Jüdische Sportler in Süddeutschland

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Vor der Klubhütte: Mitglieder des jüdischen Sportvereins „Private Tennisgesellschaft Augsburg“, Foto: Jüdisches Museum Augsburg Schwaben (Sammlung Gernot Römer)

Die Erforschung jüdischer Sportgeschichte hat in den letzten Jahren viele Fortschritte gemacht. Als weiterer Ausweis des anhaltenden Forschungsinteresses ist nun ein Sammelband, der auf eine Tagung zu „Sportlerinnen und Sportler jüdischer Herkunft in Süddeutschland“ im November 2017 zurückgeht, erschienen…

Als methodische Klammer der insgesamt zehn Beiträge, die sich zeitlich vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur Nachkriegsgeschichte erstrecken, benennen die Herausgeber Markwart Herzog und Peter Fassl eine lokal- bzw. regionalgeschichtliche Herangehensweise (S. 15f.).

Besonders erfreulich ist, dass im Band auch explizit ländliche Perspektiven zur Sprache kommen – mit interessanten Ergebnissen, die lokale Verschiedenheiten aufzeigen: So kann Anton Kapfer in seinem Beitrag zu den ehemaligen Landjudengemeinden Binswangen und Buttenwiesen große Unterschiede nachweisen. Jüdische Sportbegeisterte aus Binswangen fanden ob der dort judenfeindlichen Grundstimmung ihre sportliche Heimat im Nachbarort Wertingen (S.40). Dagegen waren jüdische Mitglieder in den Buttenwiesener Sportvereinen deutlich aktiver (S. 45).

Trotz dieses Befundes werden im Sammelband allerdings auch die Probleme ländlich-lokalhistorischer Forschung deutlich: Mehr noch als bei (groß)städtischen Vereinen mangelt es an Quellen, was die Herausgeber bereits in ihrer Einleitung einräumen (S. 13f.). Deshalb können neben dem bereits erwähnten Artikel von Kapfer die Beiträge zur jüdischen Sportgeschichte von Memmingen (Christoph Engelhard) und Nördlingen (Dietmar-H. Voges) leider doch nicht über eine „Spurensuche“ hinauskommen. Bezeichnend für diesen Stadt-Land-Gegensatz hinsichtlich Quellenlage und Erforschung ist daher auch, dass sich Claus W. Schäfer ausschließlich mit dem 1. FC Nürnberg und der SpVgg Fürth befasst, wenn er die Rolle der Juden im fränkischen Fußball beleuchtet (S. 87).

Dementsprechend behandeln die zentralen Beiträge des Sammelbandes jüdische Sportgeschichte im (groß)städtischen Kontext und nehmen dabei sehr unterschiedliche Perspektiven ein: Benigna Schönhagen zeigt, dass die Private Tennisgesellschaft Augsburg im Gegensatz zu anderen jüdischen Sportvereinen ihren Spielbetrieb ab 1935/36 sogar noch ausbauen und bis zum Novemberpogrom noch große jüdische Sportereignisse ausrichten konnte (S. 72). Demgegenüber zeichnet Georg Feuerer die Rolle des Augsburger Sportreferenten Wilhelm Förg in der Umsetzung nationalsozialistischer Politik gegen jüdische Sportler in Augsburg nach. Ungeachtet persönlicher Nähe zu jüdischen Sportlern war Förg mit seinem Handeln bestrebt, auf die Vereine im Sinne des Nationalsozialismus Einfluss zu nehmen (S. 288-290). Für Offenbach dekonstruiert Dirk Belda die These, die Offenbacher Kickers seien schon 1932 „Frei von jüdischem Einfluss“ gewesen, als politischen Fußballmythos und Wunschbild der Nationalsozialisten (S. 111). Markwart Herzog widmet sich hingegen den „Goldenen Jahren“ des FSV Frankfurt in den 1920ern, die entscheidend von den jüdischen Vorsitzenden David Rothschild und Alfred J. Meyers sowie von Schatzmeister Siegbert Wetterhahn geprägt wurden (S. 179-181). In einem weiteren Beitrag untersucht Herzog mit einer vergleichenden Perspektive, wie die unterzeichnenden Vereine der berühmt-berüchtigten „Stuttgarter Erklärung“ vom 9. April 1933 den Ausschluss ihrer jüdischen Mitglieder umsetzten. Der letzte Aufsatz widmet sich dem Sport in den Displaced Persons Camps. Jim G. Tobias zeigt eine sich lebhaft entwickelnde jüdisch-zionistische Sportkultur in den Camps auf, die von einem großen Medieninteresse jiddischer Zeitungen begleitet wurde.

Insgesamt vermittelt der Band ein heterogenes Bild, was einerseits die Teilhabe bzw. (Selbst-)Organisation jüdischer Sportler, andererseits die Verläufe ihrer Exklusion aus der NS-Gesellschaft anbelangt. Damit untermauert er die These der Herausgeber, dass „[v]on einer generellen ‚Gleichschaltung‘ im Jahr 1933 [nicht die Rede] sein [kann]“ (S. 15). Trotz der bereits angesprochenen Quellenprobleme, die in manchen Beiträgen offen zu Tage treten, ist der Band „Sportler jüdischer Herkunft in Süddeutschland“ ein Plädoyer für Lokal- und Regionalgeschichte. Für weitere Forschungen (dann vielleicht auch zu Sportlerinnen, die im Band nicht zur Sprache kommen) liefert er zahlreiche Anregungen. – Florian Wittmann

Der Autor ist Doktorand an der Universität Münster, Institut für Sportwissenschaft. Forschungsschwerpunkt: deutsche Sportgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.

Markwart Herzog/Peter Fassl (Hrsg.): Sportler jüdischer Herkunft in Süddeutschland (Irseer Dialoge 22 = Geschichte und Kultur der Juden in Schwaben 6), Stuttgart 2021, 326 Seiten, 29,00 €, Bestellen?

Bild oben: Vor der Klubhütte: Mitglieder des jüdischen Sportvereins „Private Tennisgesellschaft Augsburg“, Foto: Jüdisches Museum Augsburg Schwaben (Sammlung Gernot Römer)