Völkische Sexualitätskonzepte in Jugendromanen und Erzählungen Jugendbewegter

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Eine kleine Bücherschau der Jahre 1912 bis 1937 unter Konzentration auf von den Nazis 1933 selbstredend nicht Verbranntes, wegen der Pointe: „Die Juden sind unser Unglück!“

Von Christian Niemeyer

„Es verlohnt daran zu erinnern, daß es schon seit 1900 eine Jugendbewegung gegeben hat und daß man sie ihrem Wurzelwesen nach als völkisch und unbürgerlich bezeichnen darf“, schrieb Hjalmar Kutzleb am 21. Februar 1934 im Berliner Lokalanzeiger unter der Headline Vom Wandervogel zum neuen Staat (vgl. Kutzleb 1934), als gelte es, Kontinuität zu betonen im Blick auf den übermächtigen neuen Konkurrenten auf dem Felde weniger der Jugendbewegung denn der Jugendpflege: der Hitler-Jugend. Die Umkehrprobe ist rasch erbracht im Rückblick auf Werner Finck und Hans Deppe, die fast fünf Jahre zuvor, 16. Oktober 1929, anlässlich der Eröffnung des Berliner Kabaretts Katakombe, die Wandervogelparodie Tandaradei zu Gehör brachte, darunter, in verteilten Rollen gesprochen, die folgenden Zeilen:

„Wir lesen mühsam von Gedicht zu Gedicht. / Nur Erich Mühsam lesen wir nicht. / Wir bleiben tumb. / Wir nähren uns kärglich von Rohkostnahrung. / Und hegen die Seele. / Und pflegen die Paarung.“ (zit. n. Hoser 2004: 121)

Kritische Verse wir diese sowie komplementäre, nun aber mit Stolz vorgetragene Selbsteinordnungen wie jene Kutzlebs stehen bei Jugendbewegungsveteranen und -historiographen wie dem Kutzleb-Schönredner Jürgen Reulecke (vgl. Niemeyer 2022) nicht hoch im Kurs. Zumal sie Rückerinnerungen freisetzen können beispielsweise an den sehr viel später schließlich doch nachdenklich gewordenen, aus Deutschland emigrierenden jüdischen Reformpädagogen Max Bondy, der noch 1914 in seinem Feldzug gegen „zersetzendes oder ungesundes, oberflächliches Wesen“ den Ausschluss solcher Freischaren aus dem Bund durchsetzen wollte, „die sich mit Psychoanalyse oder mit Dichtern wie Rilke, Hofmannsthal, Stefan George oder Oscar Wilde beschäftigten.“ (Bias-Engel 1988: 89) Und doch: Ob 1914 oder 1929 und allen Ausnahmen zum Trotz – in der Regel dominierte in der tatsächlich, wie Kutzleb 1934 diagnostizierte, mehrheitlich völkisch gesonnenen Jugendbewegung eher schlichtes Lesegut, zielen mithin neuere Studien wie jene von Toni Tholen zum Thema Geschlechterkonstruktionen und Jugendbewegung in literarischen Texten um und nach 1900 (2011) am eigentlichen oder jedenfalls doch: am hier im Zentrum stehenden Problem vorbei. Nicht gemeint ist damit, es wäre nicht interessant zu lesen, wie Tholen anhand ausgewählter Texte von Herrmann Hesse, Rainer Maria Rilke sowie Robert Musil jugendbewegungsideologisch relevante ‚Geschlechterkonstruktionen‘ rekonstruiert. Gemeint ist vielmehr, dass Texte dieses literarischen Niveaus in der Regel keine oder nur marginale Relevanz hatten für die reale Selbstverständnissicherung Jugendbewegter.

Ähnliches gilt für Rebecca Gudat, die in ihrer Münchener germanistischen Dissertation der These Christian Füllers nachzugehen suchte, ob und inwiefern Kunst (resp. Literatur) als „die großartigste Rechtfertigung für Missbrauch, die es überhaupt gibt“ (zit. n. Gudat 2017: 49), zu gelten habe. In dieser Absicht analysierte sie in Reaktion auf den Missbrauchsprozess um Gustav Wyneken (1921) entstandene „literarische Reaktionen, die von Schülern bzw. Protégés (z. B. Arnolt Bronnen, Erich Ebermayer, Klaus Mann), Lehrern (Wilhelm Lehmann), Schülereltern (Carl Sternheim) oder der Bewegung nahestehenden Schrifstellern (Jakob Wassermann, Stefan Zweig, Hermann Hesse) verfasst wurden“ und angesichts derer die Verfasserin als Desiderat festhält, „dass fiktionale Werke in Zukunft […] stärker auf Euphemisierungen und ethische Ambivalenzen hin untersucht werden müssen.“ (Gudat 2018: 525 f.) Zu welchem Behufe? Mir jedenfalls klingt derlei etwas zu wenig nach Kunstfreiheit und etwas zu sehr nach Moralpanik und Gesinnungspolizei, zumal ein sehr viel dringlicheres Desiderat erst gar nicht in den Blick gerät: die sexualitätsbezogenen literarischen Fiktionen Jugendbewegter, die auch schon Gerhard Henschel im Blick hatte bei seiner Studie Neidgeschrei. Antisemitismus und Sexualität (2008) und um die es im Folgenden gehen soll.

Sexualerziehung sowie Sexualitätskonzepte jedweder Art standen damals hoch im Kurs im von Jugendbewegten stammenden Schrifttum oder in für Jugendbewegte gedachten Texten, darunter, selbstredend auch Romane, deutlicher: Jugendromane. Begonnen sei diese kleine, zugegebenermaßen sehr subjektiv gehaltene, chronologisch geordnete Bücherschau mit einem formidablen Bestseller.

Hermann Burte: Wiltfeber, der ewige Deutsche (1912)

Hermann Burtes (1879-1960)[1] Roman Wiltfeber, der ewige Deutsche (1912) wurde von Else Frobenius mit dem Lob bedacht, hier werde der Mensch der Jugendbewegung „als deutscher Typ und Idealgestalt geschaut“, dies insbesondere „mit seinem Suchen nach wesenhafter Lebensgestaltung.“ (Frobenius 1929: 409 f.) In Übersetzung geredet und in einer Sprache, die nach 1945 wieder verfügbar war, dies zumal für jüdischen NS-Vertriebenen, etwa den Historiker Walter Laqueur: Burtes Wiltfeber war die „Bibel der rechtsgerichteten Wandervögel.“ (Laqueur 1962: 56) In der neueren literaturwissenschaftlichen Forschung wird Burtes Wiltfeber zusammen mit Poperts Helmut Harringa unter Stichworten wie „Antiliberalismus, Nationalismus und Rassismus“ (Dohnke 1996: 668) verrechnet und als zentrales Exponat der völkischen Heimatschutzbewegung gelesen (Sievers 2007: 156 ff.). Dies erklärt auch Burtes Antisemitismus, seinen Antiurbanismus sowie die Grundprämisse völkischer Ideologie, Burtes als gegen die ‚Ideen von 1789‘ gerichtet zu lesender Anti-Rousseauismus, zutage tretend in – auf Rousseaus Offenheit in erotischen Fragen anspielenden Formulierungen wie:

„Der Selbstbeflecker aus Genf hat aus seinem unreinen Mund den Pesthauch in die Welt geschnauft, an dem sie siechten und eingingen, als er schrie: Zurück zur Natur! Da brach der Haufe los und erschlug die Edlen.“ (Burte 1912: 12)

Von hier aus betrachtet scheint, so will uns der Dichter offenbar sagen, Gegenaufklärung als Akt der Selbstverteidigung das Gebot der Stunde. Dies könnte erklären, dass nun auch Burte, ähnlich wie Popert, der völkisch gesonnenen Jugend und ihrem Recht zum Widerstand und zum Aufbegehren ein Denkmal meinte setzten zu dürfen.

