Spott-Light: Dugin will Putin töten, als Rache für den Mord an seiner Tochter?

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Was für ein alter Hut, jedenfalls für Leser*innen dieses Nachrichtenmagazins!

Von Christian Niemeyer

Um bei dieser knalligen Überschrift nicht am Ende als hoffnungsloser Aufschneider dazustehen: Wie wäre es, wenn sie, liebe Leser*innen, beim Nachdenken über die Nachricht von gestern[1], „Putins Hirn“ Alexander Dugin fordere, Putin zu töten, wohl auch, weil er um den eigentlichen Auftraggeber für den Mord an seiner Tochter Daria Dugina weiß, erst einmal an mich dächten, konkret: an eine hier am 21. Oktober 2022 erschiene Geschichte von mir[2], und zwar ab jetzt:

*

„Das Leben ist ein Experiment des Erkennenden“ (Nietzsche), sprach ich mir am 20. Juli 2022 Mut zu. Ehe ich mich dreißig Meter vor Playa del Ingles unerschrocken in die Brandung drehte und in den Wind rief, in der Hoffnung auf ein anregendes politisches Gespräch mit wen auch immer:

„Niemand hat die Absicht, Putin in die Luft zu sprengen!“

Ein unmittelbar neben mir stehender Badegast, ungekämmt wie Boris Johnson, mit Pickeln, roten Haaren und mächtigem Arschgeweih-Tattoo, sah mich erschrocken an und suchte dann kopfschüttelnd das Weite. Was ihm nicht wirklich gelang. Denn die nächste Welle riss ihn um und mich gleich mit, so dass wir uns zehn Meter vor Playa del Ingles als Knäuel wiederfanden, ich auf ihm mit von der Welle heruntergerissener Hose liegend, er nach wie vor anständig bekleidet: mit Kilt. Ein Schotte also, kein Engländer, was mein witzig gemeintes „Wake me up, before you go-go!“ keineswegs in hellerem Licht erstrahlen ließ, im Gegenteil: „George Michael? Damned, so go your one way!“ Und weg war er, während mir meine Kinder auf die Beine helfen mussten, kreischend wie die Indianer. Ich indes rief dem Weggehenden nach: „Unser Kanzler log also selbst dort, wo er, lt. Bild, den Engländer mittels der Worte charakterisierte: ‚You never walk alone!‘“

Am Strand dann die erwartbare Standpauke meiner Frau, nicht meines Bild-mäßigen Scholz-Bashing, auch nicht wegen des ARD- und ZDF-inkompatiblen „Indianer“-Geheuls unserer Kinder, das ich durch meine Unbeholfenheit evoziert hatte. In Fragen wie diesen versteht sie Spaß, hieß mich „Rothaut“ und schmierte – nein: nicht mir eine! – mich etwas lieblos, wie ich fand, ein mit 50+ Sonnenmilch für Babys. Nur ein Vorwand für einen Vortrag zum Thema „Erholung“: Mein Arzt habe mir purinarme Kost verordnet – und seitdem machte ich überall blöde Witze mit Putin, etwa à la: „Putin-arme geistige Kost“. Quod erat demonstrandum: Mein Geheimrezept – zwei Wochen nur Bild-Zeitung lesen – führe nicht zur Entspannung, sondern trage, siehe meinen Auftritt eben, zur Verblödung bei, offenbare jedenfalls den fortgeschrittenen Stand der meinen. Einen Wildfremden mit einem im Übrigen von Walter Ulbricht aus Ost-Berlin geklauten Spruch anzubaggern und dabei „Mauer“ mit „Putin“ zu ersetzen und „bauen“ mit „in die Luft sprengen“, sei ja wohl das Dümmste seit Nietzsche Gedenken, also seit 1888. Zumal schon der Name Playa del Ingles wahrscheinlich mache, dass man hier nur mit Englisch weiterkomme. Im Übrigen interessiere sie durchaus, ob der Typ zuvor irgendetwas gesagt habe, so dass meine Äußerung als Antwort gedeutet werden könne. „Als Antwort etwa auf die Frage eines Agenten von 007-Format“, lockte sie mich mit einer Art Zuckerbrot, die Peitsche in der Hand haltend. Ich beschloss, Ihr diesmal nicht auf den Leim zu gehen, und stellte mich noch ein wenig dümmer als eigentlich erlaubt:

