Verrat in München und Burghausen

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Hans Faber ist Rechtsanwalt, Mitglied des geheimen Abwehrapparates der KPD und als solcher formal Mitglied der NSDAP in München. Am Wochenende aber zieht es ihn meist in seine elterliche Wohnung nach Burghausen an der Salzach. Öfter weilt er auch in Kraiburg am Inn, in der Nähe von Mühldorf, bei seiner Schwester. In der ländlichen Gegend führt er viele geheime Treffen mit Widerstandskämpfern aus ganz Deutschland durch…

Sowohl in der Großstadt, als auch in der Provinz erlebt er heldenhaften Widerstand gegen den Faschismus aber auch Niedertracht und Verrat. Er kennt alle Nazigrößen persönlich und sie widern ihn an. Hans Faber arbeitet eng mit der Widerstandsgruppe unter der Leitung von Hermann Frieb aus der Schellingstraße in München zusammen. Der Romanheld Hans Faber lebte im Widerstand gegen Niedertracht und Barbarei. Die anderen Widerstandskämpfer werden dem Vergessen entrissen.

Autor Max Brym wurde 1957 in Altötting geboren. Er arbeitet und lebt als freier Journalist in München. Max Brym ist Dozent für Philosophie und Geschichte an mehreren nationalen und internationalen Bildungseinrichtungen. Viele Jahre arbeitete er als Gastdozent an der öffentlichen Universität Prishtina in Kosovo. Der Autor schreibt regelmäßig u.a. für jüdische Zeitungen, darunter das Webportal „haGalil“. Vom Autor erschienen viele Artikel, speziell zur Geschichte der Arbeiterbewegung in unterschiedlichen Zeitungen.

Max Brym: Verrat in München und Burghausen – Band 1 ISBN: 978-3-943150-20-9. Erscheint im September 2018 – 280 S., Euro 14,90 €, bookra Verlag, Vorbestellungen unter http://www.bookra-verlag.de/b17.html

Leseauszug Judenboykott“ in München

Am 30.März hatte sich Lore auf Anregung von Hans Faber Urlaub als Sekretärin von Röhm geben lassen. Die Urlaubsbewilligung war nicht leicht zu bekommen. Lore musste eine dringende familiäre Angelegenheit erfinden und gleichzeitig ernsthaft versichern, sie wolle als überzeugte Nationalsozialistin, den Judenboykott in der Stadt München in Augenschein nehmen.

Daraufhin lachte Röhm, der freie Tag war bewilligt. Im vorauseilenden Gehorsam hatte der Münchner Bürgermeister Karl Fiehler den Judenboykott schon für den 30. März angekündigt. Lore begab sich zuerst zu dem renommierten Seidenwarengeschäft Heinrich Cohen. Die Vorfahren des Inhabers belieferten seit 1821 das bayerische Königshaus. Aber das interessierte, die pöbelnden Nazi Banditen in SA Uniform nicht im geringsten. Einige der größten Münchner Kaufhäuser gehörten Juden, zum Beispiel Hermann Tietz am Hauptbahnhof, oder Max Uhlfelder am Viktualienmarkt. Die Tuchhandlung Stark am Stachus zählte den Komiker Karl Valentin zu ihren Stammkunden. Edle und günstige Stoffe konnte man bei Eichengrün am Promenadenplatz oder Springer am Alten Peter kaufen.

Im Kunst- und Antiquitätenhandel waren Bernheimer, Rosenthal und Heinemann angesehene Häuser von internationalem Rang. Lore beobachtete überall das selbe Bild. SA-Posten beschmierten Schaufenster jüdischer Geschäfte mit der Aufschrift „Jude“ oder „Bin in Urlaub in Dachau“.

Schaufenster gingen zu Bruch. Sie wurden eingeschlagen und Kunden eingeschüchtert. Die SA pöbelte alle Kunden an. Einige wurden als „ Volksverräter“ fotografiert. Diese Bilder vermittelten Lore den Eindruck, dass sich der spontane „ Volkszorn“ nicht so recht einstellte. Sie beobachtete aus sicherer Distanz wie eine ihrer alten Freundinnen sich bei Tietz resolut zutritt verschaffte. Diese Bilder machten Lore Mut. Auch Hans würde es freuen.

In der Schraudolphstrasse. berichtete sie Hans von dem erlebten. Hans hatte in Erfahrung gebracht, dass der 1. April in München als eigentlicher Boykotttag faktisch abgesagt wurde. Auf der Straße traf er den widerlichen Schläger und Ex Pferdeknecht Christian Weber. Dieser beschwerte sich über die Passivität der Münchner. Weber meinte: „ In München hätte uns ein Julius Streicher vor der Aktion gut getan.“ Das war eine versteckte Kritik an Fiehler. Faber stimmte zu. An Baum 6 hatte er zuvor von der Verhaftung von 200 Juden gehört. 