Zum Thema passt, dass am Ende jenen Jahres 1912, das Burte mit seinem im Folgenden etwas genauer in Augenschein genommenen Schundroman[2] beglückte, Burtes zehn Jahre jüngerer Gesinnungsgenosse Carl Schmitt (1888-1985) seinem Tagebuch anvertraute, alles Fleisch sei „ekelhaft“, Sexualität nur „eine ‚verunglückte‘ zotige Karikatur eines großen und erhabenen Begehrens“, im Übrigen gelte:

„Die Einheit des leeren blauen Himmels ist die Einheit des weiblichen Bewusstseins, die Einheit des Obelisken ist die Einheit des männlichen Bewusstseins. (Schon daraus ergibt sich, dass Freud ein Schwein ist).“ (zit. n. Klotter / Beckenbach 2012: 49)

Die fernere Zukunft des solcherart sich an verqueren Ableitungsfolgerungen verhebenden frischgebackenen Juristen kann nicht überraschen: Die Niederschlagung des ‚Röhm-Putsches‘ durch den ‚Führer‘ im Juli 1934 – im Klartext geredet: das weniger für Homophobie denn für das kalte Machtkalkül Hitlers (vgl. Bleuel 1972: 135) zeugende Massaker an schwulen SA-Führern in einem bayrischen Gasthof – adelte der darob zum Vorzeige- und Hausjuristen der Nazis aufgestiegene Schmitt als ‚Staatsnotwehr‘ und damit als juristisch unanfechtbar. Und, was das ‚Schwein‘ Freud angeht: Die Bücher desselben verbrannte man in Deutschland ab Mai 1933, den Autoren dahinter drohte, was Wien angeht, ab 1938 Verfolgung und Tod im KZ, kurz: Die von Carl Schmitt 1912 beschworene ‚Einheit des männlichen Bewusstseins‘ trat ab 1933 auf furchtbare Weise in Geltung, ausgehend von einer Sexualangst im Blick auf jene, die des ‚großen und erhabenen Begehrens‘ nicht würdig sind und die nur da milderbar scheint, wo das Sexualobjekt dem eigenen Rasseideal korrespondiert und am Ende als neues, übergreifendes Liebesobjekt die ‚Kameradschaft‘ greift und Sexualität „nicht mehr der individuellen Lust [dient], sondern dem ‚Volk‘.“ (Winter 2013: Rückumschlag)

Bei Hermann Burte wird dieses Ideal eingebaut in das Projekt einer überaus instruktiven Strategie der völkischen Umwertung Nietzsches. Dies verdeutlicht schon die Figur des (natürlich blonden) Romanhelden Martin Wiltfeber – im Roman zumeist nur Wiltfeber genannt und mitunter „Wanderer“ geheißen –, der nach neunjähriger Abwesenheit zurückkehrt in sein Heimatdorf, ähnlich wohl wie Zarathustra mit dreißig Jahren die Wälder verlassend und den Daheimgebliebenen am Ende einer gut vierundzwanzigstündigen sonntäglichen Inspektion seines Heimatortes (in den Rubriken „Landschau, Feuerschau, Wohnungsschau, Kirchenschau, Schulschau, Leuteschau“; Burte 1912: 68) eine Art ‚Macht Platz, ihr Alten!‘ entgegendonnernd, gleichsam als Extrakt einer Bilanz wie der Folgenden:

„Ich suchte Schönheit und fand den Wust; ich suchte ein Dorf, da lag es im Sterben; ich suchte den Gott der Leute in der Heimat, da war es der Stammesgott, das vergottete Rassenselbst einer Wüstensippe; ich suchte die Macht, da war sie geteilt unter alle, so daß keiner sie hatte und nichts getan werden konnte; ich suchte den Geist, da faulte er in Amt und Gehalt; ich suchte das Reich, da war es eine Herde Enten, welche den Aar lahmschwatzten; ich suchte meine Rassebrüder: da waren es Mischlinge siebenten Grades, bei denen jedes Blut das andere entartete […].“ (ebd.: 334)

Ein Mängelkatalog wie dieser, nicht mehr mit Nietzsche resp. Zarathustra vermittelbar und insoweit die völkische Umwertung beider auf den Punkt bringend, wird einem gut zwei Jahrzehnte später fast in jedem zweiten NS-Buch begegnen.

Einschlägig im Blick auf die hier interessierende Sexualitätsthematisierung ist vor allem die Generalprobe zu dieser Diagnose, zu besichtigen in einer der ersten Szenen des Romans: Wiltfeber besucht den „alten Jäger“ (Burte 1912: 61) und lehrt ihn seine in den zurückliegenden neun Jahren aufgelaufene Lehre, etwa die in Zarathustra-Manier vorgetragene, aus frei komponierten Nietzsche- sowie (in diesem Fall) Schopenhauer-Motiven zusammengesetzte Einsicht:

„Weder Wille noch Vorstellung ist ihnen [den Menschen; d. Verf.] die Welt und sie haben auch nicht den Willen zur Macht: sie wollen weder erkennen noch herrschen, sondern gelten.“ (ebd.: 69)

Das Problem ist nur: Ähnlich wie Zarathustra bei seinem Versuch einer Vermittlung seiner Lehre scheitert auch Wiltfeber als Erzieher, wird also vom zwar gutwilligen, aber schlicht überforderten Alten einfach nicht verstanden. Wiltfebers einer Trost, auch auf eine ihm vom Alten ersatzweise offerierte Heiratsoption mit einer von ihm als Erbin eingesetzten bildhübschen Magd gerichtet, lautet, frei nach Zarathustra: „‚Trachte ich denn nach dem Glück? Ich trachte nach meinem Werke!‘“ (ebd.: 84) Wichtiger ist Wiltfebers auf eben jenes Werk orientierter Trost, basierend auf seiner Erinnerung an das Lob eines ominösen Dritten:

„Du bist ein Mann aus deutschem Blute, aber deutsch heißt völkisch, und arisch heißt herrisch, und so bist du von den Deutschen der oberen Rasse, welche herrscht oder stirbt.“ (ebd.: 73)

Wie man sieht, war dies eine durchaus passende völkische Botschaft an die Jugendbewegten, zynisch geredet: pünktlich zu Kriegsbeginn und ganz im Geiste Paul de Lagardes (vgl. hierzu Niemeyer 2013: 160 f.).

