Ein Trauerspiel in drei Akten

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Der Neonazi-Richter, die bayerische Justizverwaltung und der bayerische Verfassungsschutz…

Von Peter M. Selliner

Erster Akt: Auftritt „ Maik B.“

Maik B. grölt aggressiv und hasserfüllt: „Befreit die ganze Welt von diesem Land/ Heilig sei allen Völkern der Befehl/ Atomraketen auf Israel“. ((https://www.youtube.com/watch?v=-CN5oH4DnZc Zugriff 22.10.2014)) Der Song „Israel“ landet auf dem Index. ((http://www.tagesspiegel.de/berlin/rechtsextremismus-wie-ein-neonazi-aus-brandenburg-richter-werden-konnte/10831812.html Zugriff 22.10.2014)) Andere Lieder folgen. Maik B., Frontmann der Band „Hassgesang“, ist dem Brandenburger Verfassungsschutzes seit dem Jahre 2003 als Neonazi wohl bekannt. ((http://www.verfassungsschutz.brandenburg.de/media_fast/4055/VSB_2008.pdf, S. 94, Zugriff 22.10.2014, innovativ: http://www.verfassungsschutz.brandenburg.de/media_fast/4055/TB_Kultur_des_Hasses_web.pdf , S. 20 ff, Zugriff 22.10.2014.))

Maik B. ist nicht dumm. Er lebt in Teltow und studiert in Berlin Jura. Irgendwann schließt er sich den Burschenschaftlern der „Gothia Berlin“ an, tritt im Jahre 2006 aber wieder aus. ((http://www.verfassungsschutz.brandenburg.de/media_fast/4055/TB_Kultur_des_Hasses_web.pdf Zugriff 22.10.2014)) Zwischendurch war er als Skinhead unterwegs, bis ihm dämmert, dass dies der falsche Weg ist. Im Jahre 2009 erklärt er dem Radiosender „Netzradio Germania“, er würde jetzt bürgerlich werden. Es sei seiner Ansicht nach geradezu aberwitzig, sich durch sein Erscheinungsbild vom Volk zu isolieren. Nationalsozialisten dürften nicht als bedrohlich und gefährlich wahrgenommen werden. Wichtig sei es, gegenüber dem Volk den hoffnungsträchtigen Ausweg zu propagieren und dies bedeute, sich nach außen hin anzupassen. ((http://www.netzradio-germania.de/phpBB3/viewtopic.php?f=4&t=127 Zugriff 22.10.2014)) Dies gelingt ihm nicht völlig. Diverse Strafverfahren, u.a. wegen Volksverhetzung, zeugen davon. ((http://www.berliner-zeitung.de/brandenburg/saenger-von-hassgesang-maik-b—brandenburger-neonazi-soll-zivilrichter-in-bayern-werden,10809312,28721934.html Zugriff 22.10.2014))

Maik B. besteht das Erste Staatsexamen in Berlin und beginnt sein Referendariat im Bezirk des Berliner Kammergerichts. ((http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2014/10/14/rechtsextremer-richter-politiker-fordern-ueberpruefung-aller-zurueckliegenden-urteile_17206 Zugriff 22.10.2014)) Während dieser Zeit macht er wohl auch Station in der Kanzlei von Wolfgang Narath. ((Die Kanzlei wollte sich gegenüber der BZ nicht äußern. http://www.bz-berlin.de/berlin/umland/so-sah-der-neonazi-richter-unter-der-robe-aus Zugriff 22.10.2014)) Diese Kanzlei verteidigt Rolf Wohlleben im NSU Prozess und vertrat auch Maik B. bereits in einschlägigen Verfahren. (( http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2014/10/14/rechtsextremer-richter-politiker-fordern-ueberpruefung-aller-zurueckliegenden-urteile_17206 Zugriff 22.10.2014))

Nachdem er sein Zweites Juristisches Staatsexamen in Berlin absolviert hat, bewirbt er sich in der Bundeshauptstadt für das Richteramt. ((http://www.tagesspiegel.de/berlin/rechtsextremismus-neonazi-richter-fiel-in-berlin-durch/10850672.html Zugriff 22.10.2014)) Der Notendurchschnitt reicht nicht. Andere Bewerber waren wahrscheinlich besser. Maik B. schreit auch eine Bewerbung an die Bayerische Justizverwaltung. Jetzt will er in Bayern Richter werden. Dort klappt es. Am 30.10.2013 verkündet die Zeitung „Obermain Tagblatt“, man erwarte ihn „sehnsüchtig“ am Amtsgericht Lichtenfels in Oberfranken. ((http://www.obermain.de/lokal/lichtenfels/art2414,98161 Zugriff 22.10.2014)) Maik B. leistet seinen Eid auf die Deutsche Verfassung. Die Eidesformel für Richter in Bayern lautet: „Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, getreu der Verfassung des Freistaates Bayern und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe.“ ((http://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal_nrw.cgi?xid=168040,6 Zugriff 22.10.2014))