Im Bratwurstglöckel

Einige Tage nach der Flucht von Hans Beimler, besuchte Hans Faber, das „Bratwurstglöckel in der Münchner Innenstadt. An dem seit 1924 bestehenden Stammtisch der SA, saß Ernst Röhm mit einem jungen hübschen Kerl, dazu ein finster brutal dreinschauender Typ in SS Uniform. Der Gastwirt Karl Zehnter, begrüßte Faber sehr herzlich. Nachdem sich Faber setzte, stellte sich die Gestalt in SS Uniform vor. Er hieß Hilmar Wäckerle, er war der berüchtigte Kommandant des Konzentrationslagers Dachau. Faber wusste, dass Wäckerle stets mit Schäferhund und Ochsenziemer im KZ unterwegs war. Im Vergleich zu ihm war Röhm mit seinen Reitkünsten, seinen musikalischen Kenntnissen und der sogenannten „ Soldatenethik“ ziemlich kultiviert. Wäckerle prügelte und tötete nach Gusto im KZ. Der Sadismus war Wäckerle ins Gesicht geschrieben. Aber Faber war ja nicht im Lokal um Gesichter zu studieren sondern er wollte Details zur Flucht von Beimler, direkt  von dem Chefpeiniger erfahren. Ohne Umschweife fragte er Wäckerle, „wie ihnen der Beimler entwischen konnte“. Diese Frage gefiel Ernst Röhm, er forderte Wäckerle auf zu erzählen. Der blass gewordene Lagerkommandant stotterte los. „ Drei Leute von mir schlugen den Beimler mit einem Ochsenziemer scheinbar windelweich. Auf Befehl von mir wurde der Bolschewistensau ein Strick in die Zelle gehängt. Dem Beimler wurde geraten das Angesicht der Erde nicht länger mit seiner Anwesenheit zu beschmutzen. Es wurde ihm eine Frist von zwei Stunden gegeben. Aber der Kerl hängte sich nicht auf, sondern er erdrosselte nach zwei Stunden einen meiner Männer, zog sich dessen Uniform an und marschierte aus dem Lager grüßend hinaus.“ Röhm grinste auf Kosten von Wäckerle und meinte:

„ Meinen SA Leuten wäre das nicht passiert“. Da war sie wieder zu spüren, die bestehende Rivalität zwischen dem SA Stabschef Röhm und Heinrich Himmler. Dann setzte sich noch eine Gruppe weiterer Personen an den Tisch. Es kam die engste Umgebung von Ernst Röhm. Es waren die Herren Karl Leon Du Moulin-Eckart, der Chef der SA Stabswache Julius Uhl, der neue Polizeikommandant von München August Schneidhuber, sowie Graf Spreti-Weilbach, welcher wohl derzeit in München war. Die Banditengruppe von Röhm amüsierte sich ebenfalls über die Flucht von Beimler. Der speziell für Röhm mordende Julius Uhl, nannte Beimler „ einen ganzen Mann im Gegensatz zur blöden SS“. Alle lachten, nur Wäckerle nicht. Dann versuchte Wäckerle aufzutrumpfen: „ Als Racheexempel ließ ich sofort den Ex KPD Orgchef Sepp Götz im Arrestlokal der SS am 9. Mai erschießen. Auch der ehemalige KP Landgasabgeordnete Fritz Dressel wurde liquidiert.“ Dazu meinte Schneidhuber: „ Ja ja, aber der Beimler ist trotzdem weg.“ Röhm empfahl Schneidhuber, der jetzt formal in München über Heinrich Himmler stand, den „ Heini mit seiner unfähigen Truppe schärfer an die Kandare zu nehmen.“ Alle lachten zustimmend. Faber wußte nun ziemlich viel über die Flucht von Hans Beimler, ohne Leute vom Abwehrapparat der KPD zu treffen. Unter einem Vorwand verabschiedete er sich, denn er hatte keine Lust auf längeren Bierdunst, sowie den dazugehörenden schwülstige Reden. Röhm meinte noch zu Faber beim Abschied:„ Mit deiner Lore bin ich sehr zufrieden. Pass nur auf, dass sie nicht auf einen auf Frauen stehenden Kerl aus meiner Umgebung hereinfällt“. Wieder lachten alle, diesmal über die offen zugegebene Homosexualität ihres Chefs. „ Mache ich, mache ich“ sagte Faber und verschwand.

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