Tel Aviv und Yafo im Regen

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Wer an Tel Aviv denkt, assoziiert die Stadt wohl am ehesten mit Sonne und blauem Himmel. Aber selbstverständlich regnet es da auch, und genau dann lohnt es sich die Stadt zu durchstreifen, mit offenen Augen und noch besser, mit einer Kamera in der Hand.

Von Robert Schlickewitz

Die Wetterstatistiken weisen nach, dass Tel Aviv die meisten Niederschläge, Regen, Hagel, seltener Schnee, in den Monaten Oktober bis März abbekommt. Die meisten Regentage, nämlich 15, zählt man im Januar, die wenigsten im August. In den Monaten Juni bis September scheint meist die Sonne.

Tel Aviv erhält Nasses von oben im Durchschnitt an 70 Tagen im Jahr; zum Vergleich, in Berlin prasselt es, mitunter gnadenlos, an 106 und in München gar an 130 Tagen.

Zur Qualität der Tel Aviver Niederschläge zunächst die Eindrücke des Autors, dann die seiner Redakteurin, einer Einheimischen.

Der Regen geht offensichtlich gnädig mit den Menschen um. Er hat nicht die Absicht sie pitschenass zu machen, sondern er tröpfelt wenig dicht vor sich hin oder hüllt ein, als ginge man durch eine Wolke. Ein wenig erinnert er an dieses extrem feine, kaum fühlbare Nieseln, das die Paulistas, die Bewohner von São Paulo, „chuviscas“ nennen. Hat man sich gar ausgiebig bewegt, lässt die angesammelte Körperwärme, das Tröpfchensammelsurium auf Haut oder Windjacke verdampfen. Nie hat man das unangenehme Gefühl, durchnässt zu sein. Daher sieht man Regenschirme in Tel Aviv auch eher selten (siehe Fotos).

Nieselregen ist sehr selten (!). Normalerweise regnet es bei uns entweder durchgehend kräftig und es prasselt wie Weltuntergang. Dieses Jahr (2022) war überhaupt viel Regen.

Am besten kommen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, nach Tel Aviv und urteilen selbst.

Wer Tel Aviv im Regen erstmal erlesen möchte, sollte sich das bei Akashic Books, Brooklyn, erschienene „Tel Aviv Noir“ besorgen (Rezension im Archiv von haGalil). Darin werden eine Menge Regenszenen von verschiedenen, zumeist einheimischen, Autoren geschildert.

Reiseführer raten Gästen der Stadt gewöhnlich, Regentage mit ausgiebigem Shoppen, bildenden Museumsbesuchen oder Schlemmen bis zur Besinnungslosigkeit totzuschlagen. Der Autor hingegen empfiehlt geeignete Kleidung, festes Schuhwerk, und, warum nicht, auch einen Paraplü, sowie Freude am Entdecken. Denn zu entdecken gibt es in der Stadt am südöstlichen Mittelmeerrand wahrlich eine Menge. Man muss nur seine Augen aufmachen und immer wieder seine Blickrichtung ändern, also auch mal nach hinten sehen, um nichts zu versäumen.

In seiner Jugend benutzte der Autor auf seinen Reisen fast stets seine zuverlässige Rolleiflex 3,5 f, jene ziegelsteinförmige, klassische, zweiäugige Spiegelreflexkamera mit klappbarem Lichtschacht und für 120er Rollfilm. Heute setzt er auf sein Smartphone mit drei Objektiven. Man geht eben mit der Zeit und praktisch ist es auch, wenn eine Kamera fast nichts wiegt und in der Hemdtasche Platz findet.

Zum Abschluss ein Tipp an die eifrigen Fotografen unter den Besuchern der Stadt. Wie überall, sollte man vor dem offenen Ablichten von Menschen zumindest durch eine Geste seine Absicht ankündigen, am besten verbunden mit einem entschuldenden Lächeln oder einem erklärenden „ani tajar“ (=ich bin Tourist). So kann, in den meisten Fällen zumindest, nichts schiefgehen.

Die folgenden Bilder entstanden im Januar 2020 und im Februar 2022.