Da kommt einem prompt Max Liebermanns Ausspruch vom 30.1.1933 in den Sinn: Ick kann jar nich soville fressen…

Maik B. ist nun Richter auf Probe und zieht in den kleinen Ort Mainleus.

Im Juni 2014 brechen Diebe seinen Spind in einem Sportcenter in Bayreuth auf. Maik B. wird von der Polizei als Zeuge vernommen und „Kommissar Zufall“ unterstützt durch einen sehr aufmerksamen Polizisten schlägt zu. ((http://www.spiegel.de/panorama/justiz/rechtsextremer-richter-maik-b-war-verfassungsschutz-bekannt-a-996932.html, http://www.sueddeutsche.de/bayern/justiz-in-bayern-rechtsextremer-richter-durch-zufall-aufgeflogen-1.2172983,Zugriff 22.10.2014)) Dem kam der Name verdächtig vor. Richtig, in Westdeutschland heißt man nicht „Maik“. Der Beamte erinnert sich an eine Mitteilung des bayerischen Staatsschutzes, dass nach Franken ein ostdeutscher Neonazi zugezogen sein soll. ((http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2014/10/rechtsextremist-aus-brandenburg-richter-in-bayern.html Zugriff 22.10.2014)) Der saß jetzt vor ihm und erklärte, er sei Amtsrichter. ((http://www.sueddeutsche.de/bayern/justiz-in-bayern-rechtsextremer-richter-durch-zufall-aufgeflogen-1.2172983,Zugriff 22.10.2014))

Maik B. richtete – im Namen des Volkes – fast ein Jahr. Unbehelligt, unentdeckt. Wie kann das sein?

Zweiter Akt: Auftritt Prof. Dr. Winfried Bausback, Bayerischer Staatsminister der Justiz

In Bayern gehen die Uhren anders. Wer sich als „Nicht-Bayer“ um eine Richterstelle in der bayerischen Justizverwaltung bewirbt, der kann schnell sein „blaues Wunder“ erleben. Bayern unterzieht alle Bewerber, die kein Bayerisches Staatsexamen vorweisen können, nämlich einer nochmaligen internen Prüfung. ((„Außerbayerische Examensergebnisse müssen durch das Bayerische Landesjustizprüfungsamt entsprechend diesen Grundsätzen umgerechnet werden.“ Danach zählt der schriftliche Prüfungsanteil mit 75 % und der mündliche Teil mit 25 %, vgl. https://www.justiz.bayern.de/justiz/berufe-und-stellen/richter-und-staatsanwaelte/ (Zugriff 22.10.2014). Die Berliner Justizverwaltung kommt zu einem diametralen Ergebnis: „Eine rein mathematische Betrachtung verbietet sich hier freilich, weil die Bewerberinnen und Bewerber ihre Examina zu unterschiedlichen Zeiten in verschiedenen Bundesländern mit divergierenden Prüfungsmodi abgelegt haben.“, vgl: http://www.berlin.de/sen/justiz/struktur/einstellung_ri_sta.html Zugriff 22.10.2014)) Bei sieben landeseigenen juristischen Fakultäten ((In Bayern kann man an den folgenden Universitäten Jura studieren: Universitäten Augsburg, Bayreuth, Regensburg, Würzburg, München, Passau und Erlangen-Nürnberg.)) und über 4.000 Prüflingen im Jahr, ((http://www.justiz.bayern.de/media/pdf/ljpa/jahresberichte_mit_statistiken/bericht_2013.pdf – im Jahre 2013 absolvierten ca. 2700 Studierende das Erste Juristische Staatsexamen und ca. 1400 das Zweite Juristische Staatsexamen Zugriff 22.10.2014)) ist man das seinen Landeskindern schuldig. Die Bayern nennen das Bestenauslese. ((Prof. Dr. Bausback ehrte im Februar 2014 die besten Absolventen mit den folgenden Worten: „Die Spitzennoten, die wir heute feiern, sind gerade deshalb so bemerkenswert, weil man solche Noten bei uns wahrlich nicht geschenkt bekommt, sondern sie ein allseits anerkannter Beleg für besonders herausragende fachliche Fähigkeiten sind. Hoher Anspruch und Objektivität sind die Grundlage dafür, dass alle, die eine vom Bayerischen Landesjustizprüfungsamt durchgeführte Prüfung bestanden haben, auf dem Arbeitsmarkt wirklich etwas „unter den Füßen“ haben und ihren Arbeitgebern einen verlässlichen und allseits anerkannten Qualitätsnachweis vorlegen können.“, Hervorhebung im Original, vgl. http://www.justiz.bayern.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/archiv/2014/18.php Zugriff 22.10.2014))

