Gedenktafel für die erste jüdische Gebetsstätte in Lohr am Main

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Am Montag, den 16. April 2018, wurde in der früheren Kreisstadt Lohr/Main – heute im Landkreis Main-Spessart – eine Gedenktafel für die erste jüdische Gebetsstätte an dem Hause in der Kellereigasse 4 angebracht, wo sich diese einst befunden hat…

Von Israel Schwierz

Das Haus liegt gegenüber dem Tourismus-Büro der Stadt und nicht weit vom Kurmainzischen Schloss entfernt. Zu verdanken ist das dem Heimatforscher Wolfgang Vorwerk, der im Verlaufe seiner Recherchen auf diese historisch sehr wichtige Tatsache gestoßen war und sie im neuesten Band der Veröffentlichungen des Lohrer Geschichts- und Museumsvereins niedergeschrieben hatte.

Bisher hatte man immer angenommen, die erste jüdische Gebetsstätte hätte sich in einem heute noch erhaltenen Haus in der Fischergasse 34 befunden. Doch nun ist sicher, dass es eine Vorgängerin gab. Dabei muss berücksichtigt werden, dass wohl bereits im Mittelalter (und vielleicht sogar noch früher) in der Stadt am Main Juden gelebt hatten – aber ihre Geschichte war sehr wechselhaft und traurig. Bekannt ist, dass sie bereits 1288 der Rindfleisch-Verfolgung zum Opfer fielen. Später, als Lohr im Gebiet der Grafen von Rieneck lag, gab es hier auch wieder Juden – aber als die Stadt an das Erzstift Mainz fiel, war ihnen der Aufenthalt am Ort verboten.

Erst 1862 zog der erste Jude – Samuel Selig – wieder in die Stadt – aus dem nahegelegenen Dorf Steinbach – wo es damals im Judenhof eine größere Jüdische Gemeinde mit Synagoge gegeben hat. Danach wuchs die Zahl der jüdischen Stadtbewohner in Lohr ständig, so dass sie 1864 eine Jüdische Gemeinde gründeten und 1867 vom Lohrer Dachdeckermeister Peter Schlumberger das Hinterhaus am Anwesen in der Kellereigasse (Haus-Nr.173) mieteten und darin einen Betsaal errichteten (Vorher waren sie am Sabbat und an den jüdischen Feiertagen in die Synagoge im Judenhof von Steinbach gelaufen, was aber gegen die Sabbatgesetze verstieß). Wie Vorwerk sehr richtig bemerkt, war dieses Hinterhaus als Betsaal perfekt: Es besaß einen separaten Eingang, war Richtung Jerusalem ausgerichtet und konnte durch Trennung der Räume als Männer- und Frauensynagoge – nach Geschlechtern getrennt – benutzt werden.

Erst 1871 kaufte die inzwischen noch größer gewordene Jüdische Gemeinde das Haus in der heutigen Fischergasse 34, in dem sich die Synagoge und ein Gemeindesaal befanden. Die Synagoge wurde im Novemberpogrom 1938 durch SA-Leute geschändet, die Ritualien vernichtet.

Heimatforscher Wolfgang Vorwerk ist es zu verdanken, dass die steinernen Zeugnisse jüdischen Lebens in Lohr nun auf den neuesten Stand gebracht und dass eine Gedenktafel mit der folgenden Inschrift auf der ersten Synagoge der Stadt angebracht worden ist: „ BETSAAL In diesem Haus befand sich in den Jahren zwischen 1867/1868 und 1871 der erste Betsaal der 1864 in Lohr gegründeten Israelitischen Kultusgemeinde, ehe im November 1871 die Synagoge in der Fischergasse eingeweiht wurde.“

Fotos: Engelbert Braun