Mit Nietzsche indes hatte derlei nichts zu tun, auch nicht mit Nietzsches Sexualtheorie. Dies wird deutlich, wenn man die Rahmenhandlung einbezieht – die im Übrigen geschickt gewählt ist, also den großen Erfolg dieses völkischen Machwerks gerade bei jugendlichen Lesern erklären könnte. Denn wie wohl zu allen Zeiten: Man wird gerade bei dieser Leseklientel und ungeachtet des in der Jugendbewegung gerne beschworenen Sittsamkeitsideals („Reif werden und rein bleiben!“) die Bereitschaft voraussetzen dürfen, sich für deftige Nackt- und Liebesszenen begeistern zu lassen, angefangen von jener Magd des Alten. Denn dieser ist, wie er, einigermaßen überraschend, zugesteht, ein „alter Stecher“, der es eines Tages eben auch bei seiner Magd versucht habe, die sich aber, so erzählt er es selbst in jener eingangs erwähnten Szene dem von ihm für sie ausgewählten Bräutigam (Wiltfeber), „potz Donnerwetter […], gewehrt, gebissen und getreten und gekratzt [hat]!“ (Burte 1912: 82) Damit aber nicht genug an Grenzwertigem. Denn an dieser Stelle angekommen, weiß die jugendliche Leserin bereits von den Stunden zuvor von Wiltfeber unfreiwillig beobachteten „weißen Brüsten mit rosigen Kuppen“ jener Magd, Kuppen, die „aus schwarzblauen, nassen Haaren dem Mann entgegen [schimmerten].“ (ebd.: 36) Und sie weiß von ihrem Namen: Beschrieben wird hier wie dort des Alten deutsch-italienische Magd Magdalena („Madlee“) Rinklin, die Wiltfeber neun Jahren zuvor „verführt und genommen und dann verlassen [hatte] harten Herzens und leichten Gemüts“. (ebd.) Stellen wie die zitierte sollten der nachwachsenden (völkischen) Jugend der Jahre 1912 ff. die Botschaft vermitteln, dass der ‚schwarz-braune‘ Frauentyp zwar sexuell verlockend sei, aber, rassenhygienisch betrachtet, nicht wirklich in Frage komme insbesondere für Fortpflanzungsbestrebungen.

Eben dies ist denn auch die entscheidende Einsicht Wiltfebers am Ende seines beharrlichen Nachdenken über sein „schwarzes Madlee“ („kein deutsches Mädchen von sanftem Blick und mildem Sinn“) während des Gottesdienstes:

„Und Mischlinge dieser Rassen saßen da in den Bänken: alle Haarfarben, alle Kopfformen, alle Körperverhältnisse waren zu erschauen. Nur die Köpfe der Kinder waren fast alle blond: je älter, je dunkler. Es ist, als mache der Körper des einzelnen Menschen in seinem Leben die ganze Rassenwandlung seiner Vorfahren durch. Und Wiltfeber sagte sich: Deutsch, das ist ein Wort und bezeichnet eine mitteleuropäische Mischlingsrasse dritten Grades. Ein peinlicher Augenschein ging mir auf da in der Kirche!“ (Burte 1912: 125 f.)

Wobei noch hinzukommt, dass die sonnenbestrahlten Köpfe der vor ihm sitzenden „blonden Kinder“ im handgreiflichen Kontrast zu dem Umstand stehen, dass die Gemeinde den „Stammesgötzen einer Wüstensippe“ als ihren Gott anpreist. Wiltfeber jedenfalls ist entsetzt:

„Fremdes Wort, fremder Begriff, fremder Geist! Ich bin, der ich bin, sagt der Gott. Könnte doch dieses Volk auch noch sagen: Wir sind, die wir sind! – Das kann es nicht mehr, es ist entrasst und entgottet, von einer fremden Rasse unterworfen, einem fremden Gott.“ (ebd.: 127)

 

Wiltfebers private Lektion aus diesem öffentlichen Desaster kann kaum fraglich sein: Er darf sein Glück nicht in den Armen Magdalenas suchen, sondern er muss es finden in denen Ursula von Brittloppens – immerhin auch nicht zu verachten, gemahnt ihn doch ihr Äußeres „an die langgliedrigen, blonden Engel in den täuschenden Deckenbildern geschickter venetianischer Maler.“ (ebd.: 167) Über Stunden hinweg – der ganze Roman beschreibt den Ablauf eines Tages – zieht sich der Kampf in Wiltfebers Brust, schwankend zwischen „der Magd mit den schwarzen Haaren“ und der „Herrin mit blauen, stählernen Augen und weiß-blonden Haaren“; die eine „ganz Blutspielball, von unbändigen Sinnen und einfachen Geistes; die andere ganz Bewußtsein“ (ebd.), wobei sich mitunter, wiederum fraglos zur Freude jugendlicher Leser, ein dritter Weg anzukündigen scheint, zumindest in Gestalt der Frage:

„Oder soll Ursch die Herrin der Seele und Mad die Buhlin des Leibes sein?“ (ebd.: 311)

Am Ende aber siegt die Vernunft, also, wie Martin Magdalena in einem dramatischen letzten Gespräch erklärt, die „gemeinsame Sache“ (ebd.: 317), die ihn mit Ursula – die er nicht liebe – verbinde.

Beider Vereinigung schildert der Dichter im ganz großen, von Richard Wagner her vertrauten Stil. Dabei darf natürlich der Drache nicht fehlen und auch nicht die Drächin, ebenso wenig wie die Erde als (das empfangende) Weib und der Himmel, der das Männliche vertritt, mit dem Blitz als Symbol für ungebändigte Zeugungsfreude, und dies in gleichsam metaphysischer Bedeutungsschwere: Das Paar stirbt in einer Hütte auf dem Buchsfelsen, vom Blitz erschlagen, auf dem Höhepunkt des Liebesaktes – und der Dichter vermag auch dem einen tieferen Sinn abzugewinnen, denn:

„Da war dem Wiltfeber […] das Höchste beschert: er starb im Augenblicke der einzigen fühlbaren echten Seligkeit und darum war er selig in Ewigkeit. Und gleiches geschah dem Weibe…“

Nicht zu vergessen:

„Der Drache aber schob sich weiter über Berg und Tal, rheinwärts; er wurde ruhiger, milder, befriedigt von dem Mord auf dem Buchsfelsen.“ (ebd.: 350)

So symbolschwer endet der Roman eines Autors, den der Kulturantisemit Adolf Bartels in seiner Geschichte der deutschen Literatur (1934) an die „Spitze“ der „deutschvölkischen Bewegung“ (Bartels 13,141934: 671) in der Dichtung rückte, wofür dieser ihm 1942, zu Bartels 80. Geburtstag, mittels einer peinlich berührenden Eloge – auch auf Hitler – zu danken wusste. (vgl. Burte 1943) Kein Wunder also, dass Burte 1936 der NSDAP beitrat und beispielweise 1940 Huldigungszeilen für Hitler wie die folgenden verfasste:

„Es ist ein neuer Mann gekommen, tief aus dem Volke, er hat neue Thesen angeschlagen und neue Tafeln aufgestellt, und er hat ein neues Volk geschaffen, aus derselben Tiefe emporgeholt, woher die großen Gedichte stiegen: Von den Müttern her, von Blut und Boden her.“ (zit. n. Loewy 1966: 251)

Auch in der nationalsozialistischen Literaturgeschichte des Josef Nadler wurde Burtes Anpreisung des Therapeutikums „Aufzucht aus nordischer Rasse“ (Nadler 1938-41, Bd. 4: 420) heftig gelobt angesichts allfälliger Dekadenz, und dies vor dem Hintergrund des heiligen Auftrags an die Jugend, das ins Vergessen gebrachte Erwachsenenideal der Jahre 1870/71 zurückzugewinnen. Dass Burte ungeachtet dessen 1953 den Ehrenring der deutschen Lyrik und 1957 die Jean-Paul-Medaille erhielt (vgl. Loewy 1966: 309), steht auf einem anderen, vielleicht mit ‚(Un-)Geist der Adenauerära‘ zu überschreibenden Blatt, auf dem man bequem auch den Namen dessen notieren könnte, dem wir uns nun zuwenden wollen.

