Der Seelenfänger aus Teheran

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In Kürze kommt der neue iranische Außenminister nach München und Berlin…

Von Matthias Küntzel

Wenn Mohammad Javad Zarif, der neue iranische Außenminister, diesen Freitag nach Deutschland kommt, wird er sich vor Kameras und Mikrophonen kaum retten können. Man wird seinen Einsatz für Mäßigung und Entspannung (solange der zionistische Feind nichts zu melden hat) feiern, seine ungezwungen-jovale Art goutieren und sich behaglich täuschen lassen: Zarif – das ist die neue Public Relation-Waffe des iranischen Regimes.

1960 geboren, begann er 1977 in den USA zu studieren. Er schlug sich während der Geiselnahme der amerikanischen Botschaftsangehörigen auf die Seite des Khomeini-Regimes und trat kurz darauf in den Dienst der iranischen Botschaft in Washington. Da ihm der obligatorische Wehrdienst im Krieg zwischen Irak und Iran (1980-1988) erlassen wurde, studierte er währenddessen in den USA, wurde 1989 zum stellvertretenden iranischen Botschafter bei den Vereinten Nationen ernannt und fungierte zwischen 2002 und 2007 als Leiter der iranischen UN-Mission. Nach einigen Jahren der Lehrtätigkeit an einer iranischen Universität machte Hassan Rohani ihn 2013 zum Außenminister und zum Verantwortlichen für die Nukleardiplomatie. ((Thomas Erdbrink, Once an Outcast, Iranian Minister Carries Hope of Easing Tensions, in: New York Times, August 26, 2013.))

Zarif ist mit der amerikanischen Kultur zwar bestens vertraut; an sie angepasst hat er sich aber nie. Trotz seines 24-jährigen Aufenthalts in den USA betrat er nicht ein einziges Mal das Haus einer nicht-muslimischen Familie, betont er stolz in seinen Memoiren: „Wir behielten unserer islamische, iranische Lebensweise bei.“ ((Ali Alfoneh and Reuel Marc Gerecht, An Iranian Moderate Exposed, The New Republic, January 23, 2014; Martin Woker und Andreas Rüesch, Interview mit Irans Außenminister: „Amerika hing einer Illusion an“, in: Neue Zürcher Zeitung, 27. Januar 2014.)) Bis heute weigert sich der Diplomat, einer Frau die Hand zu geben.

Gleichwohl verkörpert er für viele seiner amerikanischen Gesprächspartner den Softliner, den es gegen die Hardliner seines Landes zu unterstützen gilt. ((Robin Wright, Diplomatic Exit, in: Washington Post, April 15, 2007.)) Wenn man einem wie ihm nur freie Hand ließe, so glauben viele, hätte sich der Streit zwischen Iran und dem Westen schon bald als ein Missverständnis entpuppt, hätte der Neuanfang der Beziehungen schon begonnen.

Doch leider trügt der schöne Schein. Zarif ist ein knallharter Funktionär, „ein Soldat dieses islamischen Systems und seiner Führung“, wie er kürzlich in Teheran betonte, ein Kämpfer, der nicht nur seine Landsleute, sondern die internationale Ordnung den Scharia-Gesetzen unterwerfen will.

In seiner soeben in Teheran veröffentlichten Autobiographie erklärt der Außenminister, warum er ein „fundamentales Problem mit dem Westen“ hat: „Weil wir eine Mission von globaler Dimension verfolgen. Warum hat [das muslimische] Malaysia nicht dieselben Probleme wie wir? Weil Malaysia nicht den Versuch unternimmt, die internationale Ordnung zu verändern.“ Anders der Iran: „Wir haben uns auf eine globale Berufung festgelegt – sowohl in unserer Verfassung, als auch bei den Endzielen der Islamischen Revolution. Ich glaube“, so Zarif, „dass wir ohne unsere revolutionären Ziele gar nicht existieren.“ ((Ali Alfoneh and Reuel Marc Gerecht, An Iranian Moderate Exposed, The New Republic, January 23, 2014.))

Bei deren Verwirklichung sind Selbstmordattentate einkalkuliert. „Die Leute im Westen haben … Angst vor unserem Volk“, prahlte Zarif kürzlich in Teheran. „Wir sind stolz auf unsere Märtyrer, unsere Militärkräfte und unsere Bassischi-Einheiten. Unsere Kultur des Widerstands und des Selbstopfers (Märtyrertod)“ stelle für Amerikaner „das größte Hindernis“ dar. ((MFA vs. IRGC, Zarif strikes back; only Khamenei can decide whether to stop or continue the nuclear talks, Iran Daily Brief, 19 December 2013.))

