Israelische Journalisten besuchen Berlin

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Es ist inzwischen fast schon gute Tradition, dass das Pressenetzwerk für Jugendthemen e.V. aus Bonn Journalisten aus aller Welt nach Deutschland einlädt. Hier erfahren die Medienleute mehr über die Situation der Jugend, über Angebote und wichtige Jugendorganisationen- und Institutionen. Das ist Teil des Austauschprogrammes des Vereins. Auch nach Israel pflegt das Netzwerk sehr gute Beziehungen…

Fotos und Text: Bastian Glumm

Fünf israelische Journalisten vom IDF-Armeesender Galgalatz folgten jetzt der Einladung von Pressenetzwerk-Geschäftsführer Jörg Wild nach Berlin, um an einem einwöchigen Programm teilzunehmen, das auch deutsch-israelische Aspekte in der Hauptstadt beleuchtete. Zunächst aber stand ein Spaziergang durch Kreuzberg und des Regierungsviertels auf dem Programm. Am Motel One am Moritzplatz begann die Stadtführung, die ihren ersten Stopp bereits im Eingangsbereich des Hotels erfuhr. Wir stolperten sprichwörtlich über zwei Stolpersteine, die auf Opfer der Nazis hinwiesen, die im Vorgängergebäude des Motel One lebten. Das waren die ersten Eindrücke für die Gäste aus Israel, bevor es in Richtung Oranienstraße weiterging.

Israelische Journalisten besuchen Berlin

Stadtführung durch Berlin

Ich plauderte ein wenig mit Naomi, die im Sender die markante Moderationsstimme ist. Ich erklärte ihr, dass es in Berlin Stadtteile gibt, die sich durchaus mit dem turbulenten Tel Aviv vergleichen lassen. Für Naomi war es übrigens der erste Besuch in Deutschland. Ihre Kollegen waren alle bereits in der Bundesrepublik gewesen. Weiter ging es dann im Doppeldeckerbus zum Anhalter Bahnhof und von dort zu Fuß ins Stadtzentrum. Entlang der Stresemannstraße machten wir uns auf den Weg ins Regierungsviertel. Zunächst schauten wir uns den Potsdamer Platz mit Sony Center an. Auf besonderen Wunsch unserer Gäste wanderten wir dann zur Voßstraße, um das Areal des ehemaligen Führerbunkers zu besichtigen. Ein Steinwurf entfernt davon befindet sich das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Dieser bedrückende Ort hat seine bleibenden Eindrücke bei unseren israelischen Besuchern hinterlassen. Das tat auch das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas, das im Tiergarten zwischen Reichstag und Brandenburger Tor an der Scheidemannstraße zu finden ist.

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Als Israeli in Deutschland

Tags darauf trafen wir uns vor der Peter-Paul-Rubens-Schule in Berlin-Friedenau. Dort waren wir mit Anna verabredet. Anna ist eine junge Israeli, die an der Gemeinschaftsschule ein elfmonatiges Volontariat absolviert. Sie kümmert sich um die Betreuung der Schüler parallel zum Regelunterricht. Über ihre Erfahrungen, die sie als junge Israeli im deutschen Schulwesen macht, erzählte sie ihren fünf Landsleuten und uns. Es entspann sich ein hochinteressanter Dialog. So erzählte Anna nicht nur aus ihrem Schulalltag. Auch wurden gezielt Fragen gestellt, wie es denn um das Problem Antisemitismus an dieser stark von muslimischer Migration geprägten Schule bestellt ist. Glücklicherweise hat die junge Frau so gut wie keine negativen Erfahrungen in dieser Richtung machen müssen. Natürlich würden sich mit Schülern und auch Lehrern politische Diskussionen entwickeln, die mitunter auch sehr emotional geführt würden. Aber sie würde sich niemals für Israel entschuldigen. Warum sollte sie auch. Auch erklärte sie die persönlichen Gründe für ihren Aufenthalt in Deutschland und ob sie sich vorstellen könnte, in Berlin für länger zu bleiben, wie es ja inzwischen viele Israelis tun würden. Nein, das sei nicht ihr Ziel. Sie ist und bleibt Israeli und möchte durch diesen Auslandsaufenthalt Erfahrungen und neue Eindrücke sammeln und dann wieder zurück nach Israel.