Artur Dinter: Die Sünde wider das Blut (1918)

Artur Dinters (1876-1948)[3] ‚Zeitroman‘ Die Sünde wider das Blut (1918) war ein Bestseller sondergleichen mit ca. 1,5 Millionen Lesern bis 1930. (Kimmel 2009: 176; Wiede 2011: 129 f.) Ideologisch war er (Autor wie Roman) dem Rasseideologen Houston Stewart Chamberlain (1855-1927) verpflichtet, auf den sich Dinter sowohl im Nachwort als auch in zwei Exkursen sowie in einigen Anmerkungen bezog, mit dem Ziel, die zentrale Botschaft, die auch die Hitlers war, plausibel zu machen:

„Rasse ist alles! […]. [D]enn Volk und Vaterland geht, wie die Geschichte lehrt, unrettbar zugrunde, wenn die Rasse durch Mischung mit artfremdem Blut verdirbt.“ (Dinter 61919: 430 f.)

In völkischen Kreisen der Jugendbewegung, etwa in den Alldeutschen Blättern, wurde dieser Roman Dinters mit Sprüchen beworben wie:

„Kluge Mütter schenken ihren erwachsenen Töchtern vor der Verlobung Dr. Dinters Roman ‚Die Sünde wider das Blut‘.“ (zit. n. Jungcurt 2016: 274)

Der Verlag (Erich Matthes) war ein jugendbewegter, der Illustrator (Paul A. Weber) arbeitete zeitgleich für Hjalmar Kutzleb – gleichwohl wurde Dinter nach 1945 von Jugendbewegungsveteranen wie ein nicht wirklich dazugehörender ärmlicher Verwandter mit schlechtem Ruf behandelt, woran sich bis heute wenig geändert hat. (vgl. Schumann 2015) Freilich: Wer Ja! zu Kutzleb sagt, kann nicht Nein! zu Dinter sagen, zumal die Dinter-Rezeption zumal in der bündischen Jugend und später in der Hitler-Jugend kaum in Abrede gestellt werden kann. So hielt der niedersächsische Politiker Hermann Ahrens Dinter nach 1945, wohl aus eigener Betroffenheit als jugendlicher Leser redend, vor, „Hunderttausende von gutartigen Jungen und Mädchen seelisch vergiftet und sie allesamt erst dafür tauglich gemacht zu haben, nach der Losung ‚Juda verrecke!‘ zu handeln statt nach dem einfachen Geboten der Menschlichkeit.“ (Ahrens 1947: 289)

Dinter erreichte dieses Ziel, wie das Beispiel seines hier allein interessierenden Erstlings lehrt, mit einfachen Mitteln: in Gestalt eines mit klaren Klischees gearbeiteten, um Liebe, Sex, Prostitution, Betrug, Mord und Totschlag kreisenden Schundromans, der die voyeuristische Spannung zumal jugendlicher Leser männlichen Geschlechts im Blick auf eine möglicherweise nymphomanisch entartende Triebhaftigkeit weiblicher Protagonisten insbesondere (halb-) jüdischer Provenienz bedient und sauber nach gut (= Arier) und böse (= Jude) unterscheidet. Zentrales Thema ist, via Houston Stewart Chamberlain, ‚Rassereinheit‘ als Ideal bzw. ‚Rassenschändung‘ als widernatürliche Entartung, getragen von dem Bemühen, die Anstrengung des Juden als vergeblich auszuweisen, mittels Assimilation und Glaubens- sowie Namensänderung seine wahre, im verderbten Blut und mithin in seiner Rasse gründende Gefahr vergessen zu machen. Die Sprache ist kalkuliert dämonisierend, wie das folgende Porträt des durch (jüdische) Raffgier unermesslich reich gewordenen und auf weiteren Profit in einem Krieg spekulierenden Kommerzienrats Burghammer (wie sich später herausstellt: Isidor Hamburger) zeigt:

„Sein Gesicht, von einer großen Pelzmütze und dem hochgeschlagenen Kragen des Pelzmantels eingerahmt, hatte etwas Diabolisches. Unter dichten schwarzen, leicht ergrauten Brauen lauerten ein Paar tiefschwarze, zusammengekniffene Augen. Eine unschöne, träg gebogene Nase ließ graues Gestrüpp aus ihren Öffnungen hervorwuchern. Der ungepflegte, stark ergraute, schwarze Schnurrbart fiel in langen Zotten über den wulstigen Mund, dessen dicke Unterlippe herabhing. Schwarzgraue Stoppeln bedeckten Backen und Kinn.“ (Dinter 61919: 430 f.)

Besonders infam: Der derart Porträtierte scheint sich Jahre später im Enkel, einem – nach späterer Nazi-Terminologie (vgl. Kammer/Bartsch 1992: 86) – ‚Vierteljuden‘ atavistisch zu wiederholen, gleichsam als dominantes Merkmal im Erbgang und ungeachtet der phänotypisch unauffälligen, blonden Tochter Elisabeth, einer ‚Halbjüdin‘, die im Kreißsaal Zeuge wird, wie ihr arischer Gatte Hermann den Schock seines Lebens verdauen muss:

„Ein dunkelhäutiges, mit pechschwarzem, krausem Kopfhaar bedecktes, menschenunähnliches Etwas schrie ihm entgegen […]. Auch Elisabeth war, als sie des Kindes ansichtig geworden, so heftig erschrocken, daß sie ohnmächtig in die Kissen zurückgesunken war.“ (Dinter 61919: 238)

Am Ende dieser Mär sind alle Halb-Juden und Juden verdientermaßen tot, zur Not auch kaltblütig erschossen durch Hermann im Zuge seines gleichsam irdischen Strafgerichts gegen jüdische Verführer. Am Spektakulärsten aber stirbt Isidor: liebestrunken seinen Odem in den Armen gleich dreier blonder Jungfrauen aushauchend, gleichsam als gerechte Strafe für sein Doppelleben als Erzeuger von sage und schreibe 117 Babys, die er in halb Deutschland mit finanziell gefügig gemachten blonden Jungfrauen – erkennbar seine Spezialität – gezeugt hat, gleichsam als Beitrag zu der seiner Meinung nach überfälligen „Rassenvergiftung am deutschen Volke.“ (ebd.: 266) Dass dagegen nur ein Präventivschlag à la Auschwitz helfe, ist die eigentliche Botschaft Dinters, den als ‚Sexualantisemiten‘ zu bezeichnen (etwa Henschel 2008: 11 ff.) verharmlosend wäre. Denn was in diesem Machwerk, ein Jahr nach Erscheinen (also 1919) schon im 35. Tausend vorliegend, besichtigt werden kann, ist Rassenantisemitismus pur. Er traf auch deswegen auf große Resonanz auch bei Jugendbewegten, weil Krieg und Kriegsausgang dem Antisemitismus noch einmal Auftrieb gaben und man an einen Ton wie den von Dinter angeschlagenen zumindest der Tendenz nach schon längst gewöhnt war, etwa ausgehend von Hermann Poperts Helmut Harringa (1910) oder Hermann Burtes Wiltfeber, der ewige Deutsche (1912) oder eben Hjalmar Kutzlebs Episodensammlung Der Zeitgenosse mit den Augen eines alten Wandervogels gesehen (1922).

