Instrumentalisierendes Reden über Israel

Regelmäßig kommt es zu heftigen Kontroversen darüber, wie angemessen oder antisemitisch Aussagen über den israelischen Staat sind. Dazu legt Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt/M., eine eigene Monographie vor. Es geht eher um persönliche Kommentare, nicht um ein wissenschaftliches Werk. Gerade die vorgenommenen Differenzierungen stehen aber für einen guten Erkenntnisgewinn.

Von Armin Pfahl-Traughber

Wenn man in Deutschland über Israel redet, dann redet man häufig über eigene Probleme. Diese ironisch-kritische Aussage könnte auch als roter Faden für eine neue Monographie gelten, welche „Über Israel reden. Eine deutsche Debatte“ betitelt ist und von Meron Mendel vorgelegt wurde. Der studierte Historiker und Pädagoge ist Professor für transnationale Soziale Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences und Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt/M. Durch kommentierende Artikel, die in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, „Der Spiegel“ oder „Die Zeit“ erschienen, ist er auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Sein genanntes Buch ist keine wissenschaftliche Monographie im engeren Sinne, sondern eher eine persönliche Betrachtung zu den angesprochenen Diskursen in der deutschen Öffentlichkeit. Dabei ist der persönliche Ausgangspunkt des Autors von Bedeutung, einerseits bezogen auf seine eigene politische Einordnung als linker, säkularer Israeli, andererseits hinsichtlich des Blicks auf Deutschland von einem dort seit zwanzig Jahren lebenden israelischen Staatsbürgers. Positiv ist dabei – dies sei hier schon deutlich hervorgehoben – sein differenzierter Blick.

Er fällt nicht auf den Gesamtkomplex der auf Israel bezogenen öffentlichen Wahrnehmung, was den inhaltlichen Rahmen sprengen und systematische Untersuchungskriterien voraussetzen würde. Bezogen auf den erstgenannten Bereich geht es um vier Hauptthemen: die Debatte um die Staatsräson, den BDS-Streit, die Linke und der Nahostkonflikt sowie die Erinnerungskultur und ihre Kritiker. Hinsichtlich des zweiten Gesichtspunkt bildet die erwähnte Grundposition von Mendel die normative Warte. Bevor es aber überhaupt mit den angesprochenen Betrachtungen losgeht, finden sich einige autobiographische Schilderungen. Was ansonsten häufig für sein Sachbuch verzichtbar ist, steht hier aber für eine interessante Vorstellung. Denn der Autor schildert intensiver seine Erfahrungen als Soldat, der in Hebron eben als einer von wenigen Linken seinen Wehrdienst ableistete. Die Auswirkungen der Besatzung auf die Palästinenser sind dabei ebenso wie der Fanatismus und Gewaltkult von Siedlern ein Thema. Eine für die israelische Demokratie bestehende Gefahr wird gerade in diesem langjährigen strukturellen Konfliktpotential dann von Mendel gesehen.

Bei den Ausführungen zu den vier genannten inhaltlichen Schwerpunkten finden sich häufig inhaltliche Zuspitzungen, deren Berechtigung man aber meist schwerlich in Zweifel ziehen kann. Anschaulich wird etwa aufgezeigt, dass die von der deutschen Elite betonte Israel-Solidarität nicht notwendigerweise auch in der deutschen Öffentlichkeit so geteilt wird und diese durchaus mit einer eigenen Interessenlage verbunden war und ist: „Die Wiedergutmachung an Israel und den Juden war gemäß Adenauer also vor allem ein Symbol, ein Vehikel, damit die Bundesrepublik Deutschland wieder ihren Platz unter den Nationen einnehmen konnte“ (S. 44). Bezogen auf die BDS-Boykott-Kampagnen ist Mendel skeptisch, wenn es um die inflationäre Antisemitismus-Einordnung geht. Das hat aber dann inhaltliche Gründe und steht nicht für Sympathie. Denn bezogen auf BDS ist auch von einer „totalitären Ideologie“ die Rede. Es heißt etwa: „Die BDS-Bewegung scheut nicht einmal davor zurück, israelische Friedensaktivisten zu bekämpfen, indem sie diese von internationalen Konferenzen ausschließen lässt“ (S. 73). Besonders betroffen seien kritische Einzelne und NGOs.

Autobiographisch beginnen dann die Ausführungen über die deutsche Linke und den Nahostkonflikt, wobei anfänglich der israelische Linke über seine deutschen Mitlinken und deren Umgang miteinander nur verwundert war. Immer wieder wird der bei „Antiimperialisten“ ausgeprägte Hass auf Israel kritisch hervorgehoben, aber auch die Bemühung um „jüdisch-israelische Kronzeugen“ für dieses Selbstverständnis kritisch kommentiert. Und schließlich geht es noch um den „zweiten Historikerstreit“, wobei Mendel sich insbesondere gegen das Bild vom „Katechismus der Deutschen“ bei dem australischen Historiker A. Dirk Moses wendet. Gekonnt arbeitet er dabei dessen manipulative Rhetorik anhand von einer kurzen Textanalyse auf. Das Buch endet mit dem Kommentar: „Die Hoffnung, man könne in Deutschland über Israel so reden, also ob seine Entstehung nichts mit der deutschen Vergangenheit zu tun hätte, ist vergeblich“ (S. 179). Hier und da hätte man sich  etwas mehr Tiefgang gewünscht. Dann würde das Buch aber zu einem anderen Genre gehören. Dessen Differenzierungen machen es aber unabhängig davon sehr lesenswert.

Meron Mendel, Über Israel reden. Eine deutsche Debatte, Köln 2023 (Kiepenheuer & Witsch), 217 S., Bestellen?