„Nein; oben kam nichts raus, unten allerdings…“

Ihr drohender Blick verhieß nichts Gutes, also schwieg ich stille – nicht aber meine Frau:

„Also hast Du wieder einmal einfach nur vor Dich hingeredet! Was hast Du denn eigentlich als Antwort erwartet?“

„Nun, im besten, also 007-Fall etwas wie: ‚Wir von Scotland Yard warten einfach noch ein wenig ab, bis er tot umfällt! Oder aus dem Fenster eines Krankenhauses in Moskau!‘“

„Was ist das für ein merkwürdiges Bild?“

„Das Bild wurde am lt. Bild durch den saudischen Diplomaten Mohammad Al-Quathani evoziert. Er fiel vor gut zehn Tagen, am 10. Juli in Kairo, während einer Lobrede auf den ägyptischen Präsidenten Abdel Fatah Al-Sisi einfach tot um. Der Sache nach stammt das Bild von Benjamin Ferencz, als Todeswunsch in Richtung der Auschwitzleugner unter den Neuen Rechten.“

Da wusste meine Frau: Jetzt gab’s kein Halten mehr – und vermutlich gleich eine Freiluftlesung aus meinem Schwarzbuch Neue/Alte Recht. Glossen, Essays, Lexikon (2021). Ermattet schloss sie ihre rehbraunen (kleiner Scherz, folks!) Augen, mit den Worten einschlafend: „Oh Schatz, bitte, schalte ab, es ist Urlaub!“ Ich gab klein bei, begrub das Kriegsbeil im Sand, herzte sie und gelobte Besserung. „Ab sofort enteigne ich, was meinen Teil angeht, Springer, und lese nur noch Krimis aus der Hotel-Bibliothek!“ (Dass ich für meinem Nebenjob als Krimiautor (s. Spott-Light II) in den Ferien üben wollte, musste ich ihr ja nicht gleich unter die Nase binden). Friedlich grinsend wie ein Breitmaulfrosch, von einer PK träumend, wo ich Krimiautor im Blitzlichtfeuer stand, lag auch ich bald mit geschlossenen Augen da und erzählte mir die inzwischen selbst in der Bundeswehr heiliggesprochene Heldengeschichte des Grafen von Stauffenberg, der am 20. Juli 1944, also vor 77 Jahren, Hitler hatte in die Luft sprengen wollen. Was, den Erfolg dieser „Operation Walküre“ vorausgesetzt, das Leben von weiteren 25 Millionen Menschen, die bis Kriegsende starben, hätte retten können.

Soweit also diese Geschichte aus hagalil.com vom 21. Oktober 2022. Und hier nun noch, brandneu, die Fortsetzung aus meinem in Vorbereitung befindlichen Buch Die AfD und ihr Think Tank im Sog von Putins Untergang, gleichsam als vom Verlag Beltz Juventa (Weinheim) freundlich genehmigten Vorabruck.