Hjalmar Kutzleb: Das Brautpaar (1922) – und weiterer völkischer Schund, bis hin zu Gorgo (1937)

Hjalmar Kutzlebs Essay Das Brautpaar (1922) beendet des Verfassers 1923 unter dem verkürzten Titel Der Zeitgenosse neu aufgelegte Episodensammlung. Als hochwertig ausgestattetes (Kunst-) Buch im Großformat war es versehen mit Karikaturen von A. Paul Weber (1893-1980), die man durchaus etwas genauer charakterisieren kann als mit einer Vokabel wie „drastisch“ (Stambolis 2011: 63): Es geht um völkische, zehn Jahre später ‚nicht-entartet‘ geheißene Kunst. Nicht umsonst erschien der Band im (völkischen) Verlag von Erich Matthes, für den Weber schon das Werbeplakat für Artur Dinters Die Sünde wider das Blut (1918) gezeichnet hatte. Getextet hatte das Ganze der Jungwandervogel Hjalmar Kutzleb (1885-1959) – eigentl. Hilmar Herrmann –, ein Gesinnungsgenosse von Hans Blüher in puncto Antisemitismus. Er gilt (kritischen) Jugendbewegungshistoriographen als „erfolgreicher völkischer Vielschreiber“ (Mogge 2009: 85). Unkritischen hingegen, etwa Jürgen Reulecke, ist er kaum mehr als ein harmloser Bänkelsänger, dessen NS-Engagement an der PH Weilburg/Lahn (ab 1934) man gerne einmal unter den Tisch fallen lässt. (vgl. Niemeyer 2013: 139 f.) Nicht gerne gehört wird folgerichtig, dass Kutzleb in jener Episodensammlung, als wolle er Artur Dinter Konkurrenz machen, für die notwendig gewordene „Sünde wider den heiligen Geist der Vielzuvielen“ (Kutzleb 1922: 124) eintrat, in Übersetzung geredet: Es sei im Interesse des Erhalts bzw. des Rückgewinns der Reinheit der Rasse an der Zeit, der Moderne insgesamt und dem Geist der (Weimarer) Demokratie den Krieg zu erklären. Wie dies gehen soll, zeigt das hier in Rede stehende, an Dinters Szenario erinnernde Kapitel Das Brautpaar: Die Braut wird dem (bevorzugt jugendlichen) Leser zwar als sexuell aktiv und attraktiv vorgestellt, indes mit von Unheil schwangerem Unterton, wie der schon zuvor gegebene Hinweis auf „den Meyer oder Levysohn, der ohne Leidenschaft tausende Seelen verseucht und vergiftet“ (ebd.: 19) andeutet, ebenso wie das folgende Zitat:

„Sie hatte schwarzes Haar von starkem Geruch, ein sinnliches Maul und gierige Augen, und jede Falte in ihrem Antlitz verriet, daß schon viele Brünste über sie hinweggefegt waren. Aber es war etwas an ihr, was das Männchen reizen und herausfordern kann.“

Eine noch deutlichere Sprache reden die nun folgenden Attribute „von Abkunft Zigeunerin oder Ostjüdin“, „schwarze Dirne“, „schnell verblüht“, „wurmstichig“, „schlampige Asiatin“: Des Dichters Absicht geht dahin dazutun, dass der Bräutigam, „ein junger Kerl, blond und stattlich“ (ebd.: 113), im Rausch seiner Sinne, im Rausch aber auch des mit der Aufklärung über die Menschen gekommenen verderblichen Glaubens an die Liebesheirat in Gefahr steht, die im doppelten Wortsinn dunkle Seite seiner Braut zu übersehen, ebenso wie die Wahrheit der völkischen Botschaft, die da lautet:

„Ehe ist nicht Angelegenheit eines einzelnen, ist Angelegenheit der Rasse, des Volkes und der Sippe.“ (ebd.: 119)

Hinweg erklärt ist damit zugleich – so (weiterhin) O-Ton Kutzleb – „der verruchte Wahnsinn von der Gleichheit der Menschen“, auch von der „Freiheit, die immer nur als Zügel- und Zuchtlosigkeit verstanden wird und werden muß“ (ebd.: 118), und dies zugunsten eines unverblümten Plädoyers vom Typus „Erziehung zum Gehorsam“, praktischerweise (für den Mann!) gleich erweitert um das antifeministische Diktum: „Ehe ohne Gehorsam ist ein Unding.“ (ebd.: 121)

Zynisch geredet und um die Werkschau hier abzubrechen: Denkt man an den (un-)  geistigen Stand des Jahres 1936, hatte der vormalige (1913) Erlanger Wandervogel Friedrich Kreppel, seit 1934 „Professor und komm. Leiter der Pädagogischen Hochschule in Weilburg/Lahn“ (Kindt 1963: 572), fraglos gute Gründe, den bis dato als Studienrat in Minden/Weser wirkenden Kutzleb als Professor für Geschichte nach Weilburg zu holen. Hatten aber auch die Veteranen der Jugendbewegung hinreichend gute Gründe, Kutzleb mit Samthandschuhen anzufassen? Denn kaum anders als mit dieser Vokabel wird man die ihm zugedachte Kurzbiographie der Kindt-Edition (Kindt 1968: 1061) zu belegen haben, ebenso wie Walther Jantzens (1904-1962) Urteil aus dem Jahr 1961, Kutzlebs eben etwas genauer besichtigtes 1922er Machwerk sei die „beste Zeitsatire unserer Epoche“ und für Kutzlebs Roman Haus der Genesung (1932) gelte, dass hier „gewisse Zeiterscheinungen vortrefflich unter die Lupe“ (Jantzen 1961: 505) genommen werden. Vom völkischen Charakter dieser ‚Lupe‘ wird hingegen geschwiegen – kein Wunder angesichts der NS-Vergangenheit des hier so Urteilenden, eines Spranger-Schülers (vgl. Niemeyer 2015a: 176 ff.; 2017b) und Grund genug, uns diesen Roman sowie das Nachfolgeprodukt Morgenluft in Schilda (1933) einmal etwas genauer anzuschauen.

