Jerusalem – Die Mitte der Welt

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„Eretz Israel“ so lesen wir im Talmud, „ist der Mittelpunkt der Welt und ihr Zentrum. Und Jerusalem liegt im Zentrum des Landes Israel, und der Tempel liegt in der Mitte Jerusalems, und das Allerheiligste ist in der Mitte des Tempels, und der Schrein ist in der Mitte des Allerheiligsten, und der Gründungsstein – aus dem die Welt erschafften wurde, liegt vor dem Allerheiligsten“…

Bild oben: „Wie die Berge rund um Jerusalem sind“, 1735 gesehen von dem Illustratoren eines jüdischen Ehevertrages auf italienisch.

Und das Buch Sohar berichtet: „Als der Herr, gesegnet sei Er, die Welt schuf, nahm Er einen Stein unter Seinem Thron des Ruhms hervor und warf ihn in den Abgrund. Die eine Seite des Steins setzte er in den Abgrund und die andere Seite darüber. Und dies ist in der Mitte der Welt. Von hier aus breitete sich die Welt nach rechts und links und in alle Richtungen aus. Dieser Stein war aus Feuer und Luft und Wasser, und alles gefror und wurde zu einem einzigen Stein, der im Abgrund liegt. 

„Goldenes Jerusalem“, ein Ölgemälde von Reuven Rubin zeigt die Stadtmauern, Türmchen und Olivenbäume.

Der Stein heißt Gründungsstein, denn aus ihm wurde die Welt geformt. Von ihm aus breitete sich die Welt in drei Stufen aus: In der ersten Stufe wurde alles Feine und Delikate auf die Erde gesetzt; in der zweiten Stufe waren die Dinge weniger fein und delikat als in der ersten Stufe, aber sie waren noch immer fein, und der Staub war feiner als der Staub in der Welt; in der dritten Stufe war der Staub dunkler und gröber als alle anderen, und um ihn lagen die Wasser der Ozeane, die die gesamte Welt umgaben. Also ist dieser Punkt das genaue Zentrum, und alles, was sich in der Welt ausbreitete, liegt um ihn herum.“

Während diese Sätze wissenschaftlich und geographisch nicht ganz genau der Wahrheit entsprechen, so sind sie doch in großem Maße von geistiger, religiöser und kultureller Wahrheit.

Die ewige Hauptstadt des jüdischen Volkes – wo auch immer es lebt – die Hauptstadt des Landes Israel und des Staates Israel, ist tatsächlich auf vielerart das Zentrum des Universums. Am Ende aller Tage, so versprach der Prophet Jesaja, werden alle Völker zu ihm strömen, und von hier aus wird das Wort Gottes ausströmen in die gesamte Welt. Doch sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart ist die Stadt in Gedanken und Sprache der Völker aller Nationen verhaftet.

Es lohnt sich, mit einem Psalm zu beginnen, der von einem Mann geschrieben wurde, der Jerusalem einen sicheren Platz in der Geschichte verschafft hat. Obschon seither Tausende von Jahren vergingen und zahllose Worte über die Stadt geschrieben wurden, läßt sich kaum eine treffendere Zusammenfassung dessen finden, was die Stadt repräsentiert, als dieses Kapitel, in dem wir lesen:

„Ein Lied Davids im höhern Chor./ Ich freute mich über die, so mir sagten:/ Lasset uns ins Haus des Herrn gehen!/ Unsre Füße stehen in deinen Toren, Jerusalem ./ Jerusalem ist gebaut, daß es eine Stadt sei, da man zusammenkommen soll, da die Stämme hinausgehen, die Stämme des Herrn, wie geboten ist dem Volk Israel, zu danken dem Namen des Herrn/ Denn daselbst stehen die Stühle zum Gericht./ die Stühle des Hauses David./ Wünschet Jerusalem Glück!/ Es möge wohl gehen denen, die dich lieben!/ Es möge Friede sein in deinen Mauern/ und Glück in deinen Palästen!/ Um meiner Brüder und Freunde willen/ will ich dir Frieden wünschen./ Um des Hauses willen des Herrn, unseres Gottes,/ will ich dein Bestes suchen.“

DIE STADT DAVIDS

Jerusalem blieb am gleichen Ort – mal in glorreichem Ruhm, ein anderes Mal zerstört und auf Ruinen reduziert – seit 5.000 Jahren genau, und auch dadurch ist sie einzigartig.