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Wie schnell es mitunter mit dem Sterben geht, wurde uns nach dem Urlaub mit Entsetzen klar. Meine Frau vermied zwar jeden Besser-Wessie-Blick in meine Richtung, aber klar war auch so, was sie dachte: Noch nicht mal meine vor Playa del Ingles in den Wind gerufene Prognose, niemand habe die Absicht, Putin in die Luft zu sprengen, sei das Papier wert, auf die sie nicht geschrieben war! Meine Ausflucht, es handele sich ja gar nicht um Putin, sondern nur um Dugin, wischte sie mit dem, wie ich fand, recht ärmlichen Bedenken vom Tisch, vielleicht habe sich da jemand wegen der Namensgleichheit vertan – so wie ich im Urlaub: Jedem, der es nicht hören wollte, hätte ich ein Ohr abgekaut mit der Information, unsere vegane Tochter hätte dem Papi Putin-arme Ernährung verordnet – ein, wie meine Frau noch hinzusetzte, „schales Witzchen“, das nun zu meinem Nachteil ausschlage: Selber Putin mit Purin zu verwechseln – aber Mördern mit dem Hinweis beistehen, sie hätten womöglich Putin mit Dugin verwechselt, sei nun einmal ein absolutes No-Go!

Ich schwieg betroffen – und sondierte klammheimlich in der aufgestapelten Urlaubspost, was der Spiegel in der Zwischenzeit in dieser Causa herausbekommen hatte. Ich war entsetzt (nun nicht nur über den Mord, mit Verlaub): Erst am 27. August, also mehr als eine Woche nach dem Geschehen, gab dieses vormalige Investigativjournal Nr. 1, abgezeichnet unter „Nachrufe“, davon Kenntnis, dass Alexander Dugins Tochter Darja Dugina (29) „am 20. August in Blischije Wasjomy [starb]“ (Spiegel Nr. 35/2022: 117), ähnlich wie – dies ist offenbar die Spiegel-interne Bauanweisung für Nachrufe –, auf der nämlichen Seite zu besichtigen, Eva-Maria Hagen (87) „am 16. August in Hamburg [starb]“ oder Theo Sommer (92) „am 22. August in Hamburg“ sowie Rolf Kühn (92) „am 22. August in Berlin“. Alle durch eine Autobombe? Nein, wird mir jetzt vermutlich Christina Hebel vom Moskauer Spiegel-Büro als mutmaßlich hinter dem Kürzel HEB sich verbergende und mithin Verantwortliche[3] für den Dugina-Nachruf fluchend ins Wort fallen und auf die vielen Informationen verweisen, die sie zur Dugina zusammengetragen habe, endend mit:

„Laut dem Inlandgeheimdienst FSB aber war Dugina nicht das Opfer einer Verwechslung, sondern eines gezielten Mordes, beauftragt angeblich durch den ukrainischen Geheimdienst. An der Version gibt es erhebliche Zweifel.“

Meine Antwort, wohlgemerkt: Monate vor der einleitend erwähnten, am 12. November selbstredend nicht vom Spiegel, sondern von The Mirror überbrachten Nachricht, Dugin fordere unter Verweis auf die analog gebaute Geschichte von James Frazer The Golden Bough: A Study in Magic and Religion, Putin zu töten, wohl auch, weil er um den eigentlichen Auftraggeber für den Tod seiner Tochter weiß:

„Liebe HEB, Ihre Verdienste im Kampf gegen rechts in allen Ehren, namentlich gegen sich als Linke tarnende neu-rechte Putinizer, die sie ‚als Lügenbaronin aus dem Moskauer Spiegel-Büro‘ auf unfassbar aggressive Weise noch im unmittelbaren Vorfeld von Putins Krieg an den Pranger stellten – aber ich kaufe den Spiegel nicht, um acht Tage nach dem Geschehen Zeuge Ihrer Verzweiflung ob der vielen Zweifel zu werden, sondern um Aufklärung zu bekommen über von anderen nicht Aufgeklärtes. Also mutig voran – hin zu einer Titelgeschichte in einem der nächsten Hefte, statt, wie diesmal, die Putin-Berichterstattung dem Spiegel-weiten Scholz-Bashing einzufügen nach dem Muster Ihres Fidelius Schmid: ‚Nicht einmal jetzt kann sich die Bundesregierung durchsetzen, auch nur die Hälfte aller bislang identifizierten russischen Agenten aus dem Land zu werfen.‘ (Spiegel Nr. 35/27.8.2022: 5) Können Sie nicht endlich einmal, liebe Frau Hebel, diesen arroganten Finsterlingen beim Spiegel aufs Dach steigen? Und Ihnen erklären, warum es an der Zeit wäre, endlich die fünfte Kolonne Moskaus, die Putin- und Dugin-Versteher aus der Neuen Rechten, aus dem Land zu werfen.“