Beide Romane wurden vom Kulturantisemiten Adolf Bartels (13,141934: 691) gelobt. Kunststück: Beide Werke sind durchsetzt von Invektiven à la Spengler, sei es gegen die Moderne, sei es gegen die Psychoanalyse und eine an ihr interessierte „Amerikanerin“, deren Perversität, so Kutzleb, dahin ging, an der „Beschäftigung mit den seelischen Exkrementen Minderwertiger“ (Kutzleb 1933: 239) Interesse zu nehmen. Aversiv verhielt sich Kutzleb auch, in Nachahmung des von ihm im Fall Harden vorgelegten Niveaus und als eine Art niederes Nachtreten im Jahr der Bücherverbrennung, gegen seitdem verfemte Autoren wie Heinrich Mann (ebd.: 99), insbesondere aber gegen Emil Ludwig (1881-1948) – eigentl. E. Cohn –, der seit 1906 in der Schweiz lebte und aus Protest gegen die Ermordung Walther Rathenaus zum Judentum zurückgekehrt war. Ihn führte Kutzleb auf geradezu infame Weise vor (ebd.), bei dieser Gelegenheit antisemitische Klischees ausbreitend, die sich später in seinem Roman Zeitgenosse Linsenbarth (1940) am Beispiel der Titel gebenden Figur verdichten sollten. Als gemeinsamer Nenner fungiert bei all dem ein robuster Antiintellektualismus, dem beispielsweise der dem Wandervogel entstammende, durch den Krieg etwas aus der Bahn geworfene Held des ‚Sanatoriumsromans‘ Das Haus der Genesung frönt bei seiner nicht endend wollenden Suada auf die Dekadenz und den Unsinn der Lebensreformbewegung, etwa nach dem Muster:

„So lag denn das Haus am Heidberg bald voll von jenen Kumpanen, die neben dem Edelkommunismus […] noch irgendeinem anderen Ismus auf ihre Fahne, eine rote natürlich, geschrieben hatten. Der eine malte die Fratzen seines armen Hirns mit Farben auf Leinwand, ohne die bescheidenste Einsicht in das Wesen der Perspektive, der Komposition, der Lasierung, der Palette; unter sein Gemächte schrieb er dann etwa: Schrei! Die Seele der Großstadt! Evokation! Erhabene Stunde! Und er hätte, ohne Verwirrung anzurichten, die Titel unter den Bildern vertauschen können […]. Jeder der Edelmenschen hatte, da sie noch alle in den Brünsten einer nicht ausgärenwollenden Pubertät schmorten, seine erotischen Bedürf- und Erlebnisse und suchte da recht und schlecht auf seine Kosten zu kommen, da er Zeit genug hatte. Einer, es war der Maler, brachte sich sein Mensch gleich mit, eine davongelaufene Lyzeumsschülerin, der das Haar wie Schnittlauch um die Ohren hing und die niemals Strümpfe und nur selten Hosen trug.“ (Kutzleb 1932: 183 f.)

Um auf den Punkt zu kommen: Das Ganze wirkt wie die Blaupause für die fünf Jahre später (1937) in München gestartete NS-Kampagne gegen ‚Entartete Kunst‘ (hierzu: Kammer/Bartsch 1992: 59) – und lässt bereits ahnen um die 1933 von Kutzleb ausgemalte positive Alternative: In Morgenluft in Schilda räumt der unschwer in Fortsetzungsabsicht tätige „nationalradikale“ Romanheld gründlich auf mit der „Welt liberalen Menschentums“ (Kutzleb 1933: 259) und einem in Dekadenz und Über-Intellektualität erstickenden Bürgertum. Dieses sieht sich seinerseits in Frage gestellt von einer erwachenden Jugend, die daran zu zweifeln beginnt, ob die Humanität zu Recht verlange, „daß man Krüppel und Trottel mit durchfüttere.“ (ebd.: 298) Am Ende findet der Held, in dem Kutzleb sich selbst feiert, sein Glück als Bauer in den Armen seiner Bäuerin, einer erfolgreich ihrem verlogenen Herkunftsmilieu entfremdeten blonden Fabrikantentochter namens Elisabeth – ein Szenario, das gleichsam einer allerletzten Beglaubigung bedarf in Gestalt der Verwerfung des allein auf Sinnlichkeit und Lebensfreude hin orientierenden Ideals. Dieses Zweckes halber, auch wegen des Interesses an Denunzierung der in der Weimarer Epoche im Raum stehenden Erforschung resp. Propagierung von so etwas wie einer ‚Sexualität der Vielfalt‘, hat Kutzleb sich offenbar die Erzählung Gorgo (1937) ausgedacht. Erschienen ist sie in einer mit dem verharmlosenden Titel Das ewig närrische Herz versehenen Sammlung von fünf Geschichten dieses nicht ohne Grund auf die Botschaft „zwischen den Zeilen“ (Klappentext U 2) hinweisenden jugendbewegten Erzählers. Denn: ‚Zwischen den Zeilen‘ lesend, erweist sich diese scheinbar harmlose kleine Mär als infame Schlüsselerzählung in Sachen der zentralen Hassfigur von Kutzlebs Kumpel Hans Blüher, Magnus Hirschfeld. Schauen wir uns also das Script einmal etwas genauer an.

Auf einer nach dem Titel der Erzählung benannten Jacht, die des liebesenttäuschten reichen Eigners wegen zu gleichsam ewiger (Erholungs-) Fahrt auf dem Meer verdammt scheint[4], vergewaltigt der Schiffsarzt Dr. Oswald Wetekamp bei einem nächtlichen Besuch in ihrer Kabine die von ihm zuvor aus dem Meer gerettete blonde Sportlehrerin Lisbeth Schütz, die eigentlich an Bord gekommen war, um den Schiffseigner zu versuchen (über den, nicht unberechtigt, die Mär umlief, er habe der Liebe auf immer entsagt). Der eigentliche Clou: Mittels einer Intrige schafft es Oswald, Lisbeth den hündischen Glauben einzugeben, er, ihr Vergewaltiger, sei der Richtige, nicht aber sein Rivale, ein „morgenländisch aussehender Herr“ (Kutzleb 1937: 229), Hirschfelt mit Namen – eine kaum verhüllte Anspielung auf den Sexualforscher Magnus Hirschfeld, der einem auch in anderen Erzählungen Kutzlebs, etwa in Der Seeräuber (1937), begegnet, hier noch ergänzt um das Attribut „Krummnase“ (Kutzleb 1937a: 30). Zurück zu Gorgo: Zu Beginn war dieser Hirschfelt der Leserin vorgestellt worden mittels einer Szene, in der er mangels Aufmerksamkeit nicht habe antworten können, da er „seine kurzsichtigen Augen an den nackten Schultern [Lisbeths; d. Verf.] vor ihm beinahe festgesogen hatte“ (Kutzleb 1937b: 180) – ein damals von Artur Dinter sowie von Julius Streichers (1885-1946) Stürmer (vgl. hierzu Niemeyer 2013: 154 f.) her vertrautes sexualantisemitisches Klischee. Aber auch völkisch getönte Ressentiments bezogen auf die Dekadenz Lisbeths bleibt Kutzleb nicht schuldig. So lesen wir beispielsweise, sie sei – wohlgemerkt: vor ihrer (Sex-)Kur à la Dr. Wetekamp – unbesorgt gewesen, „ihrer Weibsnatur gemäß die Begierde der Männer zu stacheln und gegeneinander auszuspielen“ (Kutzleb 1937b: 204), mehr als dies und um nur ein aus völkischer Sicht (jener Kutzlebs) besonders bedenkliches Beispiel zu geben: Sie „pfiff eine Tanzmelodie neuester Masche und negerhaften Ungeschmacks“ (ebd.: 199), ins Allgemeine gewendet, gleichsam als Extrakt der auf das Ganze gehenden Diagnose unseres Schiffsarztes:

