitglieds unwürdige. Lauterbach nämlich twitterte, übrigens unklugerweise gegen Richard David Precht:
„Wir sind im Krieg mit Putin und nicht seine Psychotherapeuten. Es muss weiter konsequent der Sieg in Form der Befreiung der Ukraine verfolgt werden. Ob das Putins Psyche verkraftet, ist egal.“[12]
Ich muss wohl, auch auf die Gefahr, als Vaterlandsverräter ins Abseits gerückt zu werden, nicht groß erläutern, warum ich es in dieser Streitfrage eher mit den Petersburger Schnellmerkern halte als mit der typisch-deutschen Professorenbräsigkeit – oder gar einem Besser-Ossi wie Tino Chrupalla (AfD), der sogleich re-twitterte, Lauterbach habe gut reden, bedürfe seinerseits eines Psychotherapeuten etc. pp. Dieser offenbar parteiübergreifende Niedergang höherer Denktätigkeit erlaubt mir übrigens, auf das Unparteiische einer rein psychologischen Analyse selbiger verweisen zu dürfen, jedenfalls, solange sie lege artis ausgeführt wird.
Zur Erläuterung speziell dieser Forderung kommt mir der Fall des Hallenser Psychotherapeuten Hans-Joachim Maaz wie gerufen. Dem, als AfD-Sympathisanten, seine politische Überzeugung erstmals in die Quere kam, als er Sigmar Gabriels Beschimpfung der Heidenauer Anti-Flüchtlings- resp. Anti-Merkel-Demonstranten im Sommer 2015 als ‚Pack‘ „praktisch wie eine Anstiftung zur Gewalt“ las und entsprechend die Anti-AfDler auf die Couch bestellte, insofern für diese „typische Bekenntnisse vom Typ weltoffen, bunt, tolerant und friedfertig“ ja möglicherweise gar nicht ernst gemeint seien, sondern „eine tiefe seelische Last“ verbergen würden (Maaz 2016: 359 u. 362). Seit diesem Beispiel ahnt man um das grundsätzlich Bedenkliche einer psychopathologisierenden Argumentation im politischen Meinungsstreit.
Das Thema darf sich seit Tobias Wimbauers (Jg. 1976) spektakulärem Ausstieg als Junge-Freiheit-Autor 2009 mit dem Argument, sein Einstieg bei den Neuen Rechten sei eine Resultierende aus „Größenwahn, Samenstau und grandios überzogenem Konto“ (zit. n. Kositza/Kubitschek 2015: 104) gewesen, erhöhter Aufmerksamkeit sicher sein. Zumal bei Betroffenen (eingerechnet still Betroffene unter Einschluss Zweifelnder, die nachzudenken beginnen über das, was sie den lieben langen Tag eigentlich so schreiben oder reden). Allererst Raskolnikow, den Leser*innen des vorliegenden Buches von den oben gegebenen Erläuterungen sowie Spekulationen zu Tristesse Droite (vgl. Niemeyer 2023: 40 ff.) längst kein Unbekannter mehr. Der gut zweieinhalb nach jenen Aufzeichnungen ein Schriftstück mit „Raskolnikow, Moskau, 6. Juni 2016“ abzeichnete und uns deswegen als „Moskauer Patient“[13] gilt. Und der als solcher folgenden Satz von sich gab:
„Die Nibelungen sind das Ideal der totalen Männlichkeit, die jedem schlauen Menschen als wahnwitzig erscheinen muß. Dieser Heroismus erweckt bei dem Gebildeten entweder Schrecken oder Hohn. Beides ficht uns nicht an.“ (Raskolnikow 2016: 227)
Stünde ich jetzt im Chefarztkittel in irgendeinem Hörsaal der Charité – man wird ja wohl noch einmal (alp-)träumen dürfen! –, wäre mein textbezogener Anknüpfungspunkt das „uns“; dies vor allem in der Absicht der ferneren Gefahrenabwehr und wohl mit der unvermeidbaren Folge, auch jene für die Vorlesung in der nächsten Woche zu laden, die als Unterstützer von derlei leicht durchschaubarem Versuch des „Moskauer Patienten“ gelten können, die Grenzen des ‚Wahnwitzigen‘ so weit zu verschieben, dass er sich für normal und alle anderen außer „uns“ für verrückt erklären kann, als da wären: Martin Lichtmesz (als, wie er selbst sagt, „Zuträger“ des Raskolnikow-Textes) sowie Götz Kubitschek (als Verleger desselben). Da die beiden Genannten sich natürlich weigern werden, (Ein-)Ladungen dieser Art Folge zu leisten – ihnen gilt, in krankentypischer Umkehr Rechtssein als normal, alles andere hingegen als mehr oder weniger krank (vgl. Niemeyer 2022: 58 ff.) –, schiene es an sich ratsam, dieses etwas abschüssige Gleis zu verlassen, mit dem in der Überschrift angedeuteten Befund, das vielfach bekrittelte Bonmot unseres früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt, wonach, wer Visionen habe, zum Arzt müsse, sei richtig – jedenfalls solange man es nicht mit Leuten zu tun bekommt wie jenen „Moskauer Patienten“. Der statt von einfachen Visionen gleich von komplexen Weltherrschaftsvisionen geplagt wird, erneuten und erneuerten, wie der Geschichtskundige zu präzisieren weiß, unter Berufung auf den von Raskolnikow adaptierten Heroismus (= Fanatismus) der Nazis, spezieller: der Waffen-SS.
Mehr indes scheint dieser Fall nicht herzugeben – wäre da nicht Tristesse Droite, deutlicher: das Buch gleichen Namens aus dem Antaios-Verlag, 2015 ins Rennen geschickt von Ellen Kositza mit dem Versprechen, es handele sich um ein Buch „für alle und keinen“, also, wie ich mir erlaube zu übersetzen, um ein Werk vom Rang, vergleichbar mit Nietzsches Dichtung Also sprach Zarathustra (1883-85) mit dem Untertitel Ein Buch für Alle und Keinen. Um ehrlich zu sein: nicht wirklich ein durchdachter Vergleich, wenn man bedenkt, dass diese Dichtung, neuesten Erkenntnissen zufolge (vgl. Niemeyer 2022b), mindestens auch als Schlüsseltext im Blick auf Nietzsches Syphilis gelesen werden darf und deswegen, zur Warnung, als Buch „für alle“ (und „keinen“, jedenfalls außerhalb dieser Warnstufe) rubriziert werden könnte.
Aber auch unterhalb dieser Überlegung steht Kositzas Rubrum nicht gerade für ein Kompliment, wenn man bedenkt, dass diese Dichtung angeblich, als Tornistergabe deutscher Soldaten, zwei Weltkriegen den rechten Schwung verlieh, letztlich infolge eines einzigen Spruchs:
„Ihr sagt, die gute Sache sei es, die sogar den Krieg heilige? Ich sage euch: der gute Krieg ist es, der jede Sache heiligt.“ (IV: 59)
Einverstanden: Unser „Moskauer Patient“ wird ihn wahrscheinlich lieben, diesen Spruch. Ganz zu schweigen – apropos Moskau – von Putin. Der ja aktuell den Eindruck macht, als sei ihm an Krieg an sich gelegen. So dass wir Kositzas Werbespruch, ungeachtet der aus der Nietzsche- resp. Zarathustra-Forschung zu beziehenden weiteren Bedenken gegen ihre Deutung[14], einfach einmal so stehen lassen wollen.
Wichtiger ist ohnehin, diesen Fall zum Ausgangspunkt genommen, die Frage: Was tun? Was tun – um etwas genauer zu sein –, mit jenen, die derart kriegerisch gesonnen sind, dass ihnen jeder Vorwand, sich auf diesem Feld zu beweisen, recht ist? Wie – wir können ja hier nicht über Gott und die Welt reden, sondern müssen schon einer gewissen Logik folgen, – Donald Trump, der eigentlich, dem Titel des Buches zufolge, dem dieser Passus entnommen wurde, noch vor Putin hätte bedacht werden müssen.