Wie kam dann Maik B., der in Berlin patzte, in den bayerischen Staatsdienst?!

Zum Einstellungstermin Ende 2013 hatte Bayern ca. 50 Stellen für Richter und Staatsanwälte zu besetzen. ((http://www.juristenkoffer.de/richter/bayern/ Zugriff 22.10.2014)) Fand sich für Oberfranken, dem „Abklingbecken für Richter, die sonst keiner haben will“ ((So die überaus bösartige Bemerkung der Initiative „Burschenschafter gegen Neonazis“, vgl. http://www.juristenkoffer.de/richter/bayern/ Zugriff 22.10.2014)), kein Landeskind? Im Jahre 2013 hatten in Bayern immerhin 180 Referendare ihre Prüfung mit „vollbefriedigend“ und besser abgeschlossen und fast 500 Prüfungsteilnehmer erzielten immerhin noch ein „befriedigend“. ((http://www.justiz.bayern.de/media/pdf/ljpa/jahresberichte_mit_statistiken/bericht_2013.pdf Zugriff 22.10.2014)) Summa summarum dürften danach zwischen 250 und 300 Personen für den Staatsdienst in Betracht gekommen sein. Warum fiel die Wahl ausgerechnet auf Maik B.? Das muss jetzt im Bayerischen Landtag geklärt werden.

Am Nachmittag des 14.10.2014 wurde Maik B. zum Präsidenten des Oberlandesgerichts Bayreuth bestellt. Man wolle die Vorwürfe gegen ihn erörtern. Maik B. beantragte bei diesem Gespräch seine Entlassung aus dem bayerischen Justizdienst. ((http://www.spiegel.de/panorama/justiz/maik-b-richter-unter-neonazi-verdacht-in-bayern-entlassen-a-997190.html Zugriff 22.10.2014)) Diesem ist nach dem Richtergesetz sofort zu entsprechen. Mit Ablauf des selben Tages war er kein Richter mehr. Letzter Fürsorgeakt seines Dienstherrn: Maik B. wurde in einem fensterlosen PKW davongefahren. ((http://www.spiegel.tv/#/filme/neonazi-richter-maik-bunzel/ Zugriff 22.10.2014))

Minister Bausback und sein Kollege, Innenminister Herrmann, lenkten zwischenzeitlich geschickt vom Thema ab. Schuld an der Misere war, dass die Regelanfrage beim Verfassungsschutz, besser bekannt unter dem Stichwort „Radikalenerlass“, im Jahre 1991 in Bayern abgeschafft worden sei. ((http://www.br.de/nachrichten/oberfranken/inhalt/lichtenfels-neonazi-amtsrichter-100.html, http://www.main-netz.de/nachrichten/aktuelles/art81887,3258412 Zugriff 22.10.2014)) In Berlin ist man weiter. Alle potentiellen Bewerber um eine Richterstelle werden von der Justizverwaltung gegoogelt. ((http://www.tagesspiegel.de/berlin/rechtsextremismus-neonazi-richter-fiel-in-berlin-durch/10850672.html Zugriff 22.10.2014)) Maik B. und Hassgesang sind eine feste „Internetgröße“.