Zum ersten Mal wird die Stadt erwähnt, zumindest entsprechend der Quellen, die uns bekannt sind, in Dokumenten, die bei Ebla, im Süden Syriens, entdeckt wurden, und die auf das dritte Jahrtausend vor Chr. zurückgehen. Dort wird mit dem Begriff Shalem auf die Stadt hingewiesen, wie dies ähnlich auch in der Bibel geschieht. Sie wird erneut in den ägyptischen Verwünschungs-Schriften (zu Beginn des 2. Jahrtausends vor Chr.) erwähnt, als Rushalimum, und in den Tel El-Amarna Briefen (des 14. Jahrhunderts v. Chr.). Etwa hundert Jahre später, führte Joshua bin Nun die israelitische Stürmung im Lande Israel an, wo er unter anderem mit dem König Jerusalems, Zedekia, zusammentraf.

Zurückblickend ist es leicht verständlich, warum die Stadt an ihrem Ort entstand. Zunächst waren alle vier Elemente, die für eine altertümliche Stadt notwendig waren, vorhanden: natürliche Felder in offenen Talern (wo Weizen für die Brotherstellung angebaut werden konnte); die Gichon Quelle (die einen Überfluß von 1.000 Kubikmetern Wasser täglich lieferte, was für alle Menschen und die Tiere in der Stadt ausreichte“; eine wichtige Kreuzung und Haupstraßen (auf dem Bergrücken, der sich entlang der nord-süd-Achse und an der ost-west-Achse vom Küstenflachland bis zum Jordantal ausdehnte“; und Sicherheit (so waren z.B. durch die Möglichkeit einer Ansiedlung in der Nähe einer Wasserquelle und einer verteidigungsfähigen Route, die strategischen Voraussetzungen jener Tage gegeben).
All dies trug dazu bei, daß Jerusalem auf einem kleinen Berg gebaut wurde, zwischen dem Tal auf der einen Seite und dem Kidron Fluß auf der anderen.

Es war die Stadt, die König David 999 v. Chr. erreichte, nachdem er die ersten sechs Jahre seiner Herrschaft in Hebron regiert hatte. Er belagerte und eroberte die Stadt, wie uns gesagt wird: „Also wohnte David auf der Burg und hieß sie Davids Stadt. Und David baute ringsumher von Millo an einwärts. Und David nahm immer mehr zu, und der Herr der Gott Zebaoth, war mit ihm.“

Sofort im Anschluß verlagerte er den Regierungssitz nach Jerusalem, zum einen aufgrund all der oben erwähnten Vorteile und zum anderen, weil es an die Grenze des mächtigen Stammes von Juda angrenzte, während es selbst auf dem Gebiet des kleinen Stammes von Benjamin lag, was bedeutete, daß es ein günstiger Ort war, dem die anderen Stämme zustimmen würden. Davids Eroberung war ein Zeichen für die dramatische Veränderung im Status Jerusalems, und innerhalb von zwei Jahren wurde diese Veränderung dadurch zementiert, daß der Schrein der Verheißung nach Jerusalem gebracht wurde. Jetzt wurde die Hauptstadt zum geistigen und religiösen Zentrum des jüdischen Volkes.

24 Jahre nach diesen Ereignissen bezahlte David 50 Silber-Schekel für eine Tenne, die er von dem Jebusiten Aravna kaufte, und die auf einem Berg im Norden der Stadt lag, „und David errichte dort einen Altar‘.‘ Später würde Salomo, Davids Sohn, hier den Tempel bauen. Aravnas Tenne würde zum Tempelberg werden, entsprechend der Bibel „im Land von Moria“ wo die Opferung Isaaks stattfand. Zwischen diesem Berg und Davids Stadt würde der Ophel liegen, der erhöhte Teil der Stadt. Im Westen würde die obere Stadt gebaut werden, zu der der königliche Palast, die Frauen viertel, das königliche Militär und andere solcher Gebäude gehören würden.

