„Sind wir jüdisch? Nein! Die Halacha sagt Nein zu uns. Sind wir christlich? Auch das meistens nicht. Sind wir konfessionslos? Das vielleicht am ehesten, jedenfalls sagen das unsere Papiere“, schreiben die Herausgeberinnen des 2021 bei Vandenhoek & Rupprecht erschienenen Buches ‚Väter unser… Vaterjüdische Geschichten‘ im Vorwort.
Die Frage der Selbstbezeichnung entsteht aus der Diskrepanz zwischen jüdischem Gesetz und Realität. Das jüdische Gesetz ist ein Abstammungsgesetz und besagt, dass den jüdischen Status zunächst nur erhält, wer von einer jüdischen Mutter geboren wird. Sogenannte ‚Vaterjuden‘, also Kinder jüdischer Väter und nicht jüdischer Mütter, haben demnach keinen jüdischen Status. Religionsgesetzlich. Der Lebenswirklichkeit entspricht das nicht unbedingt, denn Vaterjuden sind beispielsweise faktisch Teil einer jüdischen Familie, erleben Antisemitismus oder gestalten kulturell jüdisches Leben. Die jüdische Vergesellschaftung funktioniert geregelt über andere Instanzen als die religiösen. Gleichzeitig wird von Vaterjüdinnen und Vaterjuden oft eine eindeutige Kategorisierung als Jüdin/Jude oder Nichtjüdin/Nichtjude verlangt. Wie kann das gehen?
Am 13. Juli 2022 sind Max Czollek, Regula Weil und Ruth Zeifert zu ‚Väter unser… Vaterjüdische Geschichten‘ im Gespräch. Zunächst wird Ruth Zeifert, die in den 2010er Jahren eine empirische Studie zu Vaterjuden durchführte, über die geschichtlichen und religiösen Hintergründe sprechen. Es folgt die Lesung mit Max Czollek, Regula Weil und Ruth Zeifert aus dem Buch, das biografisch, poetisch und anekdotenhaft aus den Leben der verschiedenen Generationen erzählt. Danach führt Czollek seine Gedanken zur Frage nach Zugehörigkeit im zeitgenössischen Judentum aus. Abschließend wird auf dem Podium und mit der Zuhörerschaft die Rolle von Zugehörigkeit und Dazwischen-Sein in einer Gesellschaft diskutiert, in der Menschen mit mehrfacher Herkunft immer häufiger werden.
Zu den Referenten
Max Czollek wurde 1987 in Berlin geboren. Er ist Mitglied des Lyrikkollektivs G13 und Mitherausgeber der Zeitschrift Jalta – Positionen zur jüdischen Gegenwart. Mit Sasha Marianna Salzmann kuratierte er 2016 den Desintegrationskongress und 2017 die Radikalen Jüdischen Kulturtage am Maxim Gorki Theater. Die Gedichtbände Druckkammern, Jubeljahre und Grenzwerte erschienen im Verlagshaus Berlin, bei Hanser 2018 das Sachbuch Desintegriert euch!.
Regula Weil ist Lehrerin in Biel/Bienne, Schweiz. Zuvor leitete sie 10 Jahre eine zweisprachige Schule. Zu ihren Spezialgebieten gehören Schulmusik, Leadership und Neue Autorität nach Haim Omer. Ihre Eltern, der Vater Jude, die Mutter Nichtjüdin, führten in Bern eine Drogerie und waren in der jüdischen Gemeinde aktiv.
Dr. Ruth Zeifert ist Soziologin, Autorin und Referentin zu jüdischen Themen. Der jüdisch-israelische Vater erhält spät die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Eltern lehnen eine orthodoxe Konversion der nichtjüdischen, deutschen Mutter ab. Ruth Zeifert wird so 1972 in Frankfurt a.M. als israelische Staatsbürgerin und Nichtjüdin geboren.
Wann
Mittwoch, 13. Juli 2022, 19.00 Uhr
Eintritt
8 €
Veranstaltungsort
Jüdisches Museum München
Veranstalter
Eine Veranstaltung der Liberalen Jüdischen Gemeinde München Beth Shalom in Kooperation mit Chaverim – Freundeskreis zur Unterstützung des liberalen Judentums in München, dem Jüdischen Museum München und der Literaturhandlung München.
Corona-Schutzmaßnahmen
Seit 3. April sind im Jüdischen Museum München die gesetzlichen Corona-Schutzregeln entfallen.
Um sich und andere zu schützen, bittet das Jüdische Museum München weiterhin um Ihre Rücksichtnahme. Das Jüdische Museum München möchte allen Besucher_innen einen sicheren und angenehmen Aufenthalt im Jüdischen Museum München ermöglichen und freut sich über Ihre Unterstützung.
Falls Sie Hilfe bei der Anmeldung benötigen, wenden Sie sich bitte an das Gemeindebüro:
office@beth-shalom.de, Tel. +49 89 76 70 27 11, Bürozeiten: Montag, Mittwoch und Donnerstag, jeweils 10:00 bis 13:00 Uhr.