Dritter Akt: Auftritt Bayerischer Verfassungsschutz

Der bayerische Verfassungsschutz präsentierte am 14.10.2014 in seiner Pressemitteilung den wahren Schuldigen: Maik B., denn der habe auf dem Befragungsbogen zur Verfassungstreue falsche Angaben getätigt. ((http://www.verfassungsschutz.bayern.de/imperia/md/content/lfv_internet/service/pm_14_10_12.pdf Zugriff 22.10.2014)) Im Übrigen hätten die Kollegen aus Brandenburg zwar im Februar 2014 über den Zuzug nach „Meinleus“ informiert, aber dies beinhaltete keinen Hinweis auf eine angestrebte Tätigkeit im öffentlichen Dienst. Nun kann man boshaft fragen, was von einem Amt zu erwarten ist, dass noch nicht einmal den Wohnort von Maik B. richtig schreibt. Die Ortschaft heißt „Mainleus“ ((http://www.mainleus.de/ Zugriff 22.10.2014)): Hat der Bayerische Verfassungsschutz eventuell am falschen Ort nach Maik B. gesucht?! Möglich wäre es, denn der Pressesprecher des Brandenburgischen Innenministeriums erklärte überaus gesprächig, dass man die Kollegen in Bayern ausführlich informiert habe. ((http://www.tagesspiegel.de/berlin/rechtsextremismus-wie-ein-neonazi-aus-brandenburg-richter-werden-konnte/10831812.html Zugriff 22.10.2014)) Getan hat man nichts. Dabei wäre Tun gar nicht so schwer gewesen. Ein studierter Jurist, der in einer Kleinstadt in Franken lebt, wird wohl kaum als Straßenkehrer arbeiten. Ein Arbeitsplatz im 350 Kilometer entfernten Garmisch-Partenkirchen dürfte gleichwohl ausgeschlossen sein. Es kommen theoretisch fünf Berufe in Betracht: Rechtsanwalt, Wissenschaftlicher Assistent an einer Universität, Versicherungs- oder Unternehmensjurist, Richter oder Staatsanwalt bzw. Verwaltungsjurist.

Für das nächste Mal, liebe Verfassungsschützer: Alle deutschen Rechtsanwälte sind im Internet auf der Seite der Deutschen Rechtsanwaltskammer gelistet. Die Assistenten an einer Universität findet man im Vorlesungsverzeichnis. Liegt kein Ergebnis vor, fragt man bei den Sozialversicherungsträgern an. Verläuft auch diese Spur „im nirgends“, so platziert man morgens einen bzw. zwei PKW mit Ermittlern vor dem Haus und folgt (unbemerkt!) zur Arbeitsstelle. Oder noch einfacher: Man googelt. Der Artikel über Maik B.´s Dienstantritt als Richter in Lichtenfels – ca. 15 Autominuten von Mainleus entfernt – steht seit Oktober 2013 im Netz. Für jeden einsehbar.

Epilog

Maik B. ist jetzt arbeitslos – vermutlich wird er als musizierender Rechtsanwalt bald wieder auftauchen. Offenbar hat er in dem zivilrechtlichen Dezernat am Amtsgericht in Lichtenfels keinen großen Schaden angerichtet. Im Gegenteil: Maik B. scheint sich ganz gut gemacht zu haben. ((http://www.frankenpost.de/regional/oberfranken/laenderspiegel/Ein-Einzelfall-schlaegt-hohe-Wellen;art2388,3653408 Zugriff 22.10.2014)) Aber das war ja auch die Absicht. So hatte es Maik B. im Jahre 2009 gegenüber „Netzradio Germania“ angekündigt. Die Bayerische Justiz ist im Übrigen dem „Mega-GAU“ nur um Haaresbreite entgangen. Spätestens im Jahre 2015 wäre Maik B. nämlich turnusmäßig zur Staatsanwaltschaft abgeordnet worden. Dann hätte problemlos Einsicht nehmen können in vertrauliche Akten der deutschen Sicherheitsbehörden…

Maik B. hat die bayerische Justiz und den Inlandsgeheimdienst regelrecht vorgeführt. Oder war alles doch ganz anders? Der Bayerische Verfassungsschutz schreibt in seiner Presserklärung vom 14.10.2014, Maik B. habe im Jahre 2013 keine rechtsextremen Aktivitäten entfaltet. ((http://www.verfassungsschutz.bayern.de/imperia/md/content/lfv_internet/service/pm_14_10_12.pdf Zugriff 22.10.2014)) Stand er also doch unter Überwachung? Und wie sind die ersten Presseberichte in puncto Maik B. zu bewerten, wo über einen Ausstieg aus der Szene spekuliert wurde? ((http://www.nordbayern.de/region/rechtsradikaler-richter-am-amtsgericht-lichtenfels-1.3940617 Zugriff 22.10.2014)) War er am Ende gar ein Aussteiger, den man in der bayerischen Provinz unterbrachte? Das letzte Wort im Falle Maik B. dürfte jedenfalls noch lange nicht gesprochen sein.