Sei’s drum und ob nun Temperamentsache oder Effekt eines schlicht eingestellten Blutdrucks: Im Vergleich zum maskenhaften Putin wirkte Trump vom Beginn seiner Präsidentschaft so, als läge ihm keineswegs daran, wie die Leute, zumindest die zurechnungsfähigen, über ihn denken. Wie eine „blonde Bestie“ etwa, frisch dem Drachenbad entstiegen und sich für unschlagbar haltend, im Gestus des Ecce-homo-Nietzsche („Warum ich ein Schicksal bin“) daherredend, schon während des Wahlk(r)ampfes mit „Thus Spoke The Donald“ verspottet – und sich mit seiner wohl von Stephen Bannon verfassten Inaugurationsrede vom 20. Januar 2017 endgültig als Rüpel vom Typ ‚Weltwirtshausschläger‘ demaskierend. Zumal die amerikanischen Grundschüler nicht-mexikanischer Herkunft aus dem white-collar-Milieu mit ersten Anzeichen von Wohlstandsverwahrlosung gaben auf dem Schulhof den Sheriff und zu Hause den Tyrannen, angeblich ausgestattet mit einer Standleitung ins Weiße Haus und bei jeder Gelegenheit im Geiste des Präsidenten herumtönend: „Win-Win ist was für Pussies!“ Sprüche wie diese dürften häuslicher Gewalt mit und ohne sexuellen Missbrauch neuen Auftrieb gegeben haben und riefen schließlich Psychologen auf den Plan, etwa im Oktober 2017 in New York. Wo ein von 27 Psychiatern und Medizinexperten verfasster Reader (Lee 2018) erschien, der mit dem Versuch aufwartete, eine medizinisch indizierte Amtsenthebung des aktuellen US-Präsidenten in die Wege zu leiten. Die in jenem Band unterbreiteten Diagnosen waren tatsächlich alles andere als harmlos und kulminierten in (witzigen) Überschriften wie Donald Trump Is: (A) Bad, B: Mad, C: All of the Above (John D. Gartner) sowie dem (weit weniger witzigen) Krankheitsbild Sociopathy (Lance Dodes), für das Fanatismus, gelesen als der unbedingte, für Widerspruch nicht empfängliche Glaube an eine für richtig befundene Wahnidee, als kennzeichnend gelten darf. Und für die uns Fanatismus als gemeinsamer Nenner gilt.
Vom sozialpädagogischen Verstehen
Für den Umgang mit derart verlorenen Seelen wie jener Trump oder auch Raskolnikows, mit des Letztere „Vaterlosigkeit“ und den von einem Truppenpsychologen diagnostizierten „autodestruktiven Tendenzen“ sowie, nach der Wende, ausgeprägter Hooligan-Erfahrung mit „abgesprochenen Schlägereien“ im Zwei-Wochen-Rhythmus (vgl. Kositza/Kubitschek 2015: 93 f.), ist die Sozialpädagogik à la Herman Nohl und das ihr eigene Konzept sozialpädagogischen Verstehens an sich prädestiniert – war aber dort damals nicht präsent, wo sie, was „Raskolnikow“ angeht, gebraucht wurde: in der DDR. Schade, zumal die Problemlagen sich hier wie da entsprechen und seit Mitte des 19. Jahrhunderts analog fixiert wurden auf die angebliche Binse: Kinder sind anstrengend und anforderungsreich, kaum ins Kalkül zu bekommen in dem, was sie umtreibt und motiviert. Heinrich Hoffmann gab mit seinem Struwwelpeter (1844) ein scheinbar eindeutiges Zeichen in dieser Frage (vgl. Göppel 1989), ebenso wie 620.000 hyperaktive (ADHS) Kinder und Jugendliche in Deutschland (2011) und 1839 Kilogramm Ritalin (2012) zwecks medikamentöser Ruhigstellung derselben, also dreimal so viel wie zehn Jahre zuvor (SZ v. 15. April 2014: 24).
Oder sind es etwa allererst die Erwachsenen, die immer schon nervös waren und immer nervöser wurden? Zu denken gibt hier der Umstand, dass selbst William Preyer, immerhin der Begründer der modernen Kinderforschung, durchaus entnervt zu Protokoll gab:
„[D]as [neu]geborene Kind […] [lässt] nicht ein einziges der Merkmale erkennen […], die den Menschen vom Thiere trennen. Es hat kein ästhetisches und kein sittliches und kein moralisches Gefühl […]. Es hat keine Vernunft, keinen freien Willen, keine Spur von Selbstbeherrschung.“ (Preyer 1897: 82)
Indes: Dass auch damals schon eine andere, entspanntere Sicht auf das Kind möglich war, zeigt das Beispiel Nietzsche. Der seinem Sprecher Zarathustra fünfzehn Jahre zuvor das neue, in Ellen Keys ‚Pädagogik vom Kinde aus‘ folgenreich gewordene (vgl. Niemeyer 2002: 151 ff.) romantische Kindheitsideal hatte fixieren lassen:
„Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neubeginnen, ein Spiel, ein aus sich rollendes Rad, eine erste Bewegung, ein heiliges Ja-sagen.“ (IV: 31)
Freilich: Von dieser Unschuld und Weltoffenheit des Kindes bei gleichzeitig großer Ernsthaftigkeit im kindlichen Spiel bleibt in der Regel nicht mehr viel erhalten. Erwachsenenwerden selbst scheint vielerorts eine Art Verfallsgeschichte zu sein, nach Zarathustras Kanon: „Mancher wird nie süss, er fault im Sommer schon.“ (IV: 94) Der ‚nervöse‘ Kindheitsforscher Preyer könnte hier als Beispiel dienen. Der Sache nach passt hierhin – ins Themengebiet ‚Verfall‘ –, dass wohl alle Pubertätsforscher dem Befund Siegfried Müllers zustimmen würden, wonach in der Jugendphase das „Vermögen“ erodiert, „sich in die Empfindungen Anderer hineinzuversetzen.“ (Müller 2000: 433) So gesehen wird man vom Verfall des Verstehens im Verlauf der Ontogenese reden dürfen, dies jedenfalls im Blick auf eine mitteleuropäische Standardbiografie, deren Tiefpunkt – um einmal einen kleinen Scherz zu riskieren – im Typus ‚Berliner Autofahrer, mitteljung, männlich‘ kulminiert, der allen Ernstes vor sich und anderen behauptet, ihm sei nicht nachvollziehbar, was der Fahrer im Fahrzeug halb rechts vor ihm auf der Einfädelspur, verzweifelt blinkend, eigentlich beabsichtige. Davon bleibt der Fakt selbst unberührt:
- Kinder benötigen Erzieher, die sie verstehen.
- Kinder treten an sich von Beginn an offen auf und mit dem Interesse am Verstehen der für sie so fremden Welt.
Die moderne Kindheitsforschung sieht ‚das‘ Kind denn auch eher in der Linie Nietzsches denn in jener Preyers.
Vieles entspricht dabei den Voraussagen der 1958 ausdrücklich in Konkurrenz zur „Tiefenpsychologie“ (Heider 1958: 12) gestarteten Attributionstheorie: Der Mensch ist offenbar permanent damit beschäftigt, ein von ihm beobachtetes ungewöhnliches Ereignis auf eine es bedingende Ursache zurückzuführen – gleichsam die erste Stufe eines noch mit Kausalrelationen operierenden Erklärens (eine Stufe, die Heimerzieher mitunter bevorzugen; vgl. Niemeyer 2015: 101 ff.). Vom wirklichen Verstehen kann hingegen erst gesprochen werden jenseits der vor-verbalen Zurechnung auf Ursachenklassen, die ihrerseits der Beobachtung entzogen sind: Man muss miteinander reden und eine Art kommunikative Validierung anzielen im Blick auf die von einem unterstellte Ursachenklasse. Dies meint zugleich, dass das Verstehen auf Sprachbeherrschung angewiesen ist, und sei es zwecks Geltungssicherung.
