Juden aus Belarus/Weißrussland

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Belarus gilt vielen als das Nordkorea Europas. Sein Staatschef steht gar im zweifelhaften Ruf der letzte Diktator des Kontinents zu sein. Aber ist das alles? War da nicht noch mehr? – Kamen nicht zum Beispiel auch Chagall, Eliezer Ben Yehuda oder Chaim Weizman aus dem scheinbar so gottverlassenen Krähwinkellandstrich im Osten?

Von Robert Schlickewitz

Juden lebten seit dem frühen 8. Jahrhundert in vielen Teilen jenes Territoriums, das heute die Republik Belarus einnimmt.

Noch bis in 20. Jahrhundert hinein stellten Juden dort die drittgrößte Bevölkerungsgruppe. In Städten betrug ihr Anteil bis zu 40 % der Ortsansässigen, so etwa in der weißrussischen Hauptstadt Minsk, in Pinsk, Mahiljou (Mogiljow), Babrujsk, Viciebsk und in Homel.

Im Jahre 1897 lebten auf dem Gebiet Belarus mehr als 900 000 Juden, was damals einem Prozentsatz von 14,2 der Gesamtbevölkerung entsprach.

Durch den polnisch-sowjetischen Krieg von 1919/1920 verschoben sich die Grenzen dergestalt, dass ca. 400 000 der weißrussischen Juden jetzt polnischer Verwaltung unterstanden.

Nach der Annektierung polnischer Gebiete durch die Sowjetunion in Zusammenhang mit der polnischen Teilung des Jahres 1939 durch Deutsche und Russen lebten auf dem Gebiet der Weißrussischen Sozialistischen Sowjetrepublik 1 175 000 Juden.

In der Folge des Überfalls der Deutschen auf die Sowjetunion 1941 und der sich anschließenden Besatzung weißrussischen Territoriums durch das Deutsche Reich kamen 90 % der Juden dieser Sowjetrepublik ums Leben. 800 000 bis 900 000 Menschen, rund ein Viertel davon Kinder, wurden von Deutschen* und deren „fremdvölkischen“ Schergen ermordet.

Heute zählen die jüdischen Gemeinden der Republik Belarus nur mehr 13 700 Individuen, die sich selbst noch als Juden bezeichnen. Nach von en.wiki („History of the Jews in Bealrus“) zitierten Schätzungen soll die gesamte Anzahl aber 20 000 betragen und ein neuerer Beitrag der Jüdischen Allgemeinen (Denis Trubetskoy: Der jüdische Widerstand gegen Präsident Lukaschenko äußert sich auf unterschiedliche Weise. JA, 20.08.2020) spricht gar von 30 bis 50 000 belarussischen Juden. Ferner, so dieser Artikel, sei die Mehrheit dieser Menschen nicht mehr religiös und staatlichen weißrussischen Schätzungen gemäß hätten seit 1990 ca. 130 000 Juden das Land mit Ziel Deutschland oder Israel verlassen.

* „von Deutschen“ steht hier ganz ausdrücklich und nicht etwa „von Nazis“ oder „von Nationalsozialisten“, denn die wenigsten der Täter gehörten zu den insgesamt 8,5 Millionen Mitgliedern der NSDAP. Die Täter waren vielmehr Deutsche, ganz normale Deutsche.

Recherchen nach prominenten Juden aus Belarus, bzw. nach jüdischen Promis mit Vorfahren aus Weißrussland, erwiesen sich als ausgesprochen fruchtbar, wie die keineswegs vollständige Liste unten offenbart.

Aharon von Pinsk, Aharon Kretinger (gest. 1841, Rabbi, Talmudgelehrter)

Mendele Mocher Sforim (1836-1917, Schriftsteller)

Avraham Harkavi (1839-1919, Historiker)

Eliezer Ben-Yehuda, E. Jitzchak Perlman (1858-1922, Vater der modernen hebräischen Sprache)

Michael Marks (1859-1907, Marks von „Marks & Spencers“)

Simon Dubnow (1860-1941, Historiker)

Shloyme Zanvi Rappoport, “S. Ansky“ (1863-1920, Kulturwissenschaftler, polit. Aktivist)

Léon Bakst (1866-1924, Maler, Kostümbildner)

David Pinski (1872-1959, Schriftsteller)

Modest Altschuller (1873-1963, Musiker, Komponist)

Chaim Weizmann (1874-1952, erster Präsident des Staates Israel)

