Paraschat haSchawua: Tasria / Metzora

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Die Tora (die fünf Bücher Moses) ist bekanntlich die Religionsgrundlage des jüdischen Glaubens. Sie enthält Weisungen, Verhaltensregeln für die Gläubigen, einen quasi geschichtlichen Teil über den Ursprung der Israeliten und noch vieles mehr. Für den gläubigen Juden ist der Text der Tora (mit den vielen Interpretationen, die er im Laufe der Geschichte erfahren hatte) logisch, mehr oder weniger einfach zu verstehen und selbstverständlich. Trotzdem weist sich unsere Parascha mit ungewöhnlichem Inhalt aus. Es ist die Rede von teils ansteckenden Krankheiten und wie sie vom Priester beobachtet und behandelt werden.

Levitikus, Kap. 12-15 Paraschot Tasria / Metzora Schabbat 17. April 2021

Wenn bei einem Mann oder einer Frau auf der Haut weiße Flecken entstehen….
Wenn jemand auf der Haut ein Geschwür bekommt….
Wenn jemand an der Haut ein Brandmal hat….
Wenn aber Aussatz ausbricht auf der Haut und bedeckt die ganze Haut….
Wenn ein Mann an seinem Glied einen Ausfluss hat….
Wenn eine Frau ihren Blutfluss hat….
(alle Zitate aus Lev. Kap. 12).

Es ist sicherlich ungewöhnlich, vielleicht sogar einmalig, dass eine Art Gesetzes-, Weisungs-, Glaubens-, Gottesbuch sich medizinischer Probleme annimmt.

Ein Vergleich mit anderen Religionen, insbesondere der christlichen, könnte zu dieser Besonderheit eine Erklärung beisteuern. Für das Christentum ist die mentale, geistige Einstellung des Menschen von entscheidender Wichtigkeit. Das Christentum hat den Menschen, der altgriechischen Philosophie folgend, als ein duales System, bestehend aus Materie und Geist, betrachtet. Entscheidend war die seelische oder geistige Verfassung, die Materie, der Körper war gewissermaßen nicht von Bedeutung. Die mündliche Bekennung (als quasi geistige) zum Christentum war entscheidend, der Körper, die Hülle konnte dabei vernachlässigt werden.

Der oder die Verfasser der Tora kannten diesen Systemgedanken von der menschlichen Dualität offensichtlich gar nicht. Der Gläubige, der Diener Gottes, sollte gesund sein, wenn er seinen Dienst an Gott verrichtete. Und nach der Tora beinhalten alle Vorschriften einen Dienst an Gott, sowohl die Einhaltung der weltlichen Gesetze, die ethisch-moralischen Maximen, wie auch Verhaltensregeln, Speise- und Kleidungsordnung. Um all diesen Vorschriften gerecht zu werden, sollte der Gläubige gesund sein, er sollte richtig funktionieren können. Die geistige Haltung allein kennt die Tora nicht, und darüber hinaus ist sie auch nicht wesentlich. Juden konnten nie verstehen, dass fromme Richtungen im Christentum (die Inquisition z.B.) bereit waren, Andersgläubige auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen, nur damit sie mit den Lippen ein Bekenntnis ablegen, und so ihre Seelen gerettet werden, auch wenn man davon ausgehen kann, dass solch ein Bekenntnis mit dem wahren Glauben nicht das mindeste zu tun hat.

Unter den Juden in Israel ist zu beobachten, dass die meisten von ihnen säkular eingestellt sind, behaupten jedoch (nach Umfragen) behaupten, an den Gott der Juden zu glauben. Dies obwohl sie wenig Ahnung von den Geboten und Pflichten eines gläubigen Juden haben, und selbst wenn sie eine Vorstellung davon haben, denken sie nicht daran, sich danach zu richten. Allerdings kann man im täglichen, besonders im Geschäftsleben die Redensart „mit Gottes Hilfe“ oft hören.

Schabbat Schalom

Dr. Gabriel Miller absolvierte umfangreiche rabbinische und juristischen Studien, war Leiter der Forschungsstelle für jüdisches Recht an der Universität zu Frankfurt am Main, Fachbereich Rechtswissenschaft. Außerdem gibt er die bei den Lesern von haGalil längst gut bekannte Website juedisches-recht.de heraus.

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