Von diesem Ausblick auf Heilung noch einmal zurück zum Problem: Wie kommt es überhaupt zum Verfall des Verstehens? Vielleicht sollte man vorerst antworten: Weil Erwachsene allzu rasch verlernen, auf jene Imponderabilien zu achten, die letztlich dafür verantwortlich sind, dass scheinbar Unbedeutendes infolge klassischer, von Volker Kraft in Augenschein genommener „Empathiefehler“ (Kraft 2004: 133) der primären Bezugsperson eskalierend wirken kann und als Kränkung gespeichert wird, nach dem auf Hartmut von Hentig zurückgehenden Muster:
„Eine einzige Geste eines anderen, in seinem [des Menschen; d. Verf.] Gemüt gespeichert, kann ihn ein Leben lang mit Eifersucht oder Haß oder Hypochondrie erfüllen, ein einziges Wort ihn mit Sehnsucht oder Heilsgewißheit oder Verblendung schlagen.“ (zit. n. Bock/ Andresen / Otto 2006: 332)
Tragisch, dass diese Einsicht Hentig nicht abhielt, Missbrauchstäter gewähren zu lassen. Richtig bleibt seine Einsicht gleichwohl, zumal ihr innewohnt, dass Babys im Interesse des (mentalen) Überlebens in dieser für sie so alptraumhaft fremden Welt Forscher sein müssen sein müssen – und auf ‚Forscher‘, deutlicher: auf Erforscher ihres Willens und ihrer tagtäglichen Sorgen, angewiesen sind. Denn schließlich kommen sie – wir alle – nackt und schreiend zur Welt, ohne Chance, sich verbal zu erklären, bedroht von der Gefahr des Verhungerns und Verdurstens, wäre da nicht jemand, der Zeichen zu lesen versteht und für Nahrung sorgt, auch für Wärme und Geborgenheit, dies im Interesse der Sache, denn, und auch dies ist ein nicht mehr in Frage stehender, auch fürs Kognitive geltender Grundtatbestand: „Sicher gebundene Kinder handeln eher mitfühlend-prosozial als unsicher gebundene Kinder.“ (Warneken 2010: 86)
Was passiert, wenn derlei ausbleibt – um zunächst nur dieses Elementare zu bedenken, dieses Notwendige, aber noch keineswegs Hinreichende –, konnte man, gleichsam am Ende eines großen Feldexperiments, in Rumänien, studieren: Zwei Jahre nach der Geburt schließt sich unwiderruflich ein „Entwicklungsfenster“. Kinder, die bis dahin unter den Bedingungen des Hospitalismus sozial vernachlässigt in Heimen aufgewachsen sind, weisen nun irreversible Defizite auch im kognitiven Bereich auf, weil „Nervenzellen [verkümmern], statt sich zu vernetzen.“ (SP v. 17. Februar 2014: 126; Nelson / Fox / Zeanah 2014) Und, um die Sache mal etwas weiter zu bedenken und im größeren Maßstab am Beispiel der zunehmend in den Blickpunkt rückenden Risikogruppe der offenbar von viel zu Vielen, nicht zuletzt von ihren Vätern, lieblos behandelten, sich ins Computerspiel flüchtenden Jungen: Wenn inzwischen, im Vergleich zu 1990, als in dieser Frage noch Gleichstand herrschte, 55 weiblichen Abiturienten 45 männliche gegenüberstehen und Jungen auch unter Schulabbrechern mit 61 % (gegenüber 39 % weiblich) überrepräsentiert sind, dann gibt es eigentlich keinen Platz mehr für ‚soziale Kälte‘, im Gegenteil und dies zumal angesichts der in Fragen der Härte – wie hohe Autoritarismuswerte türkischer Jugendlicher (Uslucan 2008: 86 ff.) belegen, – schon von Haus aus geschulten und in der Jungenarbeit überproportional vertretenen Jungen mit Migrationshintergrund (Bruhns 2013: 81): Kaum überraschend scheint, so betrachtet, die Forderung nach intensiver Beziehungsarbeit gerade in diesem Handlungssegment (Behnisch 2004: 162), dies ausgehend etwa von der in der ADHS-Forschung herausgestellten Bedeutung „der mangelhaften Eingebundenheit des Vaters in die Beziehungswelt des Sohnes“ (Dammasch 2013: 133) als eine der Ursachen für das vieldiskutierte Überhandnehmen medikamentös (Ritalin) ruhig gestellter Hyperaktiver. In diesen Kontext gehört auch Vaterlosigkeit als Prädiktor für „sogenanntes antisoziales Verhalten“ (Sabla 2009: 19) sowie die Bedeutung des Vaters als „Kontrastrepräsentanz zur Mutter“ (Rass 2007: 60), und dies im Blick auf einen Sachverhalt wie den folgenden, von Christian Pfeiffer berichteten:
„Zwei Drittel der Söhne haben Väter, die es nicht fertig bringen, emotional frei mit ihren Kindern umzugehen und ihnen die Liebe zukommen zu lassen, die sie brauchen.“ (SZ v. 8. März 2014: 12)
Dass hier ein verhängnisvoller „Kreislauf der intergenerationellen Weitergabe von Gewalt“ in Betracht kommt im Sinne der Nachahmung selbst erlebter oder gar durchlittener „häuslicher Gewalt“ (ebd.), macht die Sache eher schlimmer, hinzugerechnet den Umstand, dass vielfach „sozial deprivierte Eltern auf Grund eigner früh erlebter Mangelerfahrung nicht imstande [sind], ihren Kindern die nötige Empathie entgegenzubringen“ (Gerspach 2008: 347), sowie, gleichsam nach vorn, in Richtung der nächsten Generation hin betrachtet:
„Männer mit einer unglücklichen Kindheit und einer eher negativen Vatererfahrung üben deutlich mehr Gewalt aus, als Männer mit einer positiven Vatererfahrung und einer als unglücklich eingeschätzten Kindheit.“ (Döge 2011: 55)
So gesehen schließt sich der Kreis: Kinder sind von Beginn an im Interesse ihres Überlebens auf Beziehungen und aufs Verstandenwerden angewiesen (vgl. Naumann 2010: 33) und bedürfen diesem vor allem auch als Beleg für Zuwendung, Bindung, gar Liebe – eine Vokabel, die zumal im familialen Zusammenhang nicht hoch genug veranschlagt werden kann und vom Kind so existentiell benötigt wird wie das Wasser von der Pflanze. Wer daran zweifelt, wird zumeist wohl auch scheitern mit dem Versuch der Sinngebung für das auf den ersten Blick völlig Sinnlose, also mit dem A und O des Erziehungsgeschäftes: zu erkennen, dass die meisten kindlichen Botschaften auf der Beziehungsebene ausgesandt werden – nicht auf der Inhaltsebene (vgl. Watzlawick et al. 1969), – und entsprechend subtil ausgewertet werden müssen.
Wer hier versagt und beispielsweise nicht merkt, dass die um den Verbleib eines an sich ganz nebensächlichen Spielzeugpinguin hysterisch besorgte Siebenjährige gar nicht wirklich diesen vermisst, sondern nur wissen will, ob die Eltern sie auch wirklich lieben, wo sie doch entschlossen scheinen, sie über Nacht bei den Großeltern schlafen zu lassen – ein Vorschlag, der eigentlich Tage vorher ganz gelassen akzeptiert worden war –, hat schon verloren, jedenfalls dieses Spiel. Dies gilt auch für Erzieher im Kontext öffentlicher Erziehung: Auch sie sind auf grundlegende und auf Dauer verlässliche Strategien des Fremdverstehen angewiesen, wenn sie den Spaß an der Sache behalten und sich nicht schleichend in schimpfende und entnervt reagierende Tyrannen verwandeln wollen. Auch sie reüssieren nur als Forscher und erleiden ansonsten notwendig Schiffbruch in der ihnen zunächst einmal fremden Kinderwelt, auf deren Andersartigkeit sie dann nur noch mit Distanz reagieren können, am Ende das sich zum Selbstschutz distanzierende Kind immer weiter hineintreibend in die Negation, in das – erinnert sei an unseren Berliner Autofahrer – späte Schicksal als eines Verstehensverweigerers.
Der sich vermutlich nur voll und Hohn und Spott auslassen würde über Sigmund Freud. Das Interesse Das „Interesse der Erziehungslehre an der Pädagogik“, so notierte er 1913, fast siegesgewiss, stütze sich auf zwei zur „Evidenz“ gebrachte Sätze:
„Ein Erzieher kann nur sein, wer sich in das kindliche Seelenleben einfühlen kann, und wir Erwachsenen verstehen die Kinder nicht, weil wir unsere eigene Kindheit nicht mehr verstehen.“ (GW VIII: 419)
Sein, unseres Verstehensverweigerers zur Evidenz gebrachter Satz ist, einhundert Jahre später, ein ganz anderer, etwa in die Richtung des Psychologen Tobias Grüner gehender, der 2006 ausführte, übrigens in einem der Hauptsache nach von einer Kriminologin besorgten Ratgeber (Erfolgreich gegen Gewalt in Kindergärten und Schule [2006]), der einen frösteln macht:
„Wenn von Schülern ein bestimmtes Verhalten auf eindeutige und überprüfbare Weise eingefordert wird, etwa über Regeln und Verhaltensanweisungen, dann gilt es standhaft zu bleiben […]. Die Regeln dürfen erklärt, aber nicht verhandelt werden. Eine verhandelbare Grenze ist keine.“ (Grüner 2006: 85)
Dem folgt noch, fast generös:
„Wir wollen die Gründe für ein Verhalten erfahren, damit wir es besser verstehen können. Und das ist auch in Ordnung. Dabei besteht jedoch die Gefahr, aus dem Verständnis für die Motive und Ursachen der Tat Verständnis für die Tat selbst zu zeigen.“ (ebd.: 92)
Auch hier bleibt von meiner Seite nur ein vergleichbar unmissverständlicher Gegengruß: Avanti Dilettanti! – aber bitte nicht bei uns ehrbaren Vertreter*innen der Sozialpädagogenzunft! Womit wir bei unserem eigentlichen Thema sind:
Vom popjournalistischen Blabla à la Spiegel
Das Vorstehende wäre kaum der Erwähnung wert gewesen, wenn es sich gleichsam von selbst verstünde. Das Gegenteil ist der Fall: Gängig sind und medial beachtet werden – der Fall Grüner ist nur ein Beispiel unter vielen – Feldzüge auf Bild-Niveau pro „Verantwortungspädagogik“ und contra „Verständnispädagogik“, die nur darauf abzielen, im Interesse eines verängstigten älteren Lesepublikums „die Verhaltensstörungen normativ abzuwerten und mit rigiden Trainingsprogrammen einzudämmen“ (Gerspach 2008: 360), ohne Blick dafür, dass verhaltensauffällige Kinder nicht eben selten „auf verschleierte, nämlich störende Weise in Form regressiver Übertragungsbereitschaft nach emotionalem Halt [suchen].“ (ebd.: 357) Dass ein moderner Psychologe von heute (wie Grüner) dieses Blicks entbehrt, ist fast folgerichtig bei einem Fach, das sich nach 1945 im Sog des Behaviorismus erbarmungslos des eigenen, geisteswissenschaftlichen Vermächtnisses entledigte und seitdem beharrlich hofft, im Reich der Naturwissenschaften Aufnahme zu finden.