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Antisemitische Äußerungen

Im Anschluss an das Gespräch machten wir uns auf den Weg zur Gedenkstätte Sachsenhausen in Oranienburg, die nördlich von Berlin liegt. Dort erwartete uns Aya. Auch Aya kommt aus Israel und arbeitet in der Gedenkstätte Sachsenhausen im pädagogischen Dienst und macht somit zahlreiche Führungen mit Schulklassen durch das ehemalige Konzentrationslager. Sie erzählte aus ihren Erfahrungen mit Gruppen. Auch mit Antisemitismus hatte es die junge Israeli schon zu tun: „Sind Sie Jüdin? Sie sehen so jüdisch aus -, fragte mich eine Lehrerin“, ist Aya noch heute erschüttert, dass derartige Äußerungen auch von Pädagogen kommen können. Anders bei überwiegend muslimischen Gruppen, die Gedenkstätte und Museum besuchen. Diese seien recht häufig ganz besonders am Thema Holocaust und Nationalsozialismus interessiert und würden auch immer Fragen stellen. Das sei längst nicht bei allen Besuchergruppen der Fall, resümierte Aya. Einem Vortrag über die Entwicklung und die Geschichte des Konzentrationslagers Sachsenhausen folgte eine Vorstellung der Arbeit des pädagogischen Dienstes der Gedenkstätte. Anschließend begann die Führung.

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Als Jude in der DDR

An der Ackerstraße in Mitte hat der Verein Zeitzeugenbörse seine Räume. Hier trafen wir uns am nächsten Tag wieder und auch den Berliner Gabriel Berger, der aus seinem Leben erzählte und den israelischen Journalisten Rede und Antwort stand. Berger ist Jude und wurde 1944 in Frankreich in einem Versteck geboren. Später entwickelte er sich zu einem überzeugten Kommunisten und lebte im Ostteil Deutschlands. Dann aber wandelten sich seine Überzeugungen, so dass er in Konflikt mit dem Staatsapparat der SED geriet und sogar für ein Jahr in ein Stasigefängnis wanderte. Erst nach seiner Haftstrafe konnte der Physiker in den Westen ausreisen. Ein Konflikt mit dem sozialistischen Staat, dem ihm Teile seiner durchweg kommunistisch geprägten Familie bis heute ernsthaft übel nehmen. Eva Geffers vom Verein Zeitzeugenbörse stellte zunächst die Arbeit ihrer Initiative vor. Auf Anfrage kann sie Zeitzeugen zu ganz bestimmten historischen Epochen oder konkreten Ereignissen vermitteln. Wie lebte es sich als Jude in der DDR? Und warum blieb Gabriel Berger überhaupt so lange im Osten Deutschlands? Denn Juden war die Ausreise nach Israel fast ohne größere Schwierigkeiten möglich. So gab es auch Fälle, berichtete Berger, bei denen Juden aus der DDR nach Israel ausreisen dürften, diese Möglichkeit aber nutzten, um nach West-Berlin zu gehen. Gabriel Berger musste seinen israelischen Gesprächspartnern gestehen, diese Chance verpasst zu haben. Er erzählte vom Bruch mit seiner Familie, die dem sozialistischen Staat zum Teil bis heute die Treue hält. Berger jedoch ging neue Pfade und nach seiner Haft in die Bundesrepublik und in die Freiheit.

Gabriel Berger

Jüdische Gemeinde ein Berlin

An der Joachimstaler Straße haben die Jüdische Gemeinde Berlin und die Jewish Agency ihre Räume, die wir anschließend aufsuchten. Wir trafen uns mit Anastasia von der Jugendarbeit der Gemeinde und mit Marianna, die in Deutschland die Jewish Agency vertritt. Dazu kamen zwei junge Gemeindemitglieder, die über jüdisches Leben in Berlin 2014 erzählten. Am frühen Abend gingen wir wieder auseinander. Am nun folgenden Tag trafen wir uns morgens vor der Akademie des Jüdischen Museums in Kreuzberg. Mitglieder des didaktischen Teams des Museums erklärten die Ausstellung als solches, aber auch die Aufgabe des Museums für die deutsche Öffentlichkeit. Denn oftmals käme es hier zu Missverständnissen. Man würde zwar dezidiert aufführen, wie man ein Shabbatfest feiert. Es aber nicht selbst feiern. Und in diese Richtung zielte auch die Frage eines der israelischen Journalisten: ob denn im Museum viele Juden arbeiten würden. Dies beantwortete die Museumshistorikerin mit einer Gegenfrage: ob man denn im Ägyptischen Museum viele angestellte Ägypter erwarten würde? Für alle Beteiligten war der einwöchige Besuch der fünf Journalisten des Senders Galgalatz eine besondere Erfahrung und die Art von Völkerverständigung zwischen Israelis und Deutschen, die es auszubauen gilt.

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