Im Laufe der Jahre breitete sich die Stadt aus; ein ausgezeichnetes System zur Wasserversorgung würde errichtet werden (wie der ursprüngliche Schiloach-Tunnel und später der Hesekiels-Tunnel zeigen); man würde den Bau der Turme, die Uzziahu baute, beobachten können und die Verbesserungen, die von Jehoshaphat und Josia eingeführt wurden; sie würde den indringlingen, wie dem ägyptischen König Schischak, und dem assyrischen König Sennacherib widerstehen; und die Stadt würde der Ort sein, wo große Propheten predigen würden. An ihren Gerichten würde Isaia ben Amotz ausrufen: „Wie wurde aus der getreuen Stadt eine Hure! Sie war voller Gerechtigkeit, Rechtschaffenheit wohnte in ihr; und jetzt Mörder.“ Jeremia rief auf: „Reinigt eure Herzen von der Gottlosigkeit, daß ihr gerettet werdet.“ Und Joel verband seine Prophezeihung mit der Rückkehr aus der Diaspora nach Jerusalem: „Will ich alle Heiden zusammenbringen und will sie ins Tal Josaphat hinabführen und will mit ihnen daselbst rechten wegen meines Volks, und meines Erbteils Israel, weil sie es unter die Heiden zerstreut und sich in mein Land geteilt und das Los um mein Volk geworfen haben.“ Im Jahre 586 v. Chr. wurde Jerusalem von Nebukadnezar, dem König von Babel, und seinem Wachführer, Nebuzaradan. zerstört. Der Tempel, der königliche Palast und alle Häuser Jerusalems wurden bis auf den Boden verbrannt. Die Nationging ins Exil, leistete jedoch zuvor einen Schwur: „Wenn ich dich vergesse oh Jerusalem, laß meine rechte Hand ihre Geschicklichkeit vergessen, laß meine Zunge an meinem Gaumen kleben, wenn ich mich nicht an dich erinnere und wenn ich Jerusalem in meinem höchsten Glück nicht erwähne.“ 50 Jahre vergingen, bis der Prophet ausrief: „Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott; redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, daß ihre Dienstbarkeit ein Ende hat, denn sie hat Zwiefältiges empfangen von der Hand des Herrn für alle ihre Sünden.“ Die Proklamation von Kores, dem König von Persien, die dem jüdischen Volk die Rückkehr in das Land Israel und den Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem erlaubte, wurde mit Freude aufgenommen. 42.000 Menschen traten die mühsame Reise nach Hause an, wo sie mit dem Wiederaufbau der Stadt und des Tempels begannen. Der Zweite Tempel wurde im Jahre 516 v. Chr. fertiggestellt, aber er hatte nicht die Herrlichkeit des Ersten Tempels, was vermutlich durch unruhigen Zeiten zu begründen ist. So wandte sich der Prophet Haggai an Serubabel, dem Sohn Sealthiels, dem Fürsten Judas, und zu Josua, dem Sohn Jozadaks, dem Hohenpriester, und sprach zu ihnen: „Wer ist unter euch übriggeblieben, der dies Haus in seiner vorigen Herrlichkeit gesehen hat? Und wie seht ihr’s nun an? Ist’s nicht also, es dünkt euch nichts zu sein? Und nun, Serubabel, sei getrost! spricht der Herr; sei getrost, Josua, du Sohn Jozadaks, du Hoherpriester! sei getrost, alles Volk im Lande! .. Denn so spricht der Herr Zabaoth. .. Es soll die Herrlichkeit dieses Hauses größer werden, denn des Ersten gewesen ist, … und ich will Frieden geben an diesem Ort.“ Und tatsächlich währte der Zweite Tempel länger als der Erste Tempel, und für die meiste Zeit diente er als Zentrum für die gesamte Nation.

„Wenn ich Dein vergesse, Jerusalem, laß meine rechte Hand vergessen.“

DIE STADT DER WEISEN

Jerusalem und der Zweite Tempel ist das Jerusalem von Esra, der sich der Pflicht der Erziehung und dem Aufbau einer erneuerten jüdischen Gesellschaft annahm. Es ist auch das Jerusalem von Nehemia, der das Gebiet ausweitete, die Stadtmauern mit sechs Toren errichten ließ und eine Festung anlegte, um die Stadt vor Angriffen aus dem Norden zu schützen.