Dies kann aber kein Grund sein für andere Fächer, derlei Verfall nachzuahmen und also an der Zugehörigkeit der sozialpädagogischen Denkform zu den Geisteswissenschaften zu zweifeln und das ihr gebührende fachliche Credo dort in Verwahrung geben, wo immer es Unterstützung erfährt. Und sei es bei der Ärztin Maria Montessori, die 1934 feststellte:
„Die Rolle der Pädagog(inn)en besteht […] nicht mehr in erster Linie darin, dem Kind ‚richtiges Verhalten’ beizubringen, sondern ihre Aufgabe ist es, die Welterkundung der Kinder zu ermöglichen, sie in ihrem Forschungsdrang zu begleiten und zu unterstützen und die dabei auftauchenden Themen zu erweitern.“ (Maywald 2002: 41)
Immerhin: Wer unter Erziehung anderes versteht, hat seinen Beruf verfehlt, sei es im Kindergarten oder in der Schule. Wessen ein Kind (oder Jugendlicher) hier wie dort bedarf, sind Menschen, „die seine positiven Gefühle empfangen und erwidern und sich seine negativen Äußerungen und Hassregungen gefallen lassen.“ (ebd.) Denn nur so bekommt man Kenntnis von jener Empirie, derer das Verstehen bedarf, um einen Schritt weiterzukommen bei der Aufgabe, die Perspektive und Lesart des Anderen zu rekonstruieren – eine Aufgabe, die sich überall stellt, auch im Kontext der Arbeit mit Rechtsextremen. Durchgängig, wie im Folgenden deutlicher werden wird, Fanatiker im Sinne Klemperers, Fanatiker also, die der „Cur“ (Nietzsche) bedürfen.
No chance, dachten sich offenbar Spiegel-Redakteure wie Tobias Rapp & Jurek Skrobala. Letzterer, Jg. 1986, schreibt über sich auf seiner Homepage, sehr offen und locker wie ein Schülerzeitungsredakteur: „Jugend in Hagen. Studium in Münster. Gitarre in der Band Videoclub […]. War Reporter bei Neon, als die noch am Kiosk lag.“[15] Ähnliches gilt für Rapp, Jg. 1971, was, in der Summe, die Headline Kanye West dreht völlig ab (im Inhaltsverzeichnis des Spiegel Nr. 50/2022) entschuldigen mag, die auf S. 128 der eher noch schlimmeren Überschrift Jesus Christ Supertroll Platz macht. Der Text selbst ist dann voller sinnentleerter Sprechblasen („Wahnsinn in hoher Taktung wird durch einen Wandel der popkulturellen Öffentlichkeit begünstigt“), ehe die ultimative Diagnose zu diesem inzwischen vom Trump- zum Hitler-Fan aufgestiegenen Rapper folgt:
„West scheint sich beim Streben, eine Art Übermensch zu sein, an andere vermeintliche Übermenschen gehalten zu haben. Was aber, wenn es gar keine Übermenschen gibt? Wenn die Luft ganz oben einfach nur dünn ist? Wenn es dort nicht viel mehr ist als kalt und einsam?“ (SP 50/2022: 130)
Mir ging dazu durch den Kopf: Was, wenn dereinst eine Zeit wiederkäme, wo man Popjournalisten wie diese einfach in der Zwangsjacke aus der Spiegel-Redaktion zerrt, weil man vergessen hat zu vergessen, dass Leserinnen derlei so sexy fänden wie dereinst die Streiche der Sitzenbleiber unter den Klassenclowns?
Kaum hatte ich diese Frage in einen Leserbrief gekleidet, als zwei Hefte später zwar nicht mein Leserbrief, wohl aber, als gehe es um einen stillen Kommentar, unverdrossen die nächste Analyse dieses Zuschnitts erschien, erneut eingeleitet mit Headlines mit wie American Sprengmeister: Ein kreativer Zerstörer? Ein Choleriker mit Asperger-Syndrom? Was war passiert? Hatte man erneut das Duo Rapp & Skrobala beauftragt, diesmal zum Thema Elon Musk? Nein, man hatte sich Hilfe von außen geholt, von der Zeit in Gestalt Wolfram Ellenbergers. Der zwar kein Psychologe oder gar Sozialpädagoge ist, sondern nur Philosoph, was immerhin für ein weit höheres Niveau als im Fall West Sorge trug. Aber infolge von Ellenbergers unzulänglicher Pflichterfüllung im Fach Philosophie und also fehlender Kenntnis über Nietzsche und die in seinem Namen zu übender Kritik an der Nietzscheverächterin Ayn Rand (vgl. Niemeyer 2023: 27 ff.) verlief seine Kür komplett im Sand, verwechselte er beispielsweise Musk mit einer Romanfigur Rands (vgl. SP 52/2022: 47). Zusätzlich ignorierte er, dass Musks Agieren im Vor- und Nachgang zum Attentat auf Paul Pelosi (vgl. Niemeyer 2023: 290 ff.) die Diagnose „gemeiner Fanatismus à la Trump“ nahelegt und damit eine analytische Kategorie, die sozialpsychologisch anschlussfähig ist, wenn auch nicht nach Art der Sozialpsychologin Pia Lamberty, die, in Heft 50/2022 des Spiegel nach den Gründen für die Radikalisierung verschwörungsideologisch aufgeladener ‚Reichsbürger’ befragt wurde („Woran liegt das?“) und zur Antwort gab:
„Diese Menschen befinden kontinuierlich in einem apokalyptischen Status.“ (SP 50/2022: 20)
Wie Elon Musk?
Beim Googeln fand ich zwar alles Mögliche zu Apokalyptik, nichts aber zu „apokalyptischer Status“, schon gar nicht in Lehrbüchern der Sozialpsychologie. Wo immer also Lamberty, Co-Autorin zweier einschlägiger Bücher (Nocun/Lamberty 2021; 2021a) studiert haben mag (gelistet wird sie aktuell als externe Doktorandin im Team der Rechts- und Sozialpsychologie des Mainzer Kollegen Roland Imhoff, der 2018[16] einer „Verschwörungsmentalität“ das Wort geredet hatte, also einer Art trait und damit nicht der Sozial- sondern der längst überholten Persönlichkeitspsychologie): Sie muss weit (noch weiter jedenfalls als Imhoff) über die Grenzen des Faches hinausgesprungen sein – und wäre insoweit verpflichtet gewesen, über das von ihr offenbar neu entdeckte Krankheitsbild „apokalyptischer Status“ aufzuklären. Es sei denn – dies will ich nicht ausschließen –, ihr sei in der Hektik da etwas rausgerutscht, eine Renommiervokabel etwa, die ihr half, Ihren Expertenstatus zu sichern. Wohlwissend, dass es einen „apokalyptischen Status“ als wissenschaftliche Tatsache nicht gibt, allenfalls als Interpretation (auf die man sich allerdings, etwa qua Konsens in der einschlägigen scientific community, zu einigen hätte, was in diesem Fall allein schon am offenbar fehlenden Paper scheiterte). Bleibt also, als Eindruck, den der Spiegel durch seinen Journalismus, Heft 50/2022 als benchmark genommen, forcierte: Wenn das wording stimmt, im Patientenspott: der Medizinerjargon, kann man dem Publikum alles Mögliche glauben machen. Nur: Ist dies erstrebenswert und im Interesse der Mündigkeit? Ganz klar: Nein, es ist sogar gegenaufklärerisch, weil der Vorteil aller Sozialpsychologie, das Aufmerken auf den Prozess oder den Weg, preisgeben wird zugunsten der Benennung einer Eigenschaft.
