Wiener Mosaik

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Kurznachrichten aus Österreich…

Von Peter Stiegnitz

Neue Botschafterin in Wien

Es ist ein Wunder, das eigentlich gar kein Wunder ist: Der Staat Israel wird in Österreich das erste Mal von einer Frau vertreten,   Talya Lador-Fresher heißt die neue Botschafterin an der Donau in Wien. Wenn man weiß, dass Israel über ausgezeichnete Diplomatinnen verfügt, von der ehemaligen Außenministerin abwärts, ist die Entsendung der neuen Botschafterin alles andere als ein „Wunder“.  Lador-Fresher ist die Tochter von aus Deutschland stammenden Eltern. Die Direktorin des Wiener Jüdischen Museums Daniela Spera und „NU“-Chefredakteur Peter Menasse haben die Botschafterin nach ihren Zielen und Vorhaben befragt: „Ich werde versuchen, die jüngere Generation anzusprechen, junge Österreicher mit jungen Israelis zusammenbringen.(…) Ich denke z.B. daran, eine wissenschaftliche Vereinbarung zu erarbeiten, die es erlaubt, dass junge Menschen projektbezogen im jeweils anderen Land leben können.“  Und die Schlussfolgerung der Botschafterin: „Ich möchte gerne mehr israelische Kultur hierherbringen.“

Buntes Ausstellungsprogramm

Das Wiener Jüdische Museum plant für 2016 ein breitflächiges, buntes Programm:

  • „Valie Export interveniert“: Die Künstlerin stellt eine Installation aus Objekten und Dokumenten jüdischer Kinder, die den Holocaust nicht überlebt haben, zusammen.
  • „Stars of David“: Jüdische Musiker leisteten viel für die Unterhaltungsindustrie. Dabei wird, abgesehen von der internationalen Bedeutung dieser Künstler, auch die Rolle, die sie in der  österreichischen Musikszene spielten, dargestellt.
  • „Jüdische Künstlerinnen“: Gewidmet ist diese Ausstellung den großen Werken jüdischer Künstlerinnen vor dem „Anschluss“.
  • „Post 41“: Diese Ausstellung dokumentiert die berührenden Zeugnisse aus dem Ghetto Litzmannstadt. Gezeigt werden Postkarten, Tagebücher, Foto- und Filmbeiträge . Dabei handelt es sich um die 4000 jüdische Opfer, die 1941 von Wien nach Lodz deportiert wurden. (Siehe Foto oben)
  • „Wiesenthal in Wien“: Simon Wiesenthal hat penibel genau die NS-Barbarei in Österreich aufgearbeitet und dokumentiert. Anlässlich seines zehnten Todestages zeigt das Museum die Wirkung seiner Arbeit in Wien, aber auch international
  • Wiener Synagogen: Bis zum „Anschluss“ gehörten die Wiener Synagogen zum bedeutenden Bestandteil der Wiener urbanen Kultur. Eine virtuelle Rekonstruktion ermöglicht einen faszinierenden Einblick in diese Kulturstätte. Erstmals werden auch bisher verschollen geglaubte Originalpläne dieser Synagogen zu sehen sein.

Dieses reichhaltige Programm macht das Wiener Jüdische Museum zu einer der interessantesten Attraktionen der Wiener Kunst und Kultur.

Progressives Judentum

Zum pulsierenden jüdischen Leben in Wien gehört auch die progressive Gemeinde  „Or-Chadasch“, an deren Gottessdiensten sich Frauen und Männer gleichwertig beteiligen. Die Wiener „Progressiven“ sind ein Teil der zehn Millionen Mitglieder zählenden „Weltunion für progressives Judentum“. Zu den Vorreitern des liberal-progressiven Judentums gehörten vor allem die deutschen Juden Israel Jacobsohn und später Leo Baeck.  Baeck, der  Theresienstadt überlebt hat, „prägte nach dem Krieg das Judentum in Europa und zählt zu dessen wichtigsten Erneueren nach dem Holocaust. (Maurice-Ruben Hayoun: „Leo Baeck“, WBG-Verlag). Bereits sein Vater, der Rabbiner Samuel Baeck, suchte den Weg der Toleranz: „… und engagierte sich für einen interreligiösen Dialog“ (Hayoun), was zu seiner Zeit   absolut neu war. Sicherlich nicht zufällig schickte der Vater seinen Sohn in das Johann-Amos-Comenius Gymnasium der tschechischen Stad Lissa; Comenius war nämlich ein Anhänger des (revolutionären) Reformators Jan Hus. Leo Baeck setzte – und auch das war sein großer Verdienst –  Institution und Lehre der „Wissenschaft des Judentums“, ein Kind des frühen 19. Jahrhunderts, stark ein.

Neuer Oberrabiner

Wien hat einen neuen Oberrabbiner, Arie Folger, da sein Vorgänger, Paul Chaim Eisenberg in dieser Funktion, in Pension ging. Der 1973 geborene Belgier kommt aus einer orthodoxen Familie und studierte unter anderem in Belgien und in Israel. Seine geistliche Laufbahn begann er in der Schweiz und  wechselte dann nach Deutschland. Er und seine amerikanische Frau haben sechs Kinder. Eisenberg bleibt Oberrabbiner Österreichs. IKG-Präsident Oskar Deutsch lobte den neuen Wiener Oberrabbiner in einem Gespräch mit der „Wiener Zeitung“: „Ich bin stolz, dass der ganze Prozess, einen Rabbiner zu finden, jetzt so professionell und positiv abgeschlossen wurde. In all den Gesprächen, die wir mit Arie Folger geführt haben, haben alle den Eindruck gewonnen, dass er der richtige Mann für die geistige Leitung der Gemeinde sein wird.“

Chanukkah: Sicherheitarlarm

Während in Deutschland unter den hunderttausenden muslimischen Flüchtlingen mehrere IS-Agenten gefunden wurden, empfehlen in Wien die Sicherheitsbehörden für jüdische Veranstaltungen besonderen Schutz. So erfolgte wurde auch das Entzünden des Chanukkah-Leuchter nicht, wie alljährlich, auf dem Stephansplatz, sondern im Gemeindesaal. „Wir Juden fühlen uns jetzt keineswegs so sicher, wie es noch vor Jahren der Fall war und hoffen, dass es bei uns, nicht wie in London und Paris, zu keinen Attentaten kommt …“ – so ein Teilnehmer an der Feierlichkeit.