So sie nicht, so ergänzte ich still für mich, ohnehin längst in St. Peterburg wohnen, wie, seit 2018, der in Bremen geborene neu-rechte Blogger („Anti-Spiegel“) und Putin-Versteher Thomas Röper (Jg. 1971), dem wohl kaltblütigsten Lügner nebst Putin und Dugin. Wie sein Buch Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt? (2019) belegt.“

Meine Frau, des Gedankenlesens kundig, war entsetzt:

„Du meinst, HEB hat gute Aussichten, nach Dugina und Dugin und vor Putin in die Luft gesprengt zu werden?“

Ich wiederholte stoisch: „Niemand hat die Absicht, Putin in die Luft zu sprengen!“

„Manno – so antwortest Du ständig! Also, jetzt pack endlich aus: Was hat der Schotte neben Dir dreißig Meter vor Playa des Ingles gesagt, bevor Du so geantwortet hast?“

Ich wiederholte stoisch: „Gar nichts. Oben hat er gerülpst und unten gepupt!“

„Aber als Du es eben wiederholtest, war es doch eine Antwort!“

„Ja, auf Deinen Leichtsinn! Schließlich könnten wir abgehört werden!“

„Und dann würde am Ende auch noch der letzte Schlapphut wissen, dass wir nur so täten, als wüssten wir nicht: Dugina war nur der Anfang – und Putin sei das Ende.“

„Darf ich ergänzen, Schatz? Putin, in die Luft fliegend, markierte das vorübergehende Ende einer Reihe, die mit dem inzwischen selbst bei der Bundeswehr gefeierten Versuch eines Tyrannenmords begann: jenen an Hitler durch Graf Stauffenberg!“

‚Schatz‘ war begeistert, erklärte mich für schlau – was ich bescheiden in Abrede stellte, hinzufügend, ich läse nur mehr als andere – und das Richtige.

„Und zwar?“

HaGali.com Jüdisches Leben online beispielsweise.“

„Für die dieser Text gedacht ist, stimmt’s? Oh, Du Schleimer. Deine ganze Kritik am Spiegel erklärt sich also damit, dass Frau Dr. Amann nicht wollte, anders als Frau Dr. Livnat. Ich wette, dass….“

An dieser Stelle scheint es mir geboten, diese Liveübertragung abzubrechen. Zumal wir nun den Punkt quod erat demonstrandum erreicht haben:

Dugin will Putin töten, als Rache für den Mord an seiner Tochter? Was für ein alter Hut, jedenfalls für Leser*innen dieses Nachrichtenmagazins!

Autor: Prof. Dr. Christian Niemeyer, Berlin

Bild: Vladimir Putin, Foto: Kremlin.ru / CC BY 4.0; Aleksandr Dugin, Foto: Fars Media Corporation / CC BY 4.0

[1] https://www.msn.com/de-ch/nachrichten/other/putin-berater-aleksander-dugin-ruft-zur-ermordung-des-russischen-pr%C3%A4sidenten-auf/ar-AA142jfw 
[2] www.hagalil.com/2022/10/nietzschekongress/ 
[3] Als zur Vorsicht verpflichteter Wissenschaftler sowie Krimiautor bleibe ich im Folgenden gleichwohl bei den Initialen HEB, zumal sich hinter dem Verschweigen des Klarnamens ja auch eine raffinierte Strategie des Spiegel verbergen kann, dem FSB nicht zu viel zu verraten….