Darum zurück zu der uns eben umtreibenden Frage, hier konkretisiert zu: Was ist eigentlich Sozialpsychologie und was könnte sie leisten zur Aufklärung in dem hier in Rede stehenden Themenfeld rechtsideologisch durchsetzter Verschwörungstheorien, wenn sie lege artis betrieben würde? Nun, ganz einfach und im Übrigen 2021 unter dem Rubrum Verschwörungstheorien (vgl. Niemeyer 2021, Online-Lexikon, S. 98 ff.) im Kontext der Frage nach den Neuen Rechten ausführlich dargestellt, wenngleich es sich offenbar weder bis zu Verschwörungsspezialist*innen wie Pia Lamberty oder auch Christoph Schiebel (2022) herumgesprochen hat: Die Sozialpsychologie ist spätestens seit Fritz Heider (1958) und der von ihm konturierten Attributionstheorie eine prozessorientierte Wissenschaft und damit der Hort aller das Prozessuale betonendem Erklärungsversuche von Verschwörungstheorien mit – in dem kursivierten Wortteil angesprochenen – Anklängen an kognitionspsychologische Konzepte. Darunter führend jene, welche, im Gegenzug zu behavioralen Verhaltenslehren, die theoriegenerierende Leistung des vermeintlichen Versuchsobjekts betonen. So betrachtet agiert also auch der vermeintliche Laie („subjektive Theorie“) letztlich wie ein Wissenschaftler („objektive Theorie“). Abgesehen vielleicht davon, dass bei ihm persönliche Motive Übergewicht bekommen können, bestimmte Ursachenklassen zu bevorzugen und andere abzuwerten. Unabhängig davon sind derartige Kausalattribution so notwendig wie das tägliche Brot, wie schon Nietzsche, ohne über den Begriff zu verfügen, wusste, denn:
„Etwas Unbekanntes auf etwas Bekanntes zurückführen, erleichtert, beruhigt, befriedigt, giebt ausserdem ein Gefühl von Macht. Mit dem Unbekannten ist die Gefahr, die Unruhe, die Sorge gegeben […]. Erster Grundsatz: irgend eine Erklärung ist besser als keine. “ (VI: 93)
Wie man leicht erkennen kann: Genau nach diesem Muster funktionieren auch neu-rechte Verschwörungstheorien – sowie die verschwörungsanaloge subjektive Theorie des Einzelnen. Etwa jene des durchaus genialen Tennisspielers Nick Kyriogos, eines perfekten Externalisierers, der bevorzugt sein Trainerteam für seine Fehler verantwortlich spricht. Da lobe ich mir doch Alexander Bubik, das andere Tennisgenie der Gegenwart: Stoisch und ganz gegen die Old School der Tenniswelt haut er auch den 2. Aufschlag mit gleichbleibender Geschwindigkeit zur Not ins Netz, als sich nachsagen zu lassen, er habe dem Gegner eine Chance zum Return eröffnet.
Die Folgefragen liegen damit auf der Hand: Sind Rechte überführt fähig zu dieser Art der über jedes Attributionskalkül erhabenen Arroganz des Überveranlagten, der sich selbst als New School definiert? Oder sind sie mehrheitlich geborene Looser und damit Externalisierer, denen Selbstreflexion ein Fremdwort ist, wie Wilhelm Reich sagen würde: infolge ihrer Verpanzerung zur Charaktermaske? Und neigen Linke vergleichbar überzufällig häufig zu externalisierenden Attributionen, weil Sie dies bei Marx („der Kapitalismus ist schuld“) so gelernt haben? Sowie, dies vor allem: Welches sind die Aufgaben und die Gefahren des Erziehers angesichts dieses allfälligen Attribuierens aller im Blick auf alle und Alles? Unterliegt beispielsweise der Lehrer nicht der Gefahr, seinerseits seinem höchst privaten self esteem enhancer, auch self-serving bias genannt, theoriebildungsrelevante Bedeutung zuzugestehen – und einen Heimjugendlichen, der ihn nervt, mittels einer auf seinen trait abstellenden Attribution als störend auszugrenzen? Fragen wie diese können hier aus Platzgründen nicht weiterverfolgt werden (vgl. allerdings Niemeyer 2015: 101 ff.), abgesehen von einem wichtigen Punkt: dem des ewigen, gleichwohl mit jeweils wie neu wirkender Inbrunst aufgeführten Spiels, so sinnvoll wie der erzieherisch gemeinte Rat an Pubertierende vom Typ „Wir müssen jetzt hier, wenigstens doch im Kinderzimmer, mal ein wenig aufräumen“: Der Rat der Fensterredner aller Couleur: „Wir müssen endlich intensiv den Rechtsterrorismus und Antisemitismus bekämpfen.“
Mich persönlich erinnert derlei an die Ära der Psychoanalyse als Biologie. Als Freud auch Albert Einstein sowie schlimmer: noch im September 1932, also an der Schwelle zum Dritten Reich und damit zum Zweiten Weltkrieg, auf den Glauben zu verpflichten gedachte,
„daß die Triebe nur von zweierlei Art sind, entweder solche, die erhalten und vereinigen wollen […], und andere, die zerstören und töten wollen.“ (GW XVI: 20)
Damit bestand Kriegsprophylaxe kaum aus mehr als aus Vorhaltungen gegenüber dem Aggressions- wenn nicht gar Todestrieb, es mit der Biologie nicht zu übertreiben. Vorhaltungen so sinnvoll wir jene einem Erdbeben gegenüber, würde Nietzsches Voltaire hier spotten. Dabei hilft kaum, dass Freud auf dem Höhepunkt des Ersten Weltkrieges, in Zeitgemässes über Krieg und Tod (1915), anerkannte, dass die Kulturgesellschaft
„eine große Zahl von Menschen zum Kulturgehorsam gewonnen [hat], die dabei nicht ihrer Natur folgten.“ (GW X: 335)
Denn: Was heißt hier „Natur“, was, wenig später, „Triebveranlagung“? Etwa mehr als „Aggressions- und Todestrieb“? Wenn „Nein!“ – müssen wir dann sogleich Freud aus dem Boot der Radikalaufklärer schmeißen? Zugunsten des Freud-Vorläufers Nietzsche? Oder müssen beide aus dem Kanon der Pädagogen entfernt werden, wie Jürgen Oelkers und Heinz-Elmar Tenorth vor zwanzig Jahren vorschlugen und Letzterer ad Nietzsche 2016 erneut beschwor, als er mir vorwarf, „das Ende der Erziehungswissenschaft“ zu riskieren, weil ich das Fach zum „Tummelplatz beliebiger Einfälle“ (Tenorth 2016: 194) machte (gemeint war, nochmals war es gesagt, Nietzsche)? Nein, all dies ist natürlich Unsinn, wie ein kurzer Überblick zum Stand der Professionalität der (Sozial-)Pädagogik, begehrte sie auf gegen diesen Neinsager-Trend, offenbart (vgl. Niemeyer 2022c). Zumal in der Linie des an sich ja seit 1945 schrittweise außer Mode gekommenen Tenorth-Imperativs „Arbeiten wir in unserem eigenen Revier, mit unseren eigenen Begriffen“ (Tenorth 2016: 194) nur das Unrecht der mehrheitlich naturwissenschaftlich orientierten Mainstream-Psychologen der Nachkriegsepoche wiederholt wäre, insbesondere Freuds kühne Hypothesen dem Marxismus sowie der Astrologie gleichzustellen, nämlich den Ergebnissen einer etwas verdrehten „Vorstellungsgymnastik“ gleichzusetzen, denen gegenüber ein kritischer Geist noch längst keinen Anlass habe, sie auch nur entfernt so zu behandeln, als seien sie falsifizierbar. Entsprechend ist es eher Außenseitern des Faches zu danken, wenn sich in psychologischen Standardwerken denn doch noch gelegentlich der Hinweis findet, dass keine ernstzunehmende Geschichte der Psychologie beispielsweise an Nietzsche vorbeikäme (vgl. Seidmann 1976: 382). Wollen wir hoffen, dass Tenorth dieser Hinweis etwas sagt.
Kategorial wichtig dabei in dieser Denklinie, im Titel angesprochen: der Fanatismus. Er nämlich meint keine Tatsache biologischer Art, sondern, wie im Folgenden genauer erläutert werden soll, eine sozialisationstheoretisch relevante Interpretationshilfe, etwa in der Logik von Nietzsches genialem Programmsatz:
„Thatsachen giebt es nicht, nur Interpretationen.“ (XII: 315)
Das Schlimme an diesem Satz sind seine postmodernen Interpreten, die ihn als Freifahrtschein missbrauch(t)en, allen nur denkbaren Unsinn, nicht zuletzt über Nietzsche, freien Auslauf zu gewähren. Dabei ist die Sache, in der Logik dieses Satzes bedacht, kreuzeinfach: Dieser Satz lehrt, Rechts- und Linkssein nicht als messbare Tatsache zu behandeln und, etwa per Aufklärung andere, vom Probanden offensichtlich noch nicht hinreichend berücksichtigte Tatsachen – etwa den Klimawandel betreffend – außer Kraft setzen zu wollen. Sondern es geht allein darum, die dem Betreffenden im Verlauf seiner Sozialisation als gleichsam „zweite Natur“ angewachsene, mittels der Vokabel ‚Fanatismus‘ charakterisierbaren Sachverhalt mittels der Wiederherstellung seiner „ersten Natur“ außer Kraft zu setzen, etwa in der Logik von Aph. 455 aus Nietzsches wichtigstem Buch, Morgenröthe (1881):
So wie man uns jetzt erzieht, bekommen wir zuerst eine zweite Natur: und wir haben sie, wenn die Welt uns reif, mündig, brauchbar nennt. Einige Wenige sind Schlangen genug, um diese Haut eines Tages abzustossen: dann, wenn unter ihrer Hülle ihre erste Natur reif geworden ist. (III: 275)
Meint zugleich: Nietzsches Fanatismus, ein Jahr zuvor von ihm im Sinne des als Motto vorangestellten Zitats als sein Problem markiert, ist Teil dieser ihm anerzogen ‚zweiten Natur‘, die es abzustoßen und durch die ihm eigene ‚erste Natur‘ zu ersetzen gilt; etwa das Eintreten für ein „kommendes Zeitalter, welches wird das bunte nennen wollen und das viele Experimente des Lebens machen soll.“ (IX: 48) „Grünversiffter Unsinn“, wie der Think Tank der AfD an dieser Stelle fraglos monieren würde? In AfD-Terminologie sicherlich – was uns erlaubte, den nicht-fanatischen Nietzsche gegen die AfD in Stellung zu bringen und ihr den Wagnerianer und Fanatiker Nietzsche kampflos zu überlassen, ohne jeden Schaden für die Sache Nietzsches, für die ihrer Substanz nach der Wagnerianer Nietzsche ohnehin nicht in Betracht kommt und gleichsam Old School ist. So weit die These im Ganzen (vgl. auch Niemeyer 2023a: 10 ff.), nun noch einige Erläuterungen zu Einzelheiten und zu systematischen Aspekten.
