Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2020

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Die Buchausgabe der Leipziger Autoritarismus-Studie 2020 informiert über das Ausmaß und die Kontexte rechtsextremistischer Einstellungen. Dabei fallen auch wieder relativ hohe Angaben für einzelne antisemitische Einstellungsstatements auf…

Von Armin Pfahl-Traughber

Seit 2002 gibt eine Leipziger Forschergruppe um die Psychologen Elmar Brähler und Oliver Decker alle zwei Jahre empirische Studien heraus, welche über das Ausmaß rechtsextremistischer Einstellungen in der Gesellschaft und die damit einhergehenden Kontexte informieren. Dabei bedient man sich der gleichen Einstellungsstatements und so sind auch vergleichende Betrachtungen über einen längeren Zeitraum möglich. Früher erschienen die einschlägigen Berichte mit einem Bezug zur „Mitte“, wobei dies meist eine eher diffuse Kategorie zwischen der politischen und sozialen Sphäre blieb. Insofern ist es erfreulich, dass Brähler und Decker – indessen aus anderen Gründen – hier mehr von autoritären Positionen ausgehen. Auch für 2020 legten sie eine entsprechende Untersuchung vor, sie erschien als Buch mit dem Titel „Autoritäre Dynamiken. Alte Ressentiments – neue Radikalität. Leipziger Autoritarismus Studie 2020“. Die Daten dafür wurden über eine repräsentative Erhebung im Mai und Juni ermittelt, also bereits zu Corona-Zeiten.

Eigentlich besteht das Buch aus drei Teilen und 13 Einzelkapiteln. Indessen kann es auch in anderer Form aufgeteilt und strukturiert werden. Dabei kommt den Daten zu den rechtsextremistischen Einstellungen für 2020 große Relevanz zu. Nicht alle genutzten Fragen messen hier das Gemeinte auch trennscharf. Insofern soll der Blick nur auf die geeigneten Einstellungsstatements und die Summe von „stimmte überwiegend zu“ und „stimme voll und ganz zu“ fallen: „Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert“: 17,1 Prozent, „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert“: 8,8 Prozent, „Eigentlich sind die Deutschen anderen Völkern von Natur aus überlegen“: 11 Prozent, „Die Juden haben einfach etwas Besonderes und eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns“: 6,3 Prozent. Allein diese Daten machen deutlich, dass es nach wie vor ein erhebliches rechtsextremistisches Einstellungspotential in der deutschen Gesellschaft gibt.

Welche Besonderheiten wiederum bestehen, wird in den folgenden Kapiteln mit unterschiedlichen Schwerpunkten verdeutlicht. Dazu gehören zunächst Aussagen, die sich auf die Alters-, Bildungs- oder Geschlechterverteilung beziehen. Hier werden nur bekannte Erkenntnisse zum Sozialprofil erneut bestätigt. Aber auch dies ist nach wie vor eine wichtige Erkenntnis. Dem folgen gesonderte Ausführungen, die etwa Antifeminismus, Antisemitismus, Demokratiefeindlichkeit oder Verschwörungsvorstellungen thematisieren. Dabei wird auch immer wieder danach gefragt, wie derartige Einstellungen bei den Wählern bestimmter Parteien verbreitet sind. Es dürfte kaum überraschen, dass dabei die AfD-Anhänger die weitaus höchsten Anteile haben. Eine eigene Abhandlung widmet sich auch dem Wandel der AfD-Wählerschaft, erfolgte doch zwischen 2014 und 2020 eine ideologische Entwicklung der Partei nach rechts. Die Autoren konstatieren hier, deren Wählerschaft sei „heute deutlicher in der bürgerlichen Mitte und der oberen Mittelschicht verortet als zuvor“ (S. 158).

Die Bedeutung dieses Forschungsprojektes sollte man nicht unterschätzen, handelt es sich doch um eine der wenigen Langzeitstudien zu solchen Themen. Es werden noch die gleichen Einstellungsstatements wie in den ersten Untersuchungen genutzt. Dies erlaubt dann auch über die Jahre die systematischen Vergleiche. Indessen blendeten die Autoren so auch die Kritik daran aus, sind doch manche Fragen nicht wirklich trennscharf genug, um rechtsextremistische Einstellungen zu erfassen. Gleichwohl machen die erwähnten Ergebnisse immer wieder deutlich, dass hier ein bedeutsames latentes Potential besteht. In dem entsprechenden Datenmaterial und dessen Deutungen hinsichtlich der Einflussfaktoren dafür besteht die große Relevanz dieser Studien. Während die Autoren hiermit beeindrucken können, sind nicht alle Deutungen immer nachvollziehbar. Man merkt die Aversionen gegen ein Extremismusverständnis und gegen die „Mitte“, wobei hier durchaus gewissen Schiefen und Verzerrungen bestehen. Gleichwohl verdient das Datenmaterial großes Interesse.

Oliver Decker/Elmar Brähler (Hrsg.), Autoritäre Dynamiken. Alte Ressentiments – neue Radikalität. Leipziger Autoritarismus Studie 2020, Gießen 2020 (Psychosozial-Verlag), 385 S., Euro 24.90, Bestellen?