Wie Lisa Eckhart uns den Spiegel vorhält

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Offenen Rassismus zu erkennen, das ist einfach und kann jeder. Doch auch in der Mitte der Gesellschaft sind Klischees gegenüber Minderheiten nicht die Ausnahme: Schwule sind empfindsam, Schwarze sind musikalisch und Juden sind außergewöhnlich intelligent…

Von Uriel Kashi, Reiseleiter in Israel

Philosemitismus oder die Überhöhung von Schwulen oder Schwarzen sind letztendlich jedoch ebenso Vorurteile und damit die andere Seite derselben Medaille. Wenn die Erwartungen der Philosemiten an Juden enttäuscht werden (und dasselbe gilt für die überhöhten Erwartungen an Schwule, Schwarze etc.), verwandelt sich das angeblich (!) positive Bild wieder in das, was es ursprünglich war: In negative Stereotype, Abneigung oder sogar Hass.

Mit ihrer Kunstfigur Lisa Eckhart knöpft sich Lisa Lasselsberger – wie die Kabarettistin mit bürgerlichem Namen heißt – daher das angeblich liberale Bürgertum vor. Narzisstisch und selbstverliebt (wie die Figur “Lisa Eckhart”) glaubt dieses, durch ein positives Sprechen über Minderheiten alle Vorurteile überwunden zu haben und somit alles richtig zu machen.

In einem Interview „Auf dem roten Stuhl“ sagt die Kabarettistin: „Wenn linke Flüchtlingspolitik betrieben wird, dann wird gesagt: ,Das sind Menschen wie du und ich’. Das ist ein Satz, der mich wahnsinnig macht. Wieso können wir nicht Menschen akzeptieren unter der Prämisse, dass jemand anders ist? […] Da zeigt sich, [auch wenn] sie es gut meinen, doch eine Xenophobie. Eine Angst vor dem Fremden […] weil sie sonst unfähig sind, damit zu kooperieren.”

Zusammenhangslos zählt Eckhart in ihrem Sketch der WDR-Mitternachtsspitzen drei Namen auf: „Polanski, Weinstein und Allen“. Welcher Ethnie/Religion drei von Tausenden #MeToo-Tätern angehören, sollte eigentlich keine Relevanz haben. Und dennoch war wohl die erste Assoziation bei den meisten Zuhörern: „Das sind ja alles Juden!“ Diese Assoziation stand nicht erst mit Eckharts Satire im Raum, sondern auch während der #MeToo-Debatte, als die Vorwürfe gegen die drei prominenten Männer laut wurden.

Lasselsberger macht deutlich, wie bedeutsam es in der Debatte ist, ob jemand jüdisch ist: In ihrer Rolle der Lisa Eckhart spricht sie das aus, was viele denken und überspitzt satirisch: „Da haben wir immer gegen der Vorwurf gewettert: ‘den Juden geht es nur ums Geld’ und plötzlich kommt heraus, ‘Denen geht’s wirklich nicht ums Geld. Denen geht’s um die Weiber, und deshalb brauchen sie das Geld’.” Mit dem zweiten Teil ihrer Aussage als Lisa Eckhart zeigt Lasselsberger, dass sogar selbsternannte Judenfreunde nie wirklich daran geglaubt haben, dass Juden nicht immer ans Geld denken. Ihr Monolog ahmt jene Menschen, die es “gut meinen“, nach und offenbart die Hypokrisie und die Gefahr des Wandels vom positiven Klischeebild zum klassischen Antisemitismus.

Ein ähnliches Phänomen erkennt Lasselsberger im Umgang der Gesellschaft mit dunkelhäutigen Menschen. „Wir hatten auch schon brav gelernt: ‘Auch der Schwarze ist ein Mensch’…und ehe man sich umdreht, schon führt der edle Wilde wieder seinen Stammestanz auf”. Durch ihre Kunstfigur “Lisa Eckhart” reproduziert Lasselsberger den Mechanismus, wie hinter positiv konnotierten Vorurteilen die altbekannten negativ konnotierten Stereotype wieder auftauchen. Das positive Klischeebild vom „Schwarzen“ zerbröckelt durch das Vergehen eines Einzelnen und an seine Stelle tritt das ursprüngliche, rassistische Stereotyp.

Nun steht Eckhart in der Kritik. Die “Jüdische Allgemeine” titelt einen Artikel über sie mit den Worten: “Judenhass unter dem Deckmantel der Satire”. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, empfindet die Aussagen von Eckhart als “geschmacklos und kritikwürdig” und auch die taz wirft ihr Menschenfeindlichkeit vor.

Eckhart spricht die in der Gesellschaft verbreiteten Stereotype offen aus und führt ihr Publikum, noch während es darüber lacht, vor. Das ist gut, legitim und hat mit Antisemitismus nichts zu tun. Satire darf das!

Warum sind die Darbietungen von “Lisa Eckhart” dennoch problematisch? Vielleicht, weil man erwartet, dass sie anschließend mit dem Finger auf das Stereotyp zeigt und sagt: “Achtung, das ist Rassismus”. Stattdessen lässt sie die Stereotype jedoch unkommentiert stehen. Lasselsberger distanziert sich auf der Bühne nicht von ihrer Rolle der arroganten “Lisa Eckhart” und nimmt damit in Kauf, missverstanden zu werden. Während sie der Gesellschaft vorwirft, sich in der Rolle der aufgeklärten, vorurteilsfreien Bürger zu sehr zu gefallen, ist ihr Verharren in der Rolle “Lisa Eckhart” selbst arrogant. Durch die fehlende Demaskierung der Vorurteile, die sie eigentlich nur ans Licht bringen möchte, reproduziert sie diese letztendlich und verletzt erneut jene Minderheiten, die sich zurecht über die Stereotype empört. Schade.

Bild oben: Screenshot WDR-Mitternachtsspitzen