Nietzsches Fanatismuskur, von ihren Motiven und ihrem Scheitern her betrachtet
Nietzsche eröffnete seinen für das Motto beigezogenen, dem Nachlass (Frühjahr 1880) zugehörigen Text L’ombra di Venezia, eine Art Programmtext der New School der Nietzscheforschung (vgl. Niemeyer 2023b), mit den spektakulären Worten:
„Als ich jüngst den Versuch machte, meine älteren Schriften, die ich vergessen hatte, kennen zu lernen, erschrak ich über ein gemeinsames Merkmal derselben: sie sprechen die Sprache des Fanatismus. Fast überall, wo in ihnen die Rede auf Andersdenke kommt, macht sich jene blutige Art zu lästern und jene Begeisterung in der Bosheit bemerklich, welche die Abzeichen des Fanatismus sind – häßliche Anzeichen, um deretwegen ich diese Schriften zu Ende zu lesen nicht ausgehalten hätte, wäre der Verfasser mir nur etwas weniger bekannt gewesen.“ (IX: 47)
Die Nietzscheforschung hat diesen Satz wohlweislich unter den Teppich gekehrt; andernfalls hätte man zu Lasten jener „älteren Schriften“ schon damals einer New School das Wort reden müssen, also einer Ausscheidung des Frühwerks, endend mit der Aphorismensammlung Menschliches, Allzumenschliches (1878), der Sache nach eine kaum verklausulierte Abrechnung mit Richard Wagner und dessen Fanatismus sowie Antisemitismus, die Nietzsche letztlich als Linken auszuweisen erlaubt.
Spannend im Kontext unserer Fragestellung: Wie es Wagner gelang, Nietzsche für die Sache seines Fanatismus einzuspannen. Sowie, über diesen Fall hinausgehend gefragt: Ist Fanatismus womöglich die Schnittmenge, im Blick auf welche Links- und Rechtssein – inklusive aller Derivate oder Abstufungen, wie -populismus, -radikalismus wie -terrorismus – konvergieren? So dass die politische Farbenlehre nicht mehr nach rot-grün-gelb oder schwarz-braun zu unterscheiden hätte. Sondern nach „bunt“ (für ressentimentfrei) sowie „grau“ (für vorteilsgebunden). Wäre dem so, müsste Nietzsches „langwierige Cur“ gegen den Fanatismus vor allem als psychologische angelegt werden – und von den Fehlern Nietzsches lernen. Denn dass er gegen Rückfälle nicht gefeit sei, zeigte sich im Frühjahr 1884, als er schrieb:
„Wenn ein inferiorer Mensch seine alberne Existenz, sein viehisch-dummes Glück als Ziel fasst, so indignirt er den Betrachter; und wenn er gar andere Menschen zum Zwecke seines Wohlbefindens unterdrückt und aussaugt, so sollte man so eine giftige Fliege todtschlagen.“ (XI: 101)
Pro Nietzsche könnte hier geltend gemacht werden: Was hier fortgeführt wird, ist eine Überlegung aus Zarathustra, und zwar aus dem Abschnitt Von den Fliegen des Marktes des ersten Teils: Vom Menschen als „Giftwurm“ ist da, wiederum durchgehend pejorativ, die Rede, vom „Schmeichler“, vom „Winsler“, vom „Feigen“, vom „Kleinen“, und dies mit dem Ergebnis des warnenden Hinweises, dass sich hinter Lob nichts weiter verberge als „Zudringlichkeit“, und Liebenswürdigkeit für nicht mehr Zeugnis gäbe als für die „Klugheit der Feigen.“ Zarathustras Pointe: „Also hüte dich vor den Kleinen!“ – denn, so könnte man zur Erläuterung nachtragen, „ihre enge Seele denkt: ‚Schuld ist alles grosse Dasein.‘“ (IV: 67) An wen bei dieser Ressentimentanalyse in erster Linie zu denken ist, verrät eine der letzten Bemerkungen:
„Ja, mein Freund, das böse Gewissen bist du deinen Nächsten: denn sie sind deiner unwerth. Also hassen sie dich und möchten gerne an deinem Blute saugen.“ (IV: 68)
Die ‚Nächsten‘ Nietzsches waren seine Mutter wie Schwester – und wie er über diese dachte, offenbart sein Brief an Franz Overbeck vom 6. März 1883, in welchem er klagt, er sei „immer krank geworden“ (6: 339), wenn er mit seiner Mutter wie Schwester zusammen war. Fünf Jahre später, in einem für Ecce homo bestimmten Manuskriptblatt, das 1892 von Nietzsches Schwester und/oder Mutter verbrannt wurde und das nur erhalten blieb, weil sich Heinrich Köselitz eine Abschrift angefertigt hatte, wird dieses Klagelied erneut aufgegriffen:
„Die Behandlung, die ich von Seiten meiner Mutter und Schwester erfahre, bis auf diesen Augenblick, flösst mir ein unsägliches Grauen ein: hier arbeitet eine vollkommene Höllenmaschine, mit unfehlbarer Sicherheit über den Augenblick, wo man mich blutig verwunden kann – …“ (VI: 268)
Man sieht: Wieder bricht sich die nämliche Aggressivität Bahn wie schon Jahre zuvor in Zarathustra I und im Nachlass vom Frühjahr 1884 – und auch der Umgang der Schwester zumindest mit den noch nicht im Druck erschienen Passagen gleicht sich: Sie unterschlägt diesen Ecce-homo-Passus selbst noch in der 1908 präsentierten Erstausgabe dieses Werkes, und sie unterschlägt die angeführte 1884er Nachlasspassage, nun, wie man hier erkennen kann, weil sie die Stellen persönlich nahm und allen Grund dafür hatte. So betrachtet bleibt der Fakt selbst und ist hier festzuhalten: Im Nachlass des Jahres 1884 ist ein Bruch zu konstatieren. Vieles, was den Leser hier so irritiert, erklärt sich offenbar biographisch und ist im Nachgang zur großen Liebesenttäuschung vom Sommer 1882 zu sehen. Anderes erklärt sich mit der damaliger Lektüre von Francis Galton. Die Folgen bleiben nicht aus: Gut dreißig Paragraphen von Förster-Nietzsches Machwerk – die §§ 57, 108, 132, 133, 364, 595, 619, 750, 860, 861, 862, 870, 872, 874, 916, 940, 942, 943, 955, 957, 958, 964, 980, 995, 999, 1001, 1053, 1056, 1060, 1067 – entstammen jenen 1884er Nachlasspassagen und entfalteten unter den von Nietzsches Schwester zu verantwortenden Überschriften, insonderheit unter dem Titel Viertes Buch. Zucht und Züchtung (ab § 854), eine zumal im Dritten Reich verheerende Wirkung. (vgl. Niemeyer 2013: 85 ff.) Als deren Ursache ein Rückfall in Sachen Fanatismus zu gelten hat, wie ein Brief Nietzsches an seinen Kollegen und Freund Franz Overbeck vom 20. Juli 1888 zum Misserfolg des Zarathustra offenbart. Nietzsche nämlich schreibt:
„Dies Buch steht so abseits, ich möchte sagen jenseits aller Bücher, daß es eine vollkommene Qual ist, es geschaffen zu haben – es stellt seinen Schöpfer ebenso abseits, ebenso jenseits. Ich wehre mich gegen eine Art Schlinge, die mich erwürgen will – das i.st die Vereinsamung – […]. Die Moral ist: man kann daran zu Grunde gehen etwas Unsterbliches gemacht zu haben: man büßt es hinterdrein in jedem Augenblick ab. Es verdirbt den Charakter, es verdirbt den Geschmack, es verdirbt die Gesundheit.“ (8: 363)
Wortwahl und –folge im letzten Satz sind verräterisch, gemahnen sie doch an den acht Jahre älteren, diesem Kapitel als Motto vorangestellten Satz Nietzsches: „Der Fanatismus verdirbt den Charakter, den Geschmack und zuletzt auch die Gesundheit.“ (IX: 47) Damit liegt die Folgerung auf der Hand: Nietzsche klärt im Juli 1888 einen seiner letzten ihm noch verbliebenen Freunde in kaum verhüllter Form darüber auf, dass sein neuerlicher Fanatismus Folge der durch Missachtung des Zarathustra eingetretenen ‚Verwundung’ und ‚Vereinsamung’ ist. Ein Hilfeschrei ist damit verbunden, wie das Wort ‚Buße’ deutlich macht. Gleiches gilt für einen Brief vom 4. Februar 1888 in dem es heißt:
„Ich habe Accente des Zorns, des Hasses darin [in meinen Schriften; d. Verf.], die mir unfaßbar sind.“ (8: 245)
Erneut also ist hier ein Entfremdungsgefühl Nietzsches zu konstatieren, deutlicher geredet: Nietzsche ist durchaus nicht glücklich mit der zumindest für ihn nicht in Abrede zu stellenden Wiederkehr des ihm aus seiner Zeit der Wagnerverehrung wohl vertrauten Fanatismus in anderer Gestalt, und man kann hier nun getrost ergänzen: in Gestalt des Publikationsprojekts unter dem Titel Der Wille zur Macht, das Nietzsche denn letztlich auch, in der Logik dieser beiden Briefe bzw. Briefentwürfe vom Februar bzw. Juli 1888 folgerichtig, ad acta legte; als, wie man noch ergänzen darf: charakterlos, geschmacklos und gesundheitsgefährdend.