Alexander Eliasberg (1878/79-1924, Übersetzer, Literaturhistoriker, Autor)

Morris Raphael Cohen (1880-1947, Philosoph)

Antoine Pevsner (1884-1962, Bildhauer)

Louis B. Mayer (1884-1957, Mayer von Metro Goldwyn Mayer, MGM)

Isaac Dov Berkowitz (1885-1967, Schriftsteller, Übersetzer)

Źmitrok Biadula (1886-1941, Lyriker)

Ida Rosenthal, Ida Kaganovich (1886-1973, Modemacherin, „Maidenform“-Mitbegründerin)

Marc Chagall (1887-1985, Künstler)

Berl Katznelson (1887-1944, Mitbegründer des Arbeiter-Zionismus‘, Zeitungsherausgeber)

Celia Dropkin (1887-1956, Jiddisch-Lyrikerin)

Irving Berlin (1888-1989, Komponist)

Ossip Zadkine (1890-1967, Bildhauer)

Naum Gabo (1890-1977, Bildhauer)

El Lissitzky, Lazar Markovich Lissitzky (1890-1941, Maler)

David Sarnoff (1891-1971, Unternehmer)

Chaim Soutine (1893-1943, Maler)

Kadish Luz (1895-1972, Knesset-Sprecher)

Immanuel Velikovsky (1895-1979, Publizist, Autor, Mediziner)

Eugene Lyons (1898-1985, Journalist, Schriftsteller)

Lazar Gulkovich (1898-1941, Gelehrter, Shoahopfer)

Naum Isakovich Eitingon (1899-1981, NKWD-Offizier, Getreuer Stalins)

Borrah Minevitch (1902-1955, Musiker, Showman)

Semyon Kosberg (1903-1965, Flugzeug- und Raketenkonstrukteur)

Joseph Ber Soloveitchik (1903-1993, Rabbi, Talmudgelehrter, Philosoph)

Lazar Ginzburg, „Lazar Lagin“ (1903-1979, Schriftsteller)

Zerach Warhaftig (1906-2002, Rabbiner, Politiker, Anwalt)

Tuvia Bielski (1906-1987, legendärer Partisanenführer des jüd. Widerstands)

Menachem Begin (1913-1992, Premier Minister, Nobelpreisträger)

Ryhor Reles (1913-2004, Jiddisch-Schriftsteller)

Mark Fradkin (1914-1990, Komponist)

Yitzhak Shamir (1915-2012, Premier Minister)

Kirk Douglas, Issur Danielovich Demsky (1916-2020, Hollywoodlegende)

Yitzhak Rabin (1922-1995, Premier Minister, Nobelpreisträger)

Shimon Peres (1923-2016, Premier Minister, Nobelpreisträger)

Noam Chomsky (1928-    , Sprachwissenschaftler)

Frank Gehry (1929-    , Stararchitekt)

Zhores Alferov (1930-2019, Physiknobelpreisträger)

Lawrence Harvey Zeiger, „Larry King“ (1933-2021, TV-Redakteur, Moderator)

Carlos Sherman (1934-2005, Schriftsteller, Übersetzer)

Ralph Lauren, Ralph Lifshitz (1939-    , Modedesigner)

Michael Bloomberg (1942-    , Politiker, Geschäftsmann, New Yorker Bürgermeister)

Harrison Ford (1942-    , Schauspieler, Umweltaktivist)

Valeriya Novodvorskaya (1950-2014, Dissidentin, liberale Politikerin)

Paul Krugman (1953-    , Wirtschaftswissenschaftler)

Viktor Sheiman (1958-    , Berater des belarus. Präsidenten Lukashenko)

Arkadi Duchin (1963-    , Sänger, Texter, Produzent)

Lisa Valerie Kudrow (1963-    , Schauspielerin, Autorin, Sängerin)

Boris Abramovich Gel’fand, Boris Gelfand (1968-    , Schachgroßmeister)

Sheryl Kara Sandberg (1969-    , Geschäftsfrau)

Yuri Mikhalevski (1972-    , Schachgroßmeister)

Gary Vaynerchuk (1975-    , Unternehmer)

Anna Smashnova (1976-    , Israelische Profi-Tennisspielerin)

Yuri Foreman (1980-    , Profi-Boxer)

Jared Kushner (1981-    , Schwiegersohn und Berater von Ex-US-Präsident Donald Trump)

Ruslan Kogan (1982-    , Unternehmer)

Alexandra „Sasha“ Zaretsky (1987-    , Eiskunstläuferin)