Als wolle er dies unterstreichen, besuchte er unmittelbar nach dem Abschluss der Umsetzungsverhandlungen für das Genfer Atomabkommen das Grab des Hizbollah-Kommandanten Imad Mughniyeh.

Mughniyeh war nicht nur für den Selbstmordanschlag verantwortlich, bei dem 1983 241 US-Soldaten in ihrem Quartier in Beirut getötet wurden, er gilt darüber hinaus als der eigentliche „Erfinder“ des islamistisch motivierten Selbstmordattentats. Eine Fernsehaufzeichnung von Januar 2014 zeigt, wie sich Zarif vor dem Grab dieses Massenmörders verneigt, ein paar Gebetsworte murmelt und einen Kranz niederlegt. ((Shimon Shapira, Iran Honors Hizbullah Commanders – Further Details, www.jcpa.org/iran, 15 January 2014.))

Und bist du nicht willig, so bau’ ich die Bomb’!

Den Westen in Angst zu versetzen und zu erpressen – diesem Zweck dient, Zarif zufolge, auch das Atomprogramm.

„Ihr habt nur ein einziges Mittel, um sicherzustellen, dass das iranische Atomprogramm friedlich bleibt“, hat er im September 2013 erklärt. „Ihr müsst zulassen, dass sich das Atomprogramm in einem friedlichen internationalen Umfeld entwickeln kann.“ ((FM Javad Zarif interview to Press TV: all options are not on the table; Iran cannot be deprived of its nuclear rights, in: Iran Daily Brief, September 12, 2013. Zarif hat seine Drohung noch im selben Interview wiederholt: Keine iranischen Regierung werde jemals ein Jota der Rechte des iranischen Volkes aufgeben, heißt es hier. „Es ist bereits kontraproduktiv, uns danach zu fragen. Dies ist nicht der Weg, sicherzustellen, dass das iranische Atomprogramm ausschließlich friedlich bleiben wird.“)) Nur ein einziges Mittel? Hier hat der iranische Außenminister ganz offen gedroht, dass das iranische Atomprogramm unter Umständen nicht „friedlich“ bleiben, sondern auf seinen militärischen Zweck, den Bau der Bombe, umgestellt werden wird.

Den potentiellen Griff zur Bombe habe das Genfer Abkommen, Zarif zufolge, nicht erschwert. So betonte er unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Genf in seiner Funktion als Leiter der Nukleardiplomatie, „dass alle iranischen Nuklearstätten ihre normalen Aktivitäten fortführen werden“ und dass „keines der iranischen Atomprogramme gestoppt wird.“ ((Joshua Levitt, Iran FM Zarif Strikes Different Tone in Tehran, Says Nuclear Activities To Go On as Normal, in: the algemeiner, November 25, 2013.)) „Iran wird über den Grad der Anreicherung gemäß seiner Bedürfnisse für unterschiedliche Absichten entscheiden“, fügte er wenige Tage später hinzu. ((Iran has final say on nuclear enrichment, says Zarif. On: news.yahoo.com, November 29, 2013.)) „Falls wir uns dazu entscheiden, auf 20 Prozent anzureichern, werden wir dies innerhalb von 24 Stunden tun.“ ((Foreign Minister Mohammad Javad Zarif addresses Tehran University students, Iran Daily Brief, 4 December 2013.))

Das sei auch gut so. Denn nur eine einzige Personengruppe habe, so Zarif, das Genfer Abkommen zu fürchten: „Das Zionistische Regime und dessen Unterstützer in den USA sind [über die Genfer Gespräche] zu Recht verängstigt.“ ((FM Mohammad Javad Zarif in special television interview on recent developments surrounding Iran’s nuclear program, in: Iran Daily Brief, 13. November 2013)) Seine Tiraden gegen Israel unterscheiden sich von denen des Revolutionsführers nur wenig: „Das Zionistische Regime ist für uns die größte Gefahr für die Region und für die Welt. Wir werden an keinem Treffen teilnehmen, an dem das Besatzerregime teilnimmt.“ ((Zarif: Iran not to attend talks if Zionist regime participates, auf: www.irna.ir/ November 29, 2013.))