Damit ist der Fanatismus als Problem bestimmt – fragt sich nur, wo er herkommt, gesetzt, er sei nicht Mitgift unserer Gene, sondern Effekt von Sozialisation. So dass als erstes zu fragen wäre, wann die für jeden neuen Erdenbürger überlebenssichernde Offenheit für den Anderen oder das Andere einer Art Geschlossenheit Platz machte.
Fanatismus und Pubertät sowie abschließende Fragen
Meine Vermutung in diesem Kontext: Die Pubertät ist schuld, die Zeit also, in welcher Unsicherheit über die eigene Rolle sowie den Status überhandnehmen und klare Grenzziehungen nötig werden im Blick auf jene, die man mag, sowie die Anderen, für die dies nicht gilt. Das Ergebnis sind Grüppchenbildungen, auch verharmlosend Peer Group genannt. Zum Fanatismus ist es jetzt nur noch ein kleiner Schritt. Was zumal für denjenigen gilt, der sich außerhalb seiner Peer Group um selbstbestimmte Idole bemüht. Wie meine sechzehnjährige Tochter, für dies es im Moment kaum wichtigeres gibt als ihr Ranking in der Liste der Lana-del-Rey-Fans. So wie es für ihren Vater als 18-jährigem Führerscheinbesitzer nichts Wichtigeres gab als die Taufe seines ersten Autors, eines 1955er Käfer, auf den Namen seines damaligen Musiker-Idols Ian Matthews. Und zwar dies mit fetter Ofenrohrfarbe mitten auf den olivgrüne Grundfarbe. Ich bin mir sicher: Hätte ich damals einen Brief über Ian Matthews geschrieben, wäre er so ehrerbietig ausgefallen wie jener Nietzsches an seinen Freund Erwin Rohde über Wagner vom 25. Oktober 1872:
„Ich für mein Theil gebe für einen solchen Zuschauer, wie Wagner ist, alle Ehrenkränze, die die Gegenwart spenden könnte, Preis; und ihn zu befriedigen reizt mich mehr und höher als irgend eine andre Macht.“ (4: 72 f)
Dass die dumpfe Ahnung, von Wagner abhängig zu sein, gleichwohl präsent ist, zeigt ein weiterer Brief Nietzsche vom 18. April 1873, diesmal direkt an Wagner:
Ich wünschte mir so oft wenigstens den Anschein einer grösseren Freiheit und Selbständigkeit, aber vergebens. Genug, ich bitte Sie, nehmen Sie mich nur als Schüler. (4: 144)
Der Befund: Vielleicht ist der Fanatismus in den Pubertätsjahren entwicklungsnotwendig, um Orientierung zu halten ob der Komplexität, vom hier (vgl. allerdings Niemeyer 2021: 187 ff.; 2023a: 123 ff.) nicht zu erläuternden Fall des Hans Fallada aus gedacht, der sich in seiner Jugend im Sog Nietzsches mit einem Schulkameraden duellierte und damit zugleich das Kündigungsschreiben für alle Ansätze (zumal geisteswissenschaftlichen Zuschnitts) vorlegte, die, wie die Lehre seines Vaters lautete, im Blick auf Gut wie Böse darauf vertrauen, es gäbe beides nur als Export aus einer Welt unbeschädigten Bürgertums etwa, in welche man den Nachwuchs einzubetten habe wie in eine Nährlösung, abgegrenzt von einer Welt der Schmuddelkinder. Wer so die Welt sich zurecht malt, wird notwendig die immer gleichen Lager reproduzieren, mit Fanatismus hier wie dort, blindem Fanatismus, weil unwissend in der allein entscheidenden Frage: Wie schaffe ich es, eine Welt zu ertragen, die offen ist für das Bunte und ganz Andere? Und wie schaffe ich es, auf die Vorstellung zu verzichten, alle müssten so aussehen und denken wie ich; und diese Vorstellung sei nicht rassistisch und antihuman, oh Nein!
Als Zusatz hierzu gesprochen: Es gibt gute Gründe, Neu-Rechte sowie Aussteiger auf die Couch zu legen, auch fingierte beispielsweise (vgl. Niemeyer 2023: 259 ff.). Zumal Gesprächsbedarf unterhalb anderer als therapeutischer Absichten kaum besteht und teilweise sinnlos ist. Abgesehen vielleicht von biografieorientierten Schulmaßnahmen mit hochmotivierten Aussteigern zur Sucht-, Gewalt- und Extremismusprävention (vgl. Gansewig/Walsh 2020). Von Nicht-Aussteigern allerdings habe ich persönlich nach gefühlt 1000 Jahren Beschäftigung mit diesem Thema noch nicht eine einzige alt- oder neu-rechte Position vernommen, der ich hätte zustimmen können. Und vice versa. Mit dem Ergebnis, dass AfD-nahe Gebauten ein nach allem Stand der Forschung (etwa Schmelz 2022) ganz einfacher Satz nicht von den Lippen gehen will wie:
„Der Klimawandel macht auch mir Sorgen, wir müssen dringend handeln!“
Das Umgekehrte scheint mir die Regel, die neuerdings nach allen Facetten hin durchleuchtet wird (vgl. Quent/Richter/Salheiser 2022), leider unter Umgehung des wohl (auch in diesem Fall) instruktivsten Beispiels: dem, das der neu-rechte Ideologe Michael Klonovsky gibt. Dem bekanntlich mancher Schuss danebengeht. So ist es von der einigermaßen witzigen Widmung seiner Acta diurna 2018 („Für Greta, die tapferste Schulschwänzerin sei Pippi Langstrumpf“) über jene des Folgejahres („Für alle Gefallenen im ‚Kampf gegen rechts‘“) inklusive der Charakterisierung des „verwirrten Schwedenmädels“ Greta Thunberg als „ein bisschen meschugge“ (Klonovsky 2020: 407) sicherlich ein weiter Weg, pardon: „Sonderweg“ (um auf den Namen der Edition anzuspielen, in welcher Klonovskys Tagebuchfolge seit 2012 erscheint), den als Holzweg zu erkennen es wohl schon eines „Stolpersteins“ bedurft hätte – um auf Klonovskys Spott über selbige anzuspielen. (vgl. Niemeyer 2021: 43 ff.).
Ganz abgesehen davon widerspricht die Grandezza, mit der Klonovsky in der erstgenannten Widmung der Fridays-for-future-Aktivistin gedenkt, so vollständig der Verachtung der Sache, für die sie eintritt, dass man nur von einer üblen Täuschung nach Art des bösen Wolfes sprechen kann – der dort, wo er Klartext spricht, genau weiß, welcher zu hassenden Spezies Thunberg zugehört: jener nämlich, die „die Bevölkerung zu hysterisieren [versuchen], indem sie den Klimawandel als menschengemacht und als größte Gefahr für das Menschengeschlecht darstellen“, nur um die „Bevölkerungsexplosion […] und die daraus resultierende Völkerwanderung kleiner ausschauen zu lassen.“ (Klonovsky 2018: 46) Es ist die Um-zu-Konstruktion in diesem Satz, die das Ansprechen zweier für sich wichtiger Problemkomplexe mit verschwörungstheoretischem Geschmäckle versieht, des Weiteren: die zur Folgerung verpflichtet, jedenfalls im inner circle der Klonovsky-Gläubigen, die Thunberg-Verachtung müsse der DNA der AfD eingeschrieben werden, weil ihre Klimawandel-Thematisierung die Aufmerksamkeit von jener Völkerwanderung abzieht, aus deren Skandalisierung „wir von der AfD“ unsere Wählerstimmen gewinnen – ähnlich wie Letzteres uns gelingt als Profit aus den von Putin durch Bomben auf Kraftwerke erzeugten künstlichen Klimawandel in der Ukraine mit nachfolgender (Ost-) Völkerwanderung in den Westen. Klingt pervers, passt aber eben damit zur AfD (Salzgitter), wie die Glosse Titanic reloaded (vgl. Niemeyer 2021: 43 f.) zeigen sollte, ebenso wie der für diese Glosse typische Satz:
„Denk‘ Dir einen Unsinn sondergleichen aus – etwa: ‚Impfung macht frei!‘ –, es steckt mit Sicherheit ein AfDler hinter der Maske des so Redenden!“
„Widerworte!“, hätte dies mein Vater genannt. Und es scheint mir ein bedenkenswerter Vorschlag, Alice Weidels im Titel eines Buches von ihr sich aussprechend Begeisterung für diese Vokabel als Hinweis darauf zu lesen, dass AfDler ihre Pubertät willentlich verlängert haben und ihre Politik aus gruppentherapeutischer Sicht Sinn machen könnte. Nur: Wer soll die Preise für diesen Unsinn bezahlen? Ich jedenfalls bin nicht bereit dazu und bitte jeden, der sich auf die beschriebene Weise helfen lassen will, sich an seinen Hausarzt zu wenden sowie an seine Krankenkasse.