Das Jerusalem der Zweiten-Tempel-Ära ist das Jerusalem der Hellenen, die versuchten das Volk zu hellenisieren, und die die „Antiochia von Jerusalem“ gründeten im Schatten der Hakra-Festung. Das Jerusalem der Zweiten-Tempel-Ära ist das Jerusalem der Hasmonäer, einer Priester-Familie aus dem kleinen Dorf Modiin im Lydda-Tal, die die Fahne erhoben zur Revolution gegen den Seleukidischen König und gegen den Versuch, die Einzigartigkeit des Juden zu verdunkeln. Mit ihrem Mut, ihrem Können und ihrem Eifer eroberten sie Jerusalem und reinigten den Tempel (164 v. Chr.), eroberten ihn (152) und errichteten erneut die jüdische Souveränität (142 v. Chr.) – zunächst unter einem Präsidenten und anschließend unter einem König. Das Jerusalem der Zweiten-Tempel-Ära ist das Jerusalem der Tora-Gelehrten, die als Chasal benannt wurden, ein Akronym für die hebräische Wendung, „unsere Weisen des gesegneten Gedächtnisses“ der Großen Versammlung und der Sanhedrin. Dies war das Jerusalem des Intellekts und der Denker, der Gesetzschreibung und der Gewährleistung und Stärkung der Gerechtigkeit sowie von ständiger Fürsorge um die Erziehung. Innerhalb dieses Rahmens formulierte Simeon der Gerechte seine Erklärung: „die Welt überlebt aufgrund dreier Dinge: das Tora-Studium, Messen (z.B. Beten) und der Hilfe für andere.“ Es war auch innerhalb dieses Rahmens, daß Simeon, der Sohn von Scheta, ein Gesetz zur Schulpflicht einführte – das erste in der Geschichte überhaupt.

Und das Jerusalem der Zweiten-Tempel-Ära ist auch das Jerusalem von Herodes (37-4 v. Chr.), die Stadt, von der gesagt wurde: „Der, der nie Jerusalem in ihrem Glanz sah, der sah nie eine schöne Stadt in seinem ganzen Leben.“ Der Ruhm Jerusalems jener Tage war der Tempel, den Herodes renovierte und umfangreich ausbaute. „Es wird gesagt“ so steht im Talmud“ „daß einer, der niemals Herodes Gebäude sah, nie ein schönes Gebäude in seinem ganzen Leben sah. Woraus baute er ihn? Rava sagt: ‚Aus gelbem und weißem Marmor,‘ wohingegen andere sagen, ‚Aus blauem, gelbem und weißem Marmor‘ Zweispurige Straßen aus Stein wurden entworfen, aber die Sagen erklärten ihm: ‚Laß ab, denn so ist es schöner, es sieht aus wie Wellen im Meer.'“Aus archäologischen und historischen Studien wissen wir, daß in Jerusalem zu dieser Zeit 150.000 Menschen lebten, und daß die Tore des Tempels zu festlichen Gelegenheiten 100.000 Pilgern offen standen. Von Herodes aufgebaut war der Tempelberg-Bereich wirklich gewaltig, um all diese Leute aufzunehmen, bis er zum größten offenen Platz der gesamten Antike wurde. Seine Größe umfasste auch Erfindungen von Ingenieuren und Architekten: Überführungen, um die Verkehrsdichte zu entspannen (Relikte davon sind bis heute erhalten geblieben, wie z.B. Robinsons Arche), unterirdische Eingangstunnel und riesige, stabile Tore. Der gigantische Hof des Tempelbergs wurde an aHen vier Seiten durch die verbliebenen Mauern umgeben. Solange der Tempel intakt blieb, gab es keine Überlegungen, diese Mauern einer besonderen Heiligkeit zu unterstellen. Nach der Zerstörung des Tempels verblieben diese Mauern noch immer, und die Westmauer (Klagemauer) wurde vom Volk als letzter Überrest des Tempels geheiligt, sowohl aufgrund seiner Pracht, als auch infolge der talmudischen Erklärung: „die Westmauer des Tempels wird niemals zerstört – weil die göttliche Gegenwart im Westen ist.“

 

Über Heiligkeit, Souveränität und die Entweihung des Heiligtums:
G’tt wohnt hier nicht mehr
Die Positionierung des Tempelbergs und des in seinem Zentrum gelegenen symbolischen heiligen Felsens verwandelte den nationalen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern in eine religiöse Konfrontation…

Alte Ansichten einer ewigen Stadt
Sechstagekrieg: Jerusalem im Juni 1967