Gewiss, in Iran steht Zarif wegen seiner Gesprächsbereitschaft mit den USA unter besonderer Beobachtung der knochenharten Islamisten und im Zentrum ihrer Kritik. Dennoch wäre es verkehrt, seine oben zitierten Positionen als Lippenbekenntnisse für iranische Hardliner abzutun: Zarifs Orientierung deckt sich mit dem ideologischen Selbstverständnis des iranischen Regimes. Seine taktische Flexibilität stellt Zarif eher Umgang mit dem Westen unter Beweis. Darüber hinaus haben die Worte der iranischen Machthaber, was auch immer man in sie hereindeuten will, ihr Eigengewicht.

Dies gilt auch für die Äußerung, mit der Irans Präsident Hassan Rohani die Weltöffentlichkeit nur zwei Tage nach Abschluss der Umsetzungsverhandlungen für das Genfer Atomabkommen überraschte.

„Wisst ihr, was das Genfer Abkommen bedeutet?“, fragte er am 14. Januar 2014 eine große, ihn frenetisch feiernde Menschenmenge in einer Stadt im Südosten Irans. „Es bedeutet die Kapitulation der Supermächte vor der großen iranischen Nation.“ ((Iranian President Rohani: ,The Geneva Agreement … Means The Superpower’s Surrender To The Great Iranian Nation”, MEMRI Special Dispatch No. 5601, January 14, 2014.))

Wenn sich in Kürze der iranische Außenminister den Kameras und Mikrophonen in Deutschland stellt, wird er das Wort „Kapitulation“ nicht wiederholen, sondern sich höflich für Deutschlands Rolle bei der Zustimmung zur iranischen Urananreicherung und dem Abbau der Sanktionen bedanken. Wird sich einer seiner Gesprächspartner nach Zarifs „revolutionären Zielen“ oder seiner Drohung mit der Bombe erkundigen? Vermutlich nicht; man wird dies, um die gute Stimmung nicht zu verderben, ignorieren.

5 Kommentare

  1. Europäische und deutsche Politiker praktizieren eine fast schon faszinierende Anschmiegsamkeit, wenn Teheran nicht einen gewöhnlichen Hardliner sondern eine etwas schlauere Variante desselben Schlages schickt. Bei dieser devoten Grundhaltung ist es dem Mullah-Regime eigentlich nicht mehr zu verdenken, dass dort die Fantasien ins Kraut schiessen und von der „Kapitulation der Supermächte vor der großen iranischen Nation“ die Rede ist.

    Nachdem schon Catherine Ashton in ihrer Eigenschaft als Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik 2012 die Morde an jüdischen Kindern in Toulouse mit dem Verweis bagatellisiert hat, dass u.a. auch in Gaza Kinder sterben und dieser Vergleich nicht die geringsten Konsequenzen für die Dame hatte, kann einen das obige Verhalten von lokalen Politikern auch nicht in mehr Rage versetzen. Zudem als Zuckerl noch mögliche wirtschaftliche Aufträge in Aussicht stehen.

    Die fehlende Courage wird spätestens dann aktiviert, wenn „aus Israels widerrechtlich besetzten Gebieten“ irgendwelche Produkte den Weg in die EU finden sollen. So gleicht sich alles wieder aus.

  2. Die EU, und die USA, werden Mohammad Javad Zarif auf den Leim gehen, da sie es aus Grund ihres Wunschdenkens wollen.
    Man möchte die Geschäfte mit dem Iran nicht noch mehr erschweren.

    Kyniker

    Sollte der Iran eine Atombombe auf Israel werfen, würde sich das Palästinenser-Problem lösen – nur nicht so, wie gehofft …

    • Sollte der Iran eine Atombombe auf Israel werfen, würde sich das Palästinenser-Problem lösen – nur nicht so, wie gehofft …
      und Jerusalem als Hauptstadt könnten sie auch vergessen. Schade um den Felsendom.

      Zynisch? Na klar.
      Kyniker

    • Hallo Hans Dieter,
      dem kann ich nur zustimmen, doch solange mit dem Iran gute Geschäfte zu machen sind, was stören einen gesteinigte Minderjährige Mädchen wegen „Ehebruch“, an Kränen aufgegangene „Spione“, Kollaborateure“ und Homosexuelle, und die Bekräftigung, Israel zu vernichten.

      Zynisch: „Der Sekt bei der Vernichtung Israels steht bereits kalt“.

      Kyniker

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