Schließlich noch ein letztes Wort zum Fall Nietzsche jr.: Der Sohn – so könnte man oberflächlich betrachtet annehmen – wird Antichrist aus Wut über den vom lieben Gott zugelassenen frühen Tod seines Vaters, eines ihm als untadelig (ha! ha!) vorgestellten Pastors. Um dessen düsteres Geheimnis allenfalls ahnend, verschlingt er in der Folge mit der unersättlichen Gier eines früh Enttäuschten einen Ersatzvater nach dem anderen, zuletzt Schopenhauer. Um schließlich dem letzten in dieser Reihe, Richard Wagner, dem er zunächst durch Übernahme seiner völkischen Ideologeme geschmeichelt hatte, Schritt für Schritt nach allen Regeln der Kunst des gehobenen Vatermordes den Garaus zu machen. Indem er zum Gegenteil des von diesem Verehrten, nämlich dem Anti-Antisemitismus, konvertiert. Nicht schlecht auch der Fall seiner Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche. Die, so könnte man mutmaßen, nur deswegen zur Rechten mutierte und einen Ultrarechten heiratete, weil sie unter der Größe ihres Bruders litt (den sie schließlich den Nazis zum Fraß vorwarf). Dass es etwas komplizierter war, räume ich gerne ein, und biete zur Entspannung einige Fragen an, die insgesamt die Attitüde, man sei rechts und stolz darauf, in eine Farce verwandeln, darunter, leitmotivisch, die Frage: War Caroline Sommerfeld eigentlich immer schon rechts? Und wenn nein: Warum? Nicht zu vergessen: Wer ist sie – und wenn ja: Wie viele? (vgl. Niemeyer 2021: 135 ff.). Im Einzelnen, hier kondensiert: Ist Caroline Sommerfeld nur rechts, weil ihr Mann Helmut Lethen links ist oder war und seines Alters wegen als eine Vaterfigur taugt, an welcher man sich abarbeiten kann? Analog Gabriele Kuby: Ist sie nur rechts, weil ihr Vater Erich Kuby links war? Und Erik Lehnert: Rechts, weil er sich an der Vorstellung weidet, seinen Ziehvater Rudolf Bahro sel. könne dies freuen? Und ist Richard Sarrazin nur deswegen Hartz-IV-Empfänger, weil er seinen Vater Thilo Sarrazin ärgern will? Und ist Dorothea Gauland nur deswegen linke Pastorin, weil sie sich ihres Vaters Alexander Gauland schämt? Ähnlich wie Niklas Frank sich des seinen, des 1946 hingerichteten Kriegsverbrecher Hans Frank (vgl. Frank 2020)? Und erklärt sich so der umgekehrte Fall? Etwa der des Wikipedia-Autoren „Jergen“, der mich im Februar 2023 auf Wikipedia wüst malträtierte (vgl. Niemeyer 2023: 186 ff.), vermutlich nur, weil er seinen Ersatzvater Albert Speer Jun. ob seiner ihm das vorübergehende Schicksal eines Stotterers eintragenden Verwirrung über dessen Vater Albert Speer, einen fanatischen Hitler-Mittäter im Bereich der Vernichtung speziell der Berliner Juden, zu Diensten sein wollte?[17]
Worauf ich hinauswill? Natürlich nicht auf Küchenpsychologie, sondern auf die kleine, aber die AfD-Wähler*innen, zumal die Maskenverweigerer*innen unter ihnen, zutiefst schmerzende Wahrheit: Jeder Mensch trägt eine Maske! Traue also keinem, der sagt, er sei eigentlich gar nicht rechts – traue aber auch keinem, der Dir schwört, er sei zutiefst rechts! Traue niemandem, nur Deiner Psychoanalytikerin – es kann übrigens auch ein Mann sein oder ein Computer –, die/der/das Dir erklären wird, wer genau an Dir schuld ist und ab wann Du Dein Wahlrecht als zur Mündigkeit Gekommener vermutlich wieder ausüben darfst…
Autor:
Prof. Dr. Christian Niemeyer, Berlin/Dresden
–> Die AfD und ihr Think Tank im Sog von Trumps und Putins Untergang
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Anmerkungen:
[1] Der aus Gründen der Aktualität um einen Einstieg zu den Gebrüdern Aiwanger erweiterte Text bringt ab Vom Fanatismus Wesentliches aus einem Aufsatz, der in Heft 3 der Zeitschrift für Sozialpädagogik erscheinen wird; er variiert Kap. 4.3 meines Buches Die AfD und ihr Think Tank im Sog von Trumps und Putins Untergang (2023) und knüpft an weiteren in diesem Buch vorgetragene Überlegungen an sowie an solchen aus seinem im August bei Karl Alber (Baden-Baden) verfügbaren Zwilling Nietzsche, New School. Alles, was man von diesem Genie wissen muss, um ob seiner dunklen Seiten nicht zu verzweifeln (2023) an. Das erstgenannte Buch definiert den Patienten, die AfD; der ‚Zwilling‘ stellt in aller Ausführlichkeit Nietzsche, also den Therapeuten und seine Werkzeuge, vor. Der Nietzsche, welcher der AfD danach noch bleibt, ist der Nietzsche der Old School, also: ein Nietzsche zum Vergessen, passend zur AfD, deren Verbot aktuell immerhin 47% aller Wähler fordern.
[2] https://www.hagalil.com/2023/08/antisemitische-vernichtungsfantasien/#more-75205
[3] Katja Bauer & Sebastian Beck am 28. August 2023, 18:46: www.sueddeutsche.de/bayern/aiwanger-flugblatt-bayern-wirtschaftsminister-1.6171787
[4] Sebastian Beck am 15. Juni 2023, 17:44; www.sueddeutsche.de/leben/aiwanger-soeder-erding-1.5934142
[5] Juden-Witz anlässlich KZ-Besuch: Weiterer Mitschüler zu Aiwanger | BR24
[6] Skandal um Vize-Regierungschef Aiwanger: Flugblatt im Archiv der KZ-Gedenkstätte | Regional | BILD.de
[7] https://www.hagalil.com/2023/08/die-afd-und-ihr-think-tank-9/
[8] www.tagesspiegel.de/politik/bierzelt-rede-in-landshut-markus-soder-imitiert-hubert-aiwanger-mit-hitler-stimme-10382614.html
[9] Etwa Nr. 15: „Wenn Du willst, dass Deine Meinung gilt: Finde Gründe.“ Oder Nr. 19: „Du sollst nicht ‚Arschloch‘ sagen.“ (Leo / Steinbeis / Zorn 2017: 14 f.)
[10] Nietzsche wird hier und im Folgenden zitiert nach der international gebräuchlichen Ausgabe Colli/Montinari; die römische Ziffer steht für den entsprechenden Band der Werkausgabe (KSA); die Briefausgabe (KSB) wird, im Folgenden, kenntlich gemacht mittels arabischer Ziffer.
[11] www.msn.com/de-de/nachrichten/welt/wladimir-putin-erhält-nachricht-am-grab-seiner-eltern/
[12] www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/lauterbach-weist-philosophen-precht-zurecht-wir sind-im-krieg-mit-putin/
[13] Als Retourkutsche zu verstehen auf Putins „Berliner Patienten“ Alexej Nawalny.
[14] In Sachen Werk (etwa Niemeyer 2007) als auch Wirkung desselben (etwa Niemeyer 2019: 311 ff.) sind diese erheblich.
[16] S. www.studgen.uni-mainz.de/prof-dr-roland-imhoff-vortragsexpos-sommersemester-2018/; wichtiger ist aber ein im April 2021 geführtes Interview mit Imhoff; s. www.haus-des-erinnerns-mainz,de
[17] Mehr kann ich zu diesem Thema noch nicht verraten.