„Es [das neue Geschlecht; d. Verf.] will nicht mehr der Gattung dienen als Mutter und ehrt also auch nicht mehr den Vater in uns Männern. Es gibt seinen Körper und Geist nach Mannesart und wähnt des Schirmers und Gatten entraten zu können.“ (ebd.: 204)

Kurz: Lisbeth als Repräsentantin dieses neuen Geschlechts hatte die (Sex-) Kur Dr. Wetekamps vollumfänglich verdient und war danach wie ausgewechselt, also: wie geschaffen für einen Mann wie ihn. Bände spricht hier eine der letzten Szenen der Erzählung:

„Da tat sie [Lisbeth; d. Verf.] einen Sprung und warf sich mit ihrem ganzen Leibe an ihn [Oswald; d. Verf.], während ein Schluchzen sie packte und schüttelte, als wäre ihre Seele ein gefangenes Tier, das an den Stäben seines Käfigs tobt und rüttelt. Als der Mann versuchte, ihre verkrallten Arme von seinem Nacken zu lösen, jammerte sie laut auf: ‚Nein, dableiben, nicht, nicht wieder fort.‘“ (ebd.: 228)

Kurz: Der Widerspenstigen Zähmung letzter Akt – diesmal bezogen auf die in der Weimarer ‚System‘-Zeit hinzugekommenen weiteren ‚Widerspenstigkeiten‘ der Frau – ist zumindest in diesem Fall gelungen, und dies im Dienste eines völkischen Ideals, in dessen Linie vor allem ein echter (deutscher) Mann (bis 1945) sein Behagen finden konnte.

Dass derlei durchaus in der Linie des schon von Hans Breuer (vgl. Niemeyer 2013: 78 ff.) beschworenen Hausfrauenideals liegt, sei hier nur angemerkt, ebenso: dass Kutzleb mit Gorgo offenbar nichts weiter intendierte als eine literarische Ausgestaltung für die von ihm schon in seinem Aufsatz Über das Bildungsziel der Frauen (1933) beschworenen „Auflehnungsimpulse Brünnhildes gegen Gunther vor der physischen Bändigung“ (Kutzleb 1933a: 41) – was den Schluss erlaubt, dass ein psychoanalytisch versierter Therapeut diesem Jugendbewegungsidol eigentlich gute Dienste hätte leisten können. Was wiederum die ins Generell gehende Frage nahelegt: Verfolgten Nazis mit den zumeist jüdischen Psychoanalytikern und Psychoanalytikerinnen jene sehr bewusst, die ihnen höchstpersönlich hätten gefährlich werden können?

Fragen wie diese führen sehr nahe heran an einen Roman, dem wir uns nun, abschließend für diesen Aufsatz, zuwenden wollen.

Hans Zöberlein: Der Befehl des Gewissens (1937)

Zur Vorgeschichte von Hans Zöberleins Roman Der Befehl des Gewissens (1937), der schon im Jahr des Erscheinens im 50. Tausend vorlag, gehört die Rückerinnerung an einen Hypochonder namens Adolf Hitler, Zöberleins Idol. Hypochonder meint hier vor allem Hitlers (Angst vor) Syphilis. Über Letztere, also Hitlers Syphilis, sind seit 1947 zahllose Gerüchte in Umlauf, beispielsweise basierend auf einem (allerdings wenig glaubwürdigen) Bericht eines Zeitzeugen der Wiener Männerheim-Szene um 1907/08, Hitler habe sich „in der Leopoldstadt bei einer Hure mit Syphilis angesteckt.“ (Hamann 1996: 276) Erzählt indes wird viel.[5] Sicher ist nur, dass trotz negativer einschlägiger Befunde[6] wg. Unzuverlässigkeit der Tests eine Syphilis zumindest „nicht völlig ausgeschlossen werden [kann]“ (Neumann/Eberle 2009: 51), ebenso wenig wie eine Syphilophobie, insofern, so Fritz Redlich, eines außer Frage stehe: „Hitler hatte Angst vor Syphilis.“ Mehr als dies: Möglicherweise glaubte Hitler – ähnlich wie Nietzsche –, „sein Vater sei syphilitisch gewesen, und er selbst leide an der ‚ererbten‘ Krankheit […] und daß dies bei ihm zu degenerativen Veränderungen geführt haben könnte.“ (Redlich 1998/2016: 275) Allerdings weist Hitlers Syphilophobie ihre höchst eigenen Akzente auf. So lesen wir in Mein Kampf (1925), Syphilis stünde für eine „entsetzliche gesundheitliche Vergiftung des Volkskörpers“, deutlicher: die „Versyphilitisierung des Volkskörpers“ sei bedingt durch „Prostituierung der Liebe“ (Hitler 361933: 269 ff.) und werde vor allem von Juden unters (deutsche) Volk gebracht. (vgl. Gilman 1992: 287 f.; 1994: 102 ff.; Henschel 2008)

Ideologisch verbrämt dargestellt wurde diese Idee in Zöberleins schon im Jahr des Erscheinens im 50. Tausend vorliegenden Roman Der Befehl des Gewissens. Dessen Autor Hans Zöberlein (1895-1964) gehört zu den ewiggestrigen NS-Fanatikern. So wurde er 1948 wg. Ermordung kapitulierender Penzberger Bürger (28. April 1945) zum Tode verurteilt, 1958 allerdings mit Haftverschonung aus Gesundheitsgründen bedacht (vgl. Loewy 1966: 328 f.). NS-Literaturgeschichtlich kann man Zöberlein als eine Art Nachfolger Artur Dinters sehen, wofür auch sein Lebenslauf spricht: In Nürnberg geboren und vom Freikorps Epp (1919) sowie Julius Streichers (1885-1946) Deutschsozialer Arbeiterpartei herkommend, trat Zöberlein 1921, nach seinem Umzug nach München, als Mitglied von NSDAP (Mitglieds-Nr. 869) und SA sowie 1923 als Teilnehmer am Hitlerputsch in Erscheinung (vgl. Hillesheim/Michael 1993: 475), um in der Folge völkische Ideologie, vor allem auch antisemitische, in Hunderttausenden von Exemplaren unters – zumeist jugendliche – Lese-Volk zu bringen, im Einvernehmen mit Streichers Fürsprecher Johann von Leers (1902-1965), vorm. Adler und Falken sowie, zusammen mit Hans Gerd Techow und Hartmut Plass, Bund Wiking (1926 verboten), seit 1929 NSDAP-Mitglied und seit März 1940, protegiert von Himmler, Professor für Rechts- und Wirtschaftsgeschichte auf rassischer Grundlage an der Universität Jena.

Wie der auch von Johann van Leers verfochtene radikale Antisemitismus in gleichsam didaktischer Umsetzung funktioniert, zeigt Zöberleins Roman: Syphilis wird in diesem Roman (vgl. zum Folgenden auch Niemeyer 2013: 154 ff.) zur „Judenpest“, die vom Juden ausgehende Gefahr wird mittels der schrecklich zu lesenden (Inzucht-)Parabel vom ‚Rattenkönig‘ so aufbereitet, dass „[d]ie ‚Endlösung der Judenfrage‘ […] als eine ‚hygienische‘ Maßnahme [erscheint].“ (Hillesheim/Michael 1993: 482) Derlei Sinngehalt kann sich letztlich auch des Romanhelden große Liebe Berta nicht entziehen, nachdem sie bei einem Schwimmbadbesuch von einem „schwarzgebräunten Judenbengel“, grinsend hinter seiner Hornbrille „wie ein Satan“ (Zöberlein 1937: 297), sexuell belästigt wurde – ein Script, das fast wie bestellt wirkt im Rückblick auf Himmlers Goslarer Reichsbauerntags-Rede vom 12. November 1935 und die hier unterbreitete Überzeugung, „daß der Kampf zwischen Menschen und [jüdisch-bolschewistischen] Untermenschen […] wohl genauso Naturgesetz ist wie der Kampf des Menschen gegen irgendeine Seuche, wie der Kampf des Pestbazillus gegen den gesunden Körper.“ (zit. n. Gamm 1964: 386) Drei Monate zuvor – dies zum Hintergrund – war das Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre (‚Blutschutzgesetz‘) in Kraft getreten, das zahllose Urteile wg. ‚Rassenschande‘ im Gefolge hatte, im Fall des Kaufmanns und Vorstandes der israelischen Kultusgemeinde Nürnberg, Leo Katzenberger, sogar ein – eigentlich ausgeschlossenes – Todesurteil (vgl. Staff 1964: 194 ff.), das allein aus diesem Grund 1968 vom Landgericht Nürnberg für Unrecht erklärt wurde, im Gegensatz zu einer Zuchthausstrafe, die „hätte ausgesprochen werden dürfen.“ (zit. n. Perels 1999: 244) Vermutlich erklärt dieser Hintergrund eines insoweit bis in die 1960er Jahre fortdauernden Antisemitismus auch, warum Zöberleins Nürnberger Idol Streicher 1935 in seinem antisemitischen Hetzblatt Der Stürmer – mit einer Auflage mit bis zu 2 Millionen bei spektakulären Themen wie ‚Rassenschande‘ (Baird 1999: 236 f.) – die jugendliche Leserin, gezielt für Zwecke von BDM-Schulungen (Kater 2005: 89) und wohl als Teil der mit den Nürnberger Gesetzen deutlich verschärften (rassen-) antisemitischen Kampagne auch auf HJ-Heimabenden (Buddrus 1999; 28 ff.; 2003: 71 ff.), vor einem Arztbesuch bei Juden mittels einer halbpornographisch bebilderten Geschichte warnte, deren Text an den Sound Dinters, über den Streicher zu eben jener Zeit referierte (vgl. Wulf 1963: 447), erinnert:

„Da öffnet sich die Tür. Inge blickt auf. Der Jude erscheint. Ein Schrei dringt aus Inges Mund. Vor Schreck läßt sie die Zeitung fallen. Entsetzt springt sie in die Höhe. Ihre Augen starren in das Gesicht des jüdischen Arztes. Und dieses Gesicht ist das Gesicht des Teufels […]. Und dann geht der Jude auf sie zu. Seine fleischigen Finger greifen nach ihr.“ (zit. n. Kater 2005: 90)

Es ist diese Rede, die Zöberleins Roman Der Befehl des Gewissens freigesetzt hat und mit welcher sich der Kreis schließt: Es geht nicht länger nur um eine rassenhygienisch nicht zu beanstandenden Partnerwahl (etwa bei Herrmann Burte, Artur Dinter oder Hjalmar Kutzleb). Thema ist nun vielmehr, bei Hans Zöberlein und pünktlich zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, ein literarischer Begleitkommentar zur nun einsetzenden großflächigen Verfolgung lebensunwerten Lebens sowie der für seine Fortdauer und Verbreitung qua unbedachter Zeugung Verantwortlichen. Im Zentrum dabei: der Jude, der als Ideologe vom Typ Psychoanalytiker die judentypische Sinnenlust schöngeredet habe und damit auf gleichsam doppelte Weise beitrug zur massenhaften Verbreitung einer zu jener Zeit noch unheilbaren und in der Regel in Wahnsinn und Tod endenden schrecklichen Geschlechtskrankheit namens Syphilis.

Christian Niemeyer, Prof. (i.R.) für Sozialpädagogik an der TU Dresden sowie geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift für Sozialpädagogik (Beltz Juventa. Weinheim). Der hier abgedruckte und mit einer neuen Überschrift versehene, leicht überarbeitete Text erschien zuerst in seinem Buch: Sozialpädagogik als Sexualpädagogik. Beiträge zu einer notwendigen Neuorientierung des Faches als Lehrbuch. Mit einem Vorwort von Micha Brumlik. Mit Online-Materialien. Weinheim Basel 2019, S. 279-296. Der Wiederabdruck erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlages Beltz Juventa, Weinheim.

Bild oben: Aus Hjalmar Kutzlebs Essay „Das Brautpaar“

Literatur:

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Zöberlein, H. (1937): Der Befehl des Gewissens. Ein Roman von den Wirrungen der Nachkriegszeit und der ersten Erhebung. München.

Anmerkungen:

[1] Schriftstellername von Hermann Strübe (vgl. Peters 2009).
[2] Diese Bewertung kontrastiert bewusst dem Umstand, dass Burte für seinen Wiltfeber 1912 den Kleistpreis erhielt – eine von Jugendbewegungsveteranen immer mal wieder und fast triumphierend vorgetragener Sachverhalt, der offenbar den Lärm verdecken soll, der an sich fällig wäre dieses NSDAP-Mitgliedes (1936) wegen, das 1940 mit peinlichen Huldigungszeilen pro Hitler hervortrat und sich auch nach 1945 immer wieder als unbelehrbarer Alt-Nazi zu erkennen gab. (vgl. Niemeyer 2013: 43 ff.)
[3] Mitbegründer des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes (1919) sowie Nr. 5 von dessen Nachfolgeorganisation, der NSDAP. 1928 wurde Dinter zwar von Hitler wegen seiner Gründung der Geistchristlichen Religionsgemeinschaft (1927) aus der NSDAP ausgeschlossen (nach 1933 vorgetragene Bitten um Wiederaufnahme blieben erfolglos). (vgl. Kimmel 2009)
[4] Dies dürfte eine Anspielung sein auf die 1930 angetretene Seereise Hirschfelds, die ihn letztlich vor den NS-Schergen rettete.
[5] So mutmaßte Simon Wiesenthal noch in den 1980er Jahren ohne Beleg, „Hitler habe sich 1909 oder 1910 (als er sich im Wiener Männerheim aufhielt), eine syphilitische Infektion von einer […] jüdischen Prostituierten zugezogen.“ (Redlich 1998/2016: 274) Gerüchte über Odo Spiethof, einen Professor für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Jena, der Hitler einschlägig behandelt haben soll und der später seine Datei Philip Bouhler, dem Leiter der Reichskanzlei, übergeben musste, wurden 1995 durch den Sohn des Professors dementiert. (ebd.: 275) Und Memoiren vom Masseur Himmlers, der dessen Meinung kolportierte, Hitler leide an progressiver Paralyse, sagen nach Fritz Redlich, falls sie zuverlässig erinnert sein sollten, eher etwas aus über Himmlers Ambitionen denn über Hitler. (ebd.: 275)
[6] Gemeint sind „der Wassermann-Test und vergleichbare Tests“, die bei Hitler negativ waren. (